Startseite LänderDeutschland KI zur Verbesserung der Transparenz von Lieferketten
Die moderne Geschäftswelt entwickelt sich ständig weiter und stellt Unternehmen vor immer wieder neue Herausforderungen. Dabei rücken zunehmend die Möglichkeiten des maschinellen Lernens (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) zur Optimierung von Prozessen sowie Lieferketten in den Vordergrund. Verschiedene Anwendungsfälle zeigen bereits, wie sich mit dieser innovativen Technologie transformative Veränderungen herbeiführen lassen.

Von: Robert Zehentbauer

(München) Inwieweit können die vielversprechenden Möglichkeiten durch maschinelles Lernen (ML) tatsächlich in die Realität umgesetzt werden? Und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Lieferketten?

Intelligente Standortverfolgung

Geofences fungieren als virtuelle Barriere, die einen sofortigen Ping auslösen, sobald eine Person oder ein Fahrzeug sie durchquert. Sie ermöglichen eine Echtzeitsichtbarkeit und präzisere Meilensteine für den Transport von Waren durch LKWs. Die Skalierung auf Tausende von Standorten erweist sich jedoch als Herausforderung, was zu ungenauen Geofence-Grenzen führen kann. Beispielsweise kann es passieren, dass sich ein Kreisgebiet um eine Adresse mit benachbarten Einrichtungen oder Durchgangsstraßen überschneidet. Diese Ungenauigkeiten können zu fehlerhaften Ergebnissen und schwerwiegenden Folgen führen – darunter etwa vorzeitiges Beenden der Verfolgung sowie falsche Ankunftszeiten, verpasste Termine und notwendige Umplanungen.

Der Einsatz von maschinellem Lernen stellt einen signifikanten Fortschritt in der Verbesserung von Geofences dar, wodurch genauere und damit äußerst wertvolle logistische Informationen generiert werden. So entstehen automatisch kleinere Geofences, die auf tatsächlichen Pings basieren und charakteristische Bewegungen von Fahrzeugen durch historische Daten berücksichtigen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine effektive Feinabstimmung des Geofences und reduziert bisherige Einschränkungen.

Logistikplanung durch präzise ETA-Prognosen

ETA (estimated time of arrival) bezeichnet die geplante Ankunftszeit eines Verkehrsmittels am Ziel unter den gegebenen Bedingungen. Prognostizierte Ankunftszeiten sind jedoch selten präzise und gelten daher als unzuverlässig. Eine vorausschauende Planung ist damit schwierig, insbesondere wenn der Versender nicht auf die angegebenen Ankunftszeiten vertrauen kann. Präzise Zeitangaben sind aber in der Logistikbranche notwendig, auch wenn sie sich komplex gestalten.

Spediteure bieten oft keine fortlaufend aktualisierten ETA-Werte an, wodurch Terminfenster häufig verpasst werden. Die Fahrzeit einer Sendung selbst ist zwar in der Regel vorhersehbar, es sind aber andere Faktoren, die häufig zu Verzögerungen und ungenauen ETAs führen – beispielsweise die Aufenthaltsdauer im Lager und unvorhersehbares Fahrverhalten. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen lässt sich aber eine präzise Vorhersage der voraussichtlichen Ankunftszeit von Lastwagen erreichen. Durch das ML-Training mit Milliarden von Datenpunkten aus Millionen von Lkw-Lieferungen sind genauere und verlässlichere ETAs möglich.

Um Versendern umfassendere Erkenntnisse zu ermöglichen, integrieren die maschinellen Lernmodelle verschiedene Variablen wie das Fahrerverhalten, saisonale Schwankungen und Merkmale von Fahrzeugen und Ladungen. Während des Transports erfolgt eine kontinuierliche dynamische Aktualisierung der ETA-Werte. Im Vergleich zu statischen Terminfenstern und Fahrplänen kann dieses Modell Verzögerungen präzise identifizieren und die Fehlerquote um mehr als 60 Prozent reduzieren. Und das unterstreicht die Wirksamkeit des ML-Ansatzes für eine präzisere und effizientere Logistikplanung.

Beschleunigte Erfassung durch Echtzeit-Meilensteine

Das zuverlässige Erkennen von Meilensteinen in Echtzeit stellt besonders im Seeverkehr eine zentrale Herausforderung dar. Es ist entscheidend für strategische Entscheidungen und die Überwachung der Leistungsfähigkeit. Durch die Implementierung von maschinellem Lernen in die Prozesse lassen sich präzise Anlegepunkte für bedeutende Häfen und Terminals im Seeverkehr ermitteln. Eine umfassende Sicht auf die Meilensteine wird dabei durch die Integration dieser Informationen mit Satellitenverfolgungsdaten gewährleistet.

Die Identifizierung dieser Meilensteine erfolgt in Echtzeit mithilfe von Geofences und GPS-Tracking-Daten. Alternativ kann der Abfahrtsmeilenstein identifiziert werden, wenn das Schiff den Geofence verlässt. Dieser innovative Ansatz ist im Durchschnitt etwa viermal schneller als das Warten auf ein vom Spediteur gemeldetes Ereignis. So ist eine beschleunigte und präzisere Überwachung im Seeverkehr möglich.

Optimierte ETAs für eine optimierte Planung

Die Zuverlässigkeit geplanter Ankunftszeiten sind im Seetransport von großer Bedeutung. In den letzten drei Jahren hat sich die Landschaft der Containerschifffahrt rapide verändert – begleitet von zahlreichen Störungen und Ausfällen. Diese dynamischen Entwicklungen erschweren eine kontinuierliche Anpassung und stellen eine zusätzliche Herausforderung für die präzise Bereitstellung genauer ETAs dar. Selbst bei weniger schwerwiegenden Störungen erweisen sich die von Spediteuren gemeldeten ETAs als unzuverlässig, insbesondere in entscheidenden Momenten wie erheblichen Sendungsverzögerungen.

Die Bewältigung der Herausforderungen im Seeverkehr erfordert verlässliche und umsetzbare ETAs. Hierbei revolutioniert maschinelles Lernen die Genauigkeit, Vollständigkeit und Praktikabilität der geplanten Ankunftszeiten im Schiffsverkehr. So ist es beispielsweise möglich, Verspätungen im Durchschnitt eine Woche früher zu identifizieren als es bei den Meldungen der Reedereien üblicherweise der Fall ist. Das unterstützt Versender dabei, frühzeitig geeignete Maßnahmen zur Optimierung ihrer Lieferkette zu ergreifen. Während Spediteure in der Regel nur die Ankunftszeit des Schiffes angeben, eröffnet ML auch eine erweiterte Perspektive. Der Einsatz dieser Technologie ermöglicht nicht nur die präzise Vorhersage der Ankunftszeit eines Schiffes, sondern liefert darüber hinaus auch wertvolle Informationen über die Freigabe des Containers vom Schiff.

Zuverlässige ETAs gehen über die bloße Angabe des Spediteurs hinaus. Sie berücksichtigen vielfältige Faktoren wie Fahrpläne, Containerumschläge, Transit-Zeiten der Routen, Hafenauslastungen sowie spezifische Merkmale des Schiffes und des Containers. Um stets die aktuellsten und relevantesten Daten zu gewährleisten, unterliegt der zugrundeliegende Algorithmus kontinuierlichen Verbesserungen und Anpassungen. Diese dynamischen Anpassungen erfolgen in Abhängigkeit davon, an welchem Punkt der Reise sich der Container befindet, und gewährleisten stets eine optimale und präzise Prognose.

Maschinelles Lernen: Transparenz und Bedeutung im Fokus

In den vergangenen Jahren ist die Bedeutung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen zunehmend gestiegen. Und viele hochtrabende Versprechungen über das Potenzial dieser Technologien kursierten in den Medien. Die vier oben genannten Anwendungsfälle verdeutlichen jedoch, dass maschinelles Lernen nicht nur ein Buzzword ist, sondern konkrete und bedeutende Auswirkungen hat. Die sich daraus eröffnenden Möglichkeiten erlauben es, strategische Entscheidungen zu treffen und die gesamte Lieferkette nachhaltig

zu verbessern.

Robert Zehentbauer ist Regional Vice President DACH region bei project44. Er verfügt über fundiertes Wissen als Sales- und Logistik-Experte und kann auf mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung in den Bereichen Logistik, Software und IT zurückblicken. Seine Karriere umfasst bedeutende Positionen bei Kühne + Nagel, Siemens Information Systems sowie führenden US-amerikanischen Unternehmen im Bereich Logistik und Supply Chain Software wie JDA Technologies, Descartes und i2 Technologies.

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Fotos: © Loginfo24/project44

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