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Volatile Frachten – Ein Ende zeichnet sich nicht ab

von Loginfo24 Redaktion
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Supply Chain Management (ISCM-HSG) der Universität St. Gallen veröffentlicht Loginfo24 in loser Folge neue Erkenntnisse aus der Supply Chain-Forschung. Wir berichten komprimiert über praxisrelevante Innovationen aus Dissertationen und anderen Publikationen von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des ISCM-HSG . Die Veröffentlichungen mit zugehörigen Quellenhinweisen finden sich in der Rubrik „ISCM-Publikationen“.
Heute ein Bericht von Laurin Zemmrich. Er befasst sich mit der Volatilität von Frachtraten für die Verkehrsträger See, Strasse, Schiene und Luft.

(St. Gallen) Eine vom Institut für Supply Chain Management der Universität St. Gallen neu veröffentlichte Studie beschäftigt sich genau mit der Volatilität von Frachtraten für die Verkehrsträger See, Straße, Schiene und Luft. Unter Berücksichtigung der Perspektive von Verladern, Spediteuren und Frachtführern werden die vier Verkehrsträger hinsichtlich Herausforderungen und Management-Praktiken systematisch untersucht. Dies führt zu folgenden zentralen Erkenntnissen:

Szenario 1: Seefracht

Die Seefracht ist bekannt für ihre Boom-und-Bust-Zyklen mit jahrelangen Niedrigraten, in denen die Reedereien ihre Kapitalkosten nicht erwirtschaften konnten, gefolgt von der COVID-19-Krise und der Abwälzung von Kosten und Zuschlägen auf die Verlader. Neben diesen unerwarteten Preisanstiegen wies die Seefracht in den letzten Jahren auch eine sehr geringe Termintreue seitens der Carrier auf. Um ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden, müssen Verlader, Spediteure und Carrier nicht nur die Symptome behandeln, sondern auch die zugrunde liegenden Ursachen adressieren. Während sich die Verlader im Voraus zu höheren Mengen verpflichten und längerfristige, durchsetzbare Verträge mit Abnahmegarantie abschließen können, müssen Spediteure Hafenanläufe diversifizieren, um zukünftige Marktverwerfungen aufgrund begrenzter Hafenkapazitäten zu überbrücken.

Ausblick: Seefrachtraten werden nicht auf das ungesunde Niveau vor 2020 fallen, da diese teilweise unter dem Deckungsbeitrag der Reedereien lagen. Die Raten könnten sich 2023 normalisieren, werden aber wahrscheinlich etwas höher sein als 2019 (Faktor 1.5).

Szenario 2: Straßengüterverkehr

Die Frachtraten im Straßengüterverkehr waren erheblichen Schwankungen unterworfen, insbesondere aufgrund der hohen Spotmarktaktivitäten im Komplettladungsverkehr. Neben der Preisdynamik ist der Straßengüterverkehr jedoch auch mit schwerwiegenden Kapazitätsengpässen konfrontiert, darunter Fahrermangel, lange Lieferzeiten für neue Fahrzeuge und steigenden Energiekosten. In Deutschland hat das Jahr 2021 mit 76 % einen starken Überhang von Fracht- zu Laderaum zu verzeichnen. Verlader und Logistikdienstleister müssen daher Wege finden, die Kapazitäten effektiver und konsequenter zu nutzen. Vornehmlich Handelsunternehmen müssen beispielsweise schnellere Fahrerwechselzeiten an den Abhol- und Lieferorten ermöglichen. Spediteure müssen hingegen ihr Flottenmanagement überdenken, da das Abdecken von Spitzenlasten über den Spotmarkt in Zeiten mangelnder Kapazitäten nicht mehr funktionieren wird.

Ausblick: Im Straßengüterverkehr ist insgesamt von einem Anstieg der Transportpreise auszugehen. Für die kurz- bis mittelfristige Preisentwicklung ist der Fahrermangel ausschlaggebend, da die Fahrerverfügbarkeit bereits heute den Laderaum der Frachtführer bestimmt.

Szenario 3: Schienengüterverkehr

Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern zeichnet sich der Schienengüterverkehr durch Preisstabilität aufgrund begrenzter Anbieter und eine vergleichsweise transparente Kostenstruktur aus. Daher geht es im Schienengüterverkehr in erster Linie darum, die Kapazitäten auszulasten und die Flexibilität und Zuverlässigkeit zu erhöhen, um den beispielsweise von der deutschen Bundesregierung angestrebten Mindestanteil am Verkehr von 25 % zu erreichen. Ein erheblicher Nachholbedarf besteht dabei speziell bei multimodalen Terminals für den intermodalen Verkehr. Um die Kapazitätsauslastung zu verbessern, sollten Verlader „vorausschauende“ Produktkategorien wie beispielsweise Konsumgüter identifizieren, die weniger Flexibilität erfordern, um den Schienengüterverkehr zu nutzen. Darüber hinaus müssen im Wagenladungsverkehr Konzepte entwickelt werden, um Verkehrspaarungen zu erhöhen und eine höhere Automatisierung beispielsweise im Rangierbetrieb zu erreichen.

Ausblick: Aufgrund der kurzfristigen Preisorientierung auf den Straßengüterverkehr (national) beziehungsweise den Seeverkehr (international) sowie der zu erwartenden, zunehmenden Verlagerung auf die Schiene ist von einem leicht erhöhten Preisniveau für den Schienengüterverkehr auszugehen.

Szenario 4: Luftfracht

Da Passagierflugzeuge weltweit mehr Luftfracht befördern als Vollfrachter, führte die COVID-19-Krise zu einem weltweiten Rückgang des Luftfrachtverkehrs und zu einem sprunghaften Anstieg der Spotmarktpreise, die schließlich die Standardfrachtraten um das Zehnfache oder mehr überstiegen. Gerade als die Erholung begann, hat die Sperrung des russischen Luftraums zudem zu einer Verlängerung der Flugrouten zwischen Europa und Asien um 28 % geführt. Aufgrund der verlängerten Transportrouten können einerseits weniger Flüge durchgeführt werden, andererseits ist mehr Treibstoff erforderlich, was die Gesamtkapazität weiter begrenzt. Angesichts dieser Entwicklungen müssen Verlader überdenken, welche «must have» Produkte die Kosten der Luftfracht aufgrund Ihrer Marge noch rechtfertigen und wo eine geografische Diversifikation von Lieferanten erforderlich ist. Spediteure und Airlines müssen hingegen ihre Netzstruktur (Hub vs. Gateway Flüge) überdenken und sich kurzfristig durch gezieltes Hedging gegen explodierende Kerosinpreise absichern.

Ausblick: Kurz- und mittelfristig ist davon auszugehen, dass die (dringend benötigte) Belly-Kapazität nicht auf den Markt zurückkehrt, da der Geschäftsreise- und Freizeitverkehr zurückbleiben dürfte. Daher zeichnet sich auch in der Luftfracht keine zeitnahe Entlastung ab.

Breit angelegte Forschungsinitiative

Die Studienergebnisse basieren auf einem breit angelegten Studienkonsortium bestehend aus Logistikdienstleistern, Verladern und IT-Partnern sowie einer umfangreichen Interview-Reihe, in der 45 Experten zu Herausforderungen und Management-Ansätzen in den vier Szenarien befragt wurden. Die gesamte Studie beinhaltet dabei zusätzlich sechs Fallstudien namhafter Verlader und Logistikdienstleister sowie eine Auflistung von 60 relevanten Indizes und 142 digitaler Geschäftsmodelle in der Logistik.

Report zum Download

Laurin Zemmrich

ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Supply Chain Management der Universität St. Gallen

laurin.zemmrich@unisg.ch

https://iscm.unisg.ch/

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