Startseite LänderDeutschland Was für eine Welle kommt diesmal auf die Logistikdienstleister zu?

Was für eine Welle kommt diesmal auf die Logistikdienstleister zu?

von Andreas Müller
Die französische Grossreederei CMA CGM kauft den Automotive-Logistikdienstleister GEFCO und gründet eine eigene Cargo-Airline. Die dänische Grossreederei A.P. Moller – Maersk gründet ebenfalls die Maersk Air Cargo und kauft in letzter Zeit die Speditionen Senator in Deutschland und Pilot in den USA. Der Online-Riese Amazon gründet das Amazon Freight Partner Programm (AFP) und steigt als Amazon Global Logistics auch in das See- und Luftfrachtgeschäft ein. Dazu passt auch die Meldung, dass der deutsche Lebensmittel-Discounter Lidl eigene Container-Schiffe anschaffen möchte. Das Jahr 2021 lieferte vielen Frachtbeteiligten Rekorde in Umsatz und Gewinn. Ein Teil davon wird jetzt investiert.

(Basel) Jahrzehntelang wurden verschiedene Speditionen (heute Logistikdienstleister genannt) gross, indem sie komplett oder zu grossen Teilen auf eigene Assets verzichteten. Es gab genug Angebote auf allen Verkehrsträgern und man hatte im Normalfall auch die Qual der Wahl.

Auf der Strasse wurden für die Transporte auf Frachtführer resp. Subunternehmer gesetzt. In der Luftfracht vertraut man seine Sendungen den Airlines an. Die Seefracht übergibt man den Reedereien und die Bahnfrachten den Bahnen resp. den Operateuren. Auch bei den Logistikimmobilien setzt man auf Spezialisten, welche die entsprechenden Flächen vermieten.

Natürlich darf man das nicht zu 100 % verallgemeinern. Gerade auf der Strasse haben viele Speditionen auch in einen eigenen Fuhrpark investiert oder leisten sich auch die eine oder andere eigene Immobilie für Umschlag und Logistik. Für viele kleine Speditionen ist das auch ein Teil des Alterskapitals der Inhaber.

Reedereien und Cargo-Airlines schrieben jahrelang Verluste

Der Verzicht auf Assets hatte für die entsprechenden Logistikdienstleister:

  • Wenig Kapitalbindung
  • Kein Risiko von saisonalen Schwankungen (Fracht)
  • Kein Risiko von Wertminderungen (Immobilien)
  • Flexibilität bei Marktveränderungen

Extrem zu leiden hatten in wirtschaftlich schlechten Zeiten die heutzutage viel kritisierten Reedereien. Die Raten für die Seefrachten auf den meisten Relationen, insbesondere von und nach Fernost (China) litten gewaltig. Die Linien mussten aber wegen der hohen Importnachfrage aufrechterhalten werden. Zurück nach Fernost gab es in erster Linie leere Container. Die Spediteure diktierten die Preise.

Auch in der Luftfracht hatte die Airlines mehr schlechte als gute Zeiten. Auch dort war das Frachtgeschäft starken Volumen- und Preisschwankungen unterworfen.

Güterbahnen laufen in den seltensten Fällen rentabel. Dann schon eher noch einzelne Intermodaloperateure. Insbesondere solche, die auch Linien im Binnenschiffverkehr anbieten oder andere Containerdienstleistungen (z. B. Depots) anbieten können.

Die Strasse ist auch da ein wenig speziell. Auch hier gibt es wirtschaftlich bedingte Schwankungen. Da gibt es Zeiten, da ist der Transportunternehmer buchstäblich froh um jedes Kilo Fracht und dann kommen wieder Zeiten, wo Frachtraum rar und absolut kostbar ist. Wie zuletzt während Corona erlebt.

Äussere Einflüsse bringen die Gefüge ins Schwanken

Aber nicht nur ein Boom oder eine Flaute in der Wirtschaft bringen den Rhythmus der Frachten durcheinander, sondern auch äussere Einflüsse, wie man durch Corona schmerzlich lernen musste. Und gerade aktuell läuft in China wieder in gigantischer Corona-Lockdown in der Region Shanghai, der den Lieferketten erneut stark zusetzen wird.

Auch der Krieg in der Ukraine und die parallel dazu erfolgte parallele Wirtschaftsblockade zeigen ihre Wirkung. Zum einen fehlen Waren aus diesen beiden Ländern, wie die inzwischen berühmten „Kabelbäume“ für die Automobilindustrie aus der Ukraine oder Stahl für Nägel aus Russland, die jetzt z.B. bei der Herstellung von Paletten fehlen, etc.

Der Krieg in der Ukraine entzieht dem westeuropäischen Markt offenbar auch dringend und zuvor schon fehlende LKW-Fahrer. Auch da bringt ein unvorhergesehenes Ereignis die Märkte ins Schwanken. Allerdings zeichnet sich jetzt auch weltweit eine Wirtschaftskrise ab. Die Auswirkungen der Corona-Massnahmen zeigen zum ersten Mal die Kehrseite der Medaille. Da wurde 2020/2021 vieles „zugedeckt“, was jetzt zum Vorschein kommt. Gerade Meldungen über die das Geschäftsjahr 2021 triefen vor neuen Rekordumsätzen, Gewinnen und Umschlagsmengen. Kann das sein?

Vielfach traf aber 2021 Nachholbedarf auf aktuelles Geschäft. Dies ergab dann so grosse Mengen, die sogar das Vor-Corona-Jahr 2019 übertrafen. Kommt jetzt die Realität zurück? Oder ist der Krieg in der Ukraine wirklich an allem Schuld? Solange er auf ukrainischem Boden bleibt und hoffentlich in diesem Jahr noch eine Lösung gefunden werden kann, würde sich der Schaden in Grenzen halten.

Reedereien und Handelsketten werden zu Speditionen

Maersk und CMA CGM betreiben auch eigene Luftfrachtflotten (© Maersk /© CMA CGM)

Nach einigen Jahren des Müssigganges und einer Schrumpfung der Branche, kommen die Reedereien wie Phönix aus der Asche. Es vergeht kaum eine Woche ohne eine Meldung von neuen Aktivitäten einer Reederei. Insbesondere legen sich die Dänen von Maersk und die Franzosen von CMA CGM ins Zeug.

War es jahrelang ein Nachteil eine kapitalintensive Infrastruktur, wie Schiffe oder Container, vorzuhalten, so ist dies seit 2020 ein Vorteil, der die Einnahmen so schnell sprudeln lässt, dass man kaum hinterherschauen kann.

Und diese Geldzuflüsse werden auch kräftig re-investiert. Zwar haben die Reedereien schon vor Corona ihre Aktivitäten ausgebaut. Da konzentrierten sich die Investitionen vor allem auf die Stärkung des Kerngeschäftes, wie z.B. eigene Hinterlandanbindungen in Form von Bahnverbindungen von Seehäfen mit den wichtigsten Wirtschaftszentren.

Nun bauen die Reedereien aber auch immer mehr die Dienstleistungen für ihre Direktkunden aus. Neben den erwähnten eigenen Hinterlandanbindungen buchen die Reedereien immer mehr auch direkt die Plätze auf den Zügen der Intermodal-Operateure und halten auch die Hand über dem Trucking der Container den Zielstationen. Spediteure als Kunden kommen da oft in Bedrängnis, vor allem die kleineren. Gerade in der jetzigen Situation vergeben Reedereien die Plätze auf ihren Schiffen oft nur dann, wenn sie auch den Vor- und Nachlauf in Eigenregie durchführen. Das bringt Speditionen massiv in Bedrängnis, den nur an Nach- und Vorlauf konnte man noch etwas verdienen an der Seefracht. Zumindest im FCL-Geschäft (Full Container Load).

Reedereien, wie CMA CGM und Maersk sind jetzt aber auch ins Luftfrachtgeschäft eingestiegen und haben eigene Luftfrachtgesellschaften gegründet. Ganz neu ist das zwar auch nicht, aber das wurde stark intensiviert und wird in schlechteren Zeiten zu einem Preiskampf um die Luftfrachtraten führen.

Interessant sind auch die vermehrten Aktivitäten der Reedereien bei der Akquisition von Speditionen. Auch hier stellen sich die Linienbetreiber breiter auf. Door-to-Door wandelt sich vom Schlagwort zum effektiven Angebot aus eigener Hand.

Handelskonzerne steigen auch in das Transportgeschäft ein

Der Online-Gigant Amazon wird auch immer mehr zum Logistikdienstleister. Eigene Flugzeuge, Lieferfahrzeuge und Logistikzentren stehen auf der ganzen Welt zur Verfügung. Was liegt da näher als diese Kapazitäten auch Dritten anzubieten, vor allem Händlern, die sowieso schon die Plattformen von Amazon für den Verkauf nutzen. Da liegt es auf der Hand, wobei die Abhängigkeit vom Grosskonzern dann noch grösser werden dürfte.

Auch der Lebensmitteldiscounter Lidl will künftig die Transporte von und nach Fernost mit eigenen Schiffen durchführen. Wer die eigenen Grundmengen aufweist, kann so ein Risiko schon mal eingehen. So wird auf jeden Fall die eigene Lieferkette des Discounters planbarer.

Der Containerliner „TALASSA“ fährt bald unter der Flagge von Lidl

Gefahren für die etablierten Logistikdienstleister?

Was bedeutet das nun für die etablierten Logistikdienstleister? Bedroht das mittel- und langfristig ihre Existenz? Das Beispiel mit der Buchung, nur in Verbindung mit Vor- und Nachlaufdienstleistungen, zeigt schon auf, dass hier ein bedrohlicher Weg eingeschlagen wird.

Noch gibt es in Europa tausende von mittleren und kleineren Speditionen, die ihr Berechtigungsdasein haben. Sie nehmen einen wertvollen Platz ein. Sie sind flexibel und nah am (kleinen und mittleren) Kunden. Aber man liest auch beinahe täglich von irgendeiner Übernahme einer Transportfirma oder einer Spedition. Einerseits fehlen oft Nachfolger und andererseits zwingen viele und immer neue Regulatorien den einen oder anderen Betrieb zur Aufgabe resp. zum Verkauf.

Das Hoch während Corona kann darüber nicht hinwegtäuschen, denn schon eine Woche Krieg in der Ukraine und dem damit einhergehenden Preisanstieg an den Zapfsäulen der Tankstellen, brachte einige Betriebe ins Wanken. Der Kampf um Fracht und Lagerdienstleistungen wird weitergehen. Es scheinen jetzt wieder die Zeiten der Überkapazitäten sich anzunähern.

Digitalisierung und Fahrermangel sind zwar eine Belastung für manchen Betrieb, das sind aber Herausforderungen, die eine eingesessene Speditions- und Transportfirma nicht aus der Bahn werfen. Damit umzugehen, hat die Branche gelernt und vor allem sind da die Spiesse für gross und klein relativ gleich lang.

Es warten auch Herausforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit oder autonomes Fahren oder bei der Intralogistik die Robotic. Die Umrüstung eines gesamten Fuhrparks von Verbrennern auf E-Fahrzeuge ist kostspielig. Nicht nur bei den Fahrzeugen selbst, sondern auch bei der gesamten Infrastruktur. Da helfen auch einige Förderprogramme nur bedingt. Nachrüstung der Intralogistik geht ebenfalls stark ins Geld.

Die Gefahr für die etablierten Firmen der Branche existiert also schon. Sie müssen lernen sich mit neuen Konkurrenten abzugeben, die vor allem aus dem Lager der Reedereien äusserst finanzkräftig sind. Ein paar Speditionen oder Flugzeuge zu kaufen ist da kein Problem. Auch tauchen immer wieder finanzkräftige Digitalspeditionen auf.

Kleinere und mittlere Speditionen, welche in absehbarer Zeit vor einer Wachablösung der jetzigen Inhaber- und Führungsgeneration stehen, werden sich gut überlegen, ihre Firmen zum Verkauf anzubieten. Solange das Geschäft brummt, ist das sicher einfacher als in Krisenzeiten. Sicher ist, es wird noch einige mehr oder weniger aufsehenerregende Transaktionen geben.

Wie kann es weitergehen?

Durchatmen nach Corona ist leider nicht. Erstens beschäftigt die Pandemie die Logistikketten weiter, siehe die Situation in Shanghai. Und im Herbst werden einige Politiker Corona wieder aufleben lassen und Massnahmen ergreifen wollen. Allerdings gibt es da nicht wenige Dienstleister, die sich darüber freuen, denn die Verteilung von Impfstoffen, Testkits oder Desinfizierungsmittel hat manchen zwei „fette“ Jahre beschert. Am Anfang waren es auch noch Sonderflüge mit Masken, Schutzkleider, etc., die ebenfalls viel Geld in die Kassen spülten.

Der Krieg in der Ukraine kann dazu führen, dass eine veritable Wirtschaftskrise auf die Welt und somit auch auf die Logistikbranche zukommt.

Zusammen mit den eingangs erwähnten, anderen Faktoren kommt da in nächster Zeit viel auf die Branche der Logistikdienstleister zu. Ein Patentrezept gibt es dazu nicht. Es sind verschiedene Einflüsse, die es im Auge zu behalten gibt. Das Frachtvolumen ist da. Der Kuchen wird mal grösser mal kleiner sein. Das war schon immer so.

Nur die Player, die sich am Kuchen ernähren wollen, sind so vielfältig, wie nie und das gilt es zu beachten. Sowohl für die grossen als auch die kleinen Speditionen.

Foto: © Loginfo24/Adobe Stock / Bildlegende: Der Hafen Shanghai sorgt momentan für Kopfzerbrechen entlang den Lieferketten

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