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Die «Letzte Meile» oder «Den Letzten beissen die Hunde»?

von Loginfo24 Redaktion
Mit einem flammenden Post auf LinkedIn hat Felix Dossmann, Gründer und CEO des Vorzeige-Start-ups für die Letzte Meile, der Grünfuchs GmbH aus Göttingen, die Insolvenz für sein Unternehmen begründet. Dies ist nicht zwingend das Ende des innovativen City-Logistikers, der Betrieb läuft normal weiter, aber es hat schon für sehr viel Aufsehen in der Szene gesorgt. Ausgerechnet der Grünfuchs, ist man geneigt zu sagen. Die Kernfrage dieser Insolvenz lautet: Ist es möglich allein mit der «Letzten Meile» Geld zu verdienen?

Von: Andreas Müller

(Basel/Göttingen) Nachdem dieses Jahr die Messen und Kongresse wieder voll und ohne Beschränkungen angelaufen sind, hatte man das Gefühl, dass der «Grüne Fuchs» allgegenwärtig ist. Kaum eine Messe, ein Kongress oder eine Veranstaltung, wo Felix Dossmann nicht mit seinem grünen Plüsch-Fuchs auf den Schultern herummarschiert wäre und auf der Bühne über sein Start-up Grünfuchs berichtet hätte. Anstatt weisse Mäuse, sah man in der Logistik nur noch grüne Füchse. Die beschauliche Stadt Göttingen in der niedersächsischen Provinz wurde zum Mittelpunkt für eine gut umgesetzte Logistik auf der «Letzen Meile». Für die vielen Pokale in Sachen Nachhaltigkeit in der Logistik hat das Unternehmen fast keine freien Plätze mehr in seinen Vitrinen.

Und nun die Schocknachricht: Ausgerechnet dieses Vorzeigeunternehmen für die «Letze Meile» soll insolvent sein? Dabei war das Unternehmen bisher äusserst innovativ. Mit einer mitentwickelten Microsortieranlage für Pakete zum Beispiel kann man auch auf kleinstem Raum Pakete vollautomatisch sortieren. Und erst kürzlich gab Dossmann die Erweiterung seines Geschäftes in die Region Köln bekannt.

Kann man allein mit der «Letzten Meile» Geld verdienen?

War das alles nur eine einzige Show oder zeigt dieser Fall, dass es schwer oder gar unmöglich ist, auf der «Letzten Meile» genügend Geld zu verdienen? In seinem Post auf LinkedIn verweist Dossmann auf fehlende Investoren. Aber entweder man findet Investoren oder genügend Kunden. Beides wäre natürlich ideal, aber nur mit den Letzteren lässt sich langfristig Geld verdienen und diese müssen dann auch noch bereit sein, für die angebotene Dienstleistung einen angemessenen Preis zu bezahlen.

Doch hier liegt genau das Problem in diesem Segment der Logistik. «Den Letzten beissen die Hunde» heisst ein Sprichwort und das lässt sich in einem gewissen Sinn auch auf die «Letzte Meile» der Logistik übertragen. Bei einem Paket von A nach B beträgt der Anteil der «Letzten Meile» ungefähr fünf Prozent (geschätzt). Bei einem angenommenen Paketpreis von durchschnittlich fünf Euro blieben dann für den letzten Teil der Zustellung gerade mal 25 Cent. Natürlich kann das nicht so gerechnet werden, aber es zeigt dennoch deutlich, wo das Problem liegt. Und selbst, wenn für die «Letzte Meile» ein Euro abfällt, so deckt das niemals die Kosten.

Die grossen Paketdienste in Deutschland haben durchgetaktete Systeme, worin auch die Lieferung in die Innenstädte einkalkuliert ist. Geld verdienen lässt sich nur mit riesigen Mengen und einem hohen Automatisierungsgrad aller Abläufe. Ein Abweichen davon kostet zusätzlich Geld und wird nur dann gemacht, wenn der Dienstleister Pilotversuche in der City-Logistik unternimmt.

Ein anderes Tätigkeitsfeld für City-Logistiker ist die Zustellung für lokale Betriebe, sei es beispielsweise für Apotheken oder für den Detailhandel. So heisst denn auch ein Slogan von Grünfuchs: „nachhaltig.lokal.schlau“ oder ein anderer, noch sinnbildlicherer: „lokal gekauft – lokal geliefert“. Aber auch hier sind die notwendigen Margen schwer zu erreichen. Wer zahlt schon zehn Euro Lieferkosten für eine Packung Aspirin mit einem Wert von fünf Euro? Allerdings bei den Essenslieferungen ist das Verhältnis ähnlich. Ob damit aber wirklich Geld verdient wird, weiss man nicht genau, denn auch dieser Bereich der City-Logistik wurde schon mehrmals heftig durchgeschüttelt. Die lokalen Betriebe übernehmen in der Regel die Kosten für die Lieferung, möchten aber den Preis für die Dienstleistung verständlicherweise so tief wie möglich halten.

So kennt man ihn: Felix Dossmann mit seinem Grünfuchs aus Plüsch unterwegs auf Messen und Veranstaltungen

Lieferwagen oder Lastenrad in der City?

Um in der City die „Letzte Meile“ mit Lastenrädern abzudecken, braucht es insbesondere bei den Paketdiensten eine Umstellung der Abläufe. Was bisher mit einem Lieferwagen von einem Regional-HUB aus abgedeckt wurde, braucht nun zunächst ein weiteres oder mehrere sogenannte Mini-Hubs in der City. Dies können z.B. Container auf Parkplätzen oder allenfalls auch Box-Garagen, etc. sein. Von da aus braucht es dann mehrere Cargobikes für diese Menge oder ein Lastenfahrrad wickelt mehrere Touren ab.

Auch wenn es auf den ersten Moment den Anschein macht, dass dadurch höhere Kosten entstehen, gibt es durchaus auch Vorteile, welche für das Lastenfahrrad sprechen. Dieses ist wendiger, kann Staus ausweichen und lässt auch bei der Rekrutierung des Personals mehr Spielraum, da es für das Lenken eines Lastenrades keinen Führerschein benötigt.

Der MDR hat dies anschaulich anhand eines Beispiels in Magdeburg, der Hauptstadt Sachsen-Anhalts, verglichen. Auch dieser Bericht zeigt ganz klar auf, dass derjenige im Vorteil ist, der die Sendung von A nach B steuert und somit die Kontrolle über die gesamten Abläufe hat. Die Übergabe an einen unabhängigen Zusteller bringt eine zusätzliche Schnittstelle mit sich, was die Fehlerquelle und/oder den IT-Aufwand erhöht. Der Bericht zeigt auch noch andere Aspekte rund um die „Letzte Meile“ und das Lastenfahrrad.

Umfeld der Investoren

In seinem Post schreibt Dossmann auch darüber, dass das Umfeld bei den Investoren insgesamt schon eine Herausforderung sei. Und natürlich werden steigende Zinsen und Energiekosten als Hemmschwelle für Investoren ins Feld geführt. Natürlich bieten aber gerade die steigenden Zinsen wieder mehr Möglichkeiten für Investoren, ihr Geld gewinnbringend anzulegen (sprich: arbeiten zu lassen), auch konservativ. Dadurch sinkt die Risikobereitschaft gegenüber Zeiten, in denen das Geld auf den Konten ohne Zutun sogar schrumpfte.

Es ist aber auch festzustellen, dass die Skepsis gegenüber Start-ups gewachsen ist. Viel Geld wurde hier weltweit verbrannt in junge, dynamische Unternehmen, bei denen am Schluss nur die Gründer wirklich Geld verdient haben. Klassisches Beispiel dafür ist WeWork (Bericht im Magazin Capital), die Mutter aller CoWorking Spaces, wo die Investoren auf Milliarden sitzengeblieben sind. Auch in der Life Science-Branche haben sich bei den Start-ups viele als «Millionen-Gräber» erwiesen.

Wie soll dann noch jemand bereits sein für ein, auch noch so innovatives Unternehmen, ausgerechnet aus der «banalen» Logistik, Geld auszugeben? Innovation soll aber belohnt werden. Vielleicht müssten auch etwas «kleinere Brötchen» gebacken werden oder soll man im Gegenteil mit der «grossen Kelle» anrühren und den Grünfuchs so schnell wie möglich über ganz Deutschland ausrollen? Es gibt Investoren, die mögen es, wenn man Gross denkt. Auf jeden Fall ist es Dossmann und seinen «Füchsen» zu wünschen, dass eine Lösung gefunden wird und es weitergeht!

Viele Unternehmen erfolgreich unterwegs

Es gibt aber auf der «Letzten Meile» auch viele Unternehmen, die erfolgreich unterwegs sind. Die Geschäftsmodelle sind dort unterschiedlich und meist nicht nur auf die Zustellung im City-Bereich ausgerichtet. Die Verteilung auf mehrere Standbeine kann die «Letzte Meile» mit abdecken und so in einem Mix zum Erfolg führen. Letztendlich ist es aber ein Geschäft mit kleinen Margen und eine tiefe Kostenstruktur und ein hoher Digitalisierungsgrad bilden die Garantie für den Erfolg oder das Überleben. Ohne Rückenwind durch die Kommunen wird die Logistik auf der «Letzten Meile» allein nie erfolgreich betrieben werden können, zum Beispiel in der Reduktion von Dienstleistern, die eine Stadt befahren dürfen, um damit Bünderlungseffekte zu erzwingen. Aber wäre das nicht ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft? Und auch da würden vermutlich wiederum die grossen Paketdienstleister die Nase vorn haben, wenn es so weit kommen würde.

Hier der Post von Felix Dossmann, Grünfuchs GmbH auf LinkedIn zum Nachlesen

Fotos: © Grünfuchs

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