Startseite LänderDeutschland Das war das Jahr 2023 in der Logistikbranche
Da die Jahre 2020-2022 für die Weltwirtschaft, aber insbesondere für die Logistikbranche turbulent, aber auch sehr ertragreich verliefen, könnte man bei 2023 fast wieder von einem «normalen» Jahr sprechen. Allerdings blieben die Problemthemen aus der obenerwähnten Zeitspanne bestehen, aber mit der Mauterhöhung per 1. Dezember 2023 kam vor allem für Deutschland eine neue Herausforderung dazu, deren Auswirkungen sich auf die gesamte Branche in Europa ausdehnen werden und deren Folgen man erst so ab Frühjahr 2024 absehen kann.

Von: Andreas Müller

(Basel) In der Logistikbranche hat sich vieles im Vergleich zu den Corona-Jahren 2020-2022 wieder «normalisiert» oder milder ausgedrückt beruhigt. So ist der Druck auf die Lieferketten gewichen und hat sich weitgehend den Vor-Corona-Jahren angeglichen. An die Energiepreise, entstanden durch die Invasion von Russland auf die Ukraine, hat man sich zwar nicht gewöhnt, aber gelernt damit umzugehen.

Für den Strassentransport in Europa kommt mit der Erhöhung der Maut in Deutschland eine Preisspirale zu, deren Folgen man noch nicht abschätzen kann. Da Deutschland auch ein wichtiges Transitland ist, betrifft das ganz Europa.

Zusammengefasst ein paar wichtige Ereignisse und Fakten aus dem Jahr 2023:

 

Allgemein

Die Nachhaltigkeit als ein Dauerthema ist geblieben und wird auch so schnell nicht wieder aus den Anforderungskatalogen an die Logistik verschwinden. Es wird aber immer schwieriger sich damit von der Konkurrenz abzuheben, denn es wird schlicht und einfach vorausgesetzt, ob es nun manchmal ein «Scheingefecht» ist oder nicht. Die Anschaffung eines E-LKW ist zwar immer noch spannend, wirft aber niemanden mehr aus der Bahn. Solarzellen auf Dächern von Logistikanlagen (neue und bestehende) sind ebenfalls die Norm. Die Branche hat ihre Aufgaben gelöst, was den Ersatz von fossilen Brennstoffen anbelangt, ist man auf Dritte angewiesen.

Die Deutsche Bahn blieb auch im 2023 in den Schlagzeilen. Die Zahlen stimmen nicht und jetzt gegen Ende des Jahres wurde auch bekannt, dass ein Gewinneinbruch bei der Tochter DB Schenker, das schon negative Resultat noch schlechter ausfallen lässt. An der, Ende September bekanntgegebenen, Verkaufsabsicht von DB Schenker soll nicht gerüttelt werden. Gerade dieser Tage erschüttert die Meldung, dass sich der Vorstand der Deutschen Bahn für 2022 Boni in Höhe von
5 Millionen Euro genehmigt. Ein Unding zur Unzeit. Da darf man sich zurecht fragen, wer so etwas absegnet?

Der Fachkräftemangel, vor allem im Bereich von Fahrpersonal, wird immer noch als grosses Problem bezeichnet, obwohl es gegen Ende des Jahres wieder Menschen gibt, die auch in der Logistikbranche nicht sofort wieder einen Job finden.

Die Automatisierung, die Künstliche Intelligenz und auch die Robotik nehmen in der Branche immer mehr Fahrt auf. Vorreiter ist die Intralogistik, wo das Tempo rasant vorwärts geht. Viele innovative Unternehmen sind entstanden und auch die etablierten Marktführer bleiben nicht stehen, so dass die Dynamik enorm ist. In den anderen Bereichen sind es vor allem Buchungsplattformen, welche die Digitalisierung vorantreiben. Das eigentliche Kerngeschäft, der Transport von A nach B, lässt sich noch nicht so einfach automatisieren. Das Autonome Fahren hinkt da noch hinterher. Aber die Dispo-Tools werden immer intelligenter.

Viele sind der Meinung, dass die Logistikbranche mit ihren Margen nicht reich machen kann. Klaus-Michael Kühne von Kühne+Nagel wird da anderer Meinung sein, wurde er doch im April, in der nicht gerade als arm bekannten Schweiz, als reichster Einwohner erkoren. Natürlich verdient er nicht nur mit der reinen Logistik sein Geld.

Die transportlogistic, die «Mutter aller Logistikmessen», konnte dieses Jahr, nach einer vierjährigen Pause wieder stattfinden und hat an ihrer Beliebtheit nichts eingebüsst. Die vier Messetage in München waren voll Inspiration und Networking, als hätte Corona nie stattgefunden.

Intralogistik

Die Automatisierung in der Intralogistik ist nicht etwa eine Erscheinung durch die Einführung des Onlinehandels, der durch Corona noch pulverisiert wurde. Nein, die ersten automatisierten internen Transporte (Führerlose Transport Systeme FTS) in der Intralogistik feierten das 70jährige Bestehen und gehen zurück auf 1953, entwickelt durch Barrett Vehicle Systems. Zum ersten Mal angewandt natürlich in den USA.

Nichtsdestotrotz gehen die Entwicklungen in einem rasanten Tempo voran. Einlagerung, Lagerung und Kommissionierung wird immer digitaler und intelligenter. Mehr Durchsatz auf kleineren Flächen ist längst kein Wunschdenken mehr. Selbst die Behälter denken immer mehr mit und immer mehr Mehrwegbehälter verlassen auch die Lagerhäuser und werden auch für den Transport eingesetzt.

Die Leitmesse der Intralogistik in Stuttgart, die LogiMAT, verzeichnete bei Ausstellern und Besuchern einen neuen Beteiligungsrekord.

Die Intralogistik wird immer digitaler

KEP

Die City-Logistik und die Letzte Meile blieben ein Dauerthema im abgelaufenen Jahr. Immer mehr Innovationen und Versuche, diesen letzten Teil der Lieferkette zu optimieren, wurden vorgestellt. Algorithmen sollen helfen, diesen Bereich noch mehr zu verbessern. Es zeigt sich aber auch aufgrund der Aufgabe oder Insolvenz einzelner Firmen, dass eine Konzentration nur auf die Zustellung auf der Letzten Meile ein hartes Brot und finanziell nur schwer erfolgreich zu gestalten ist.

In Deutschland schwebt über der KEP-Branche noch ein anderes Damokles-Schwert namens Subunternehmerverbot. Dieses wurde von der Gewerkschaft ver.di lanciert und in die Politik hineingetragen. Auch wenn sich die Anzeichen vermehren, dass so ein Verbot in der Politik wohl wenig Chancen hat – ausgestanden ist das Thema noch nicht. Das nächste Jahr wird die Entscheidung bringen.

Ein immer noch mögliches Subunternehmer-Verbot, ist für die KEP-Branche ein Unsicherheitsfaktor

Luftfracht

Nach einem kurzen Hoch zu Beginn der Pandemie, es mussten Desinfektionsmittel, Masken, Schutzanzüge, etc. her, und zwar so dringend, dass die Ware nur geflogen werden konnte, hat sich dieses Marktsegment schnell wieder beruhigt. Herausforderungen sind die gleichen geblieben, wie schon 2022, so zum Beispiel die höheren Energiekosten und die Suche nach nachhaltigen Lösungen auch in der Luft.

Schienengüterverkehr

Die Entwicklung des Güterverkehrs auf der Schiene kommt nicht voran. Kein einziger Kilometer Schiene wurde 2023 in Deutschland gebaut (Quelle: DIE GÜTERBAHNEN). Da nützt die Verdoppelung der Maut auch nichts und schon gar nicht kurzfristig. Bahnprojekte, sofern die Bewilligungs- und Bauphase noch nicht begonnen hat, dauern 30 Jahre und länger.

Zudem wird der Güterverkehr auch von äusseren Faktoren beeinflusst. Bei Unwettern bleibt zuerst der Güterverkehr stehen. Allerdings sind andere Länder bei Wetterstörungen wesentlich besser vorbereitet als die Deutsche Bahn.

Auch Streiks sind immer wieder ein Thema, gerade aktuell durch die Gewerkschaft GDL. Im Januar will diese erst so richtig loslegen.

Aber auch Güterbahnen in anderen Ländern kämpfen um Marktanteile und schreiben in der Regel massive rote Zahlen, so auch in der Schweiz.

Noch neu ist die Meldung, dass Italien den Vertrag mit China zu der neuen Seidenstrasse aufgekündigt hat. Man befürchtet Abhängigkeiten. Es wurde aber betont, dass dies nicht das Ende der Beziehungen mit China sein soll, nur nicht durch festgefahrene Verträge, deren Auswirkungen viele andere Länder im Kaukasus und Osteuropa nicht bedenken (oder keine Wahl haben) und weiter an dem Projekt mit China festhalten.

Seefracht

In der Seefracht ist wieder „Business as usual“ eingekehrt.

In der Seefracht herrscht seit diesem Jahr wieder «Business as usual». Vorbei die Zeiten, wo die Preise pro 40’ Container für eine Überfahrt von Asien nach Europa fünfstellig waren.

Schon im August wurde im Panamakanal die tägliche Durchfahrt von 36 auf 32 Schiffe reduziert. Zum 1. November 2023 erfolgte eine weitere Begrenzung auf 25 Schiffe pro Tag, was einer Kapazitätsverminderung von mehr als 30 Prozent entspricht. Die erneuten Beschränkungen führen zu vermehrten Staus und verlängerten Transitzeiten. Auf Europa hat dies aber weniger Einfluss als ein Ereignis im Suezkanal.

Ein Gefahrenherd bleibt aber dieser Suezkanal. Nicht unbedingt durch eine Wiederholung eines Unfalles, wie mit der EVER GIVEN, sondern durch drohende Angriffe bei der Passage des Golfes von Aden. Waren bis jetzt Piraten aus Somalia hin und wieder eine Gefahr für die passierenden Schiffe, so haben auf der anderen Seite des Golfes die Huthi-Rebellen im Jemen diese Art von Terror für sich entdeckt. Und Eritrea ist auch ein ständiger Unruheherd.

Strassentransport

Der Aufreger des Jahres kommt aus dem Strassentransport. Mit der beinahe Verdoppelung der Maut in Deutschland heizt man die Kostenspirale nach oben wieder an und zieht auch andere Länder Europa mit, denn Deutschland ist nicht zuletzt auch das wichtigste Transitland in Europa. Man will so den Umstieg auf E-LKWs forcieren und/oder Güter auf die Schiene bringen. In beiden Fällen ist man aber längst noch nicht so weit, auch nur annähernd eine Kompensation für Transporte mit Verbrenner-LKWs darzustellen. So gesehen, reden viele von einer versteckten Steuererhöhung.

Die am 1. Dezember in Kraft getretene Mauterhöhung wird die Transporteure auch in neuen Jahr noch beschäftigen

Auch wenn die E-Mobilität den Verbrenner noch lange nicht ersetzen kann, dazu sind einfach die erforderlichen Mengen an Fahrzeugen so kurzfristig nicht herstellbar, so geht es mit den Entwicklungen doch rasant vorwärts. Auch bei der Ladeinfrastruktur wird mächtig Gas gegeben (Wortspiel…). Am meisten bewegt sich die E-Mobilität im Nahverkehr und da insbesondere bei der Zustellung in den Städten. Die ganz grosse Frage zum Schluss bleibt die Stromversorgung. Hält diese Schritt mit dem ständig steigenden Bedarf?

Ausblick 2024

So hart es tönt; mit dem Krieg in der Ukraine hat man sich irgendwie arrangiert. Die Energiepreise haben sich wieder ein wenig erholt. Der Krieg von Israel im Gaza-Streifen erschüttert zwar die Welt, hat aber auf die Wirtschaft nur einen geringen Einfluss, was aber nicht ausschliesst, dass die Energiekonzerne dies als Vorwand für eine Preiserhöhung benützen. Zudem ist aber ein Ende dieses Konfliktes abzusehen.

Die Börsen erweisen sich als überraschend stabil, was immer ein Zeichen dafür ist, dass man an eine gute Entwicklung der Wirtschaft glaubt.

Abzuwarten bleibt auch, wie sich die Mauterhöhung in Deutschland auf die Wirtschaft in Deutschland und somit mindestens auch in Europa auswirkt.

So gesehen könnte das Jahr 2024 ein Jahr der Konsolidierung werden, unvorhergesehene Ereignisse ausgenommen. Die Aufreger der letzten vier Jahre sind vorbei oder haben sich gelegt. Für einen rasanten Aufschwung scheint es aber noch zu früh. Es wird ein Jahr der weiteren Entwicklung in der Nachhaltigkeit und der Digitalisierung bleiben.

Titelbild: © Deutsche Bahn

übrige Fotos: © Loginfo24

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