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Frauen in der Logistik – heutzutage eigentlich gar kein Thema mehr

von Redaktion Loginfo24

Frauen in der Logistik ist immer noch ein viel diskutiertes Thema. Wird es besser, wenn man immer wieder darüber diskutiert oder sind die Frauen dann in der Logistik angekommen, wenn man nicht mehr darüber redet. Gudrun Gaus berichtet über ihr Leben in der Logistik in das sie buchstäblich hineingeboren wurde. Aufgrund ihrer langjährigen Branchenerfahrung kann sie das Thema nachhaltig beurteilen.

Von Gudrun Gaus

Was ist mit Frauen in der Logistik? Zuerst völlig überzeugt und selbstsicher: Das ist das Thema. Da kannst du vieles dazu sagen. Ich bin eine Frau in dieser Branche. Oder besteht heute nach wie vor die innere „Rollen“-Stimme: Wer holt den Kaffee?!

Dann kam doch schnell der Gedanke, und das spiegelt auch die Überschrift wider. Wie fängt man so ein Thema an, ohne in eine Rollendiskussion zu gelangen, nicht als Mannweib oder als Emanze abgestempelt zu werden? Oder doch den Eindruck zu hinterlassen, man wäre zu emotional, gar eine weibliche Zicke!? Vielleicht sogar das eigene Geschlecht zu hinterfragen?

Daher habe ich mich entschlossen, einfach mit der Brille einer Frau und den Erfahrungen in dieser Branche zu schreiben. Immer mit einem gewissen Augenzwinkern, was einem „als Frau“ so widerfährt. Es offenzulassen, wie die andere Seite darüber denkt. Es nur als Gedankenanstoß zu betrachten. Ob da was Wahres dran sein könnte oder auch nicht, das liegt im Auge des Betrachters.

Seit meiner Jugend bin ich als Frau in der Transport- und Logistikbranche unterwegs und habe seitdem Spannendes in Sachen Frau in der Logistik erlebt.

Widerstand im familieneigenen Logistikunternehmen

Egal, ob als Tochter im eigenen Logistik-Familienunternehmen aufgewachsen, als Azubi„ne“, Sachbearbeiterin, als Inhaberin meines eigenen Seminar- und Beratungsunternehmens in der Logistik, Key Account Manager, als Task Force Manager und Interim Manager, als operative Führungskraft im Transportbereich für bis zu 350 Mitarbeiter verantwortlich, bis hin zu meiner heutigen Tätigkeit als Geschäftsführerin, war es ein spannender Weg mit vielen Erkenntnissen.

Angefangen hat es bei mir mit dem Thema Frau in der Logistik, als ich nach der Realschule meinem Vater sagte, dass ich eine Lehre als Speditionskauffrau anfangen möchte. Da kam der erste Widerspruch, ich solle als Frau doch etwas im sozialen Bereich machen. Wäre für eine Frau ja geeigneter, war seine Meinung.
Erst bin ich den Worten meines Vaters, der „Rollen“-Stimme: Wer holt den Kaffee? gefolgt! Jedoch war das Herz woanders, und ich habe mich gegen den Willen meines Vaters entschieden und eine Ausbildung zur Speditionskauffrau begonnen. Was ich bis heute „fast“ nie bereut habe.

Die ersten praktischen Erfahrungen als Azubi„ne“ in der Disposition und im Lager Ende der 80er- und 90er-Jahre standen an. Da war die Rolle als Frau damals noch sehr klar, kein Zweifel. Und man kam da nur durch, wenn man hartgesotten war, in der Operativen beim Gang ins Lager auf Kleider verzichtete (auch wenn sie über das Knie gingen und gar mit flachen Schuhen). Am besten war es, „undercover“ aufzutreten. Ich gebe zu, das hat mich viele Jahre in der Kleiderwahl geprägt und tut es teilweise auch heute noch etwas. Was eigentlich Quatsch ist. Aber ist es das heute noch, wenn sich eine Frau in der Logistik dezent weiblich kleidet? Wie wird man auch heute noch in Meetings, auf Messen oder großen Events wahrgenommen?

Eine Erfahrung dazu war, als ich etwas weiblicher gekleidet als Besucher einer großen Logistik-Veranstaltung bei dem Empfangstisch stand, um mir meine Namenskarte für den Einlass rauszusuchen. Da kam ein Herr sehr zielbewusst auf mich zu und meinte, ich könne ihm hier sicher helfen, er finde sein Namensschild nicht. Diese Denkweise war schon interessant. Zugegeben, es gab bei der Veranstaltung unter den Besuchern nicht wirklich viele Frauen. Und die meisten Frauen, die vor Ort waren, arbeiteten im Service oder Empfang.

Die nächste Erfahrung war Mitte/Ende der 90er, als mein Vater sein Logistikunternehmen nicht an mich, sprich Frau, übergeben wollte. Seine Aussage war, eine Frau in der Logistik werde nicht bestehen können. Wäre ich ein Mann gewesen, wäre das ganz anders gelaufen.
Somit hat er sein Unternehmen, zu meiner Enttäuschung, verkauft.
Ich konnte ihn damals verstehen. Ja, denn Hand aufs Herz, wie viele Frauen gab es damals, die ein Logistikunternehmen oder operative Abteilungen geführt haben? Außer als Ehefrau des Unternehmers in der Buchhaltung oder der Personalabteilung.

Nur wie viele sind es heute!? Nicht wirklich viele mehr. Und ich meine bewusst, operative Abteilungen, nicht Buchhaltung, Abrechnung oder Personal.

Die Aussage meines Vaters, „Frau in der Logistik geht nicht“, hat mich nicht abgeschreckt. Sondern erst recht angespornt, den Weg als Frau bis nach oben mit „jetzt erst recht“ zu gehen. Rückblickend würde ich dazu manchmal eher sagen: „zu wagen“.

Die Einstellung gegenüber Frauen wurde mutiger

In den nachfolgenden Jahren wurde man in der Logistik schon mutiger. Da waren schon ein paar mehr Frauen in der Logistik angekommen. Die ersten Versuche, Frauen im Verkauf oder gar in der Disposition zu etablieren, fanden statt. Nur auch das war eher die Ausnahme und fühlte sich in den Aussagen der Führungskräfte manchmal so an, als ob man das erst mal als ein Experiment sieht. Quasi mal sehen, ob das klappen könnte.

Ich gebe zu, als operative Führungskraft und als Frau ertappte ich mich manchmal selbst bei dem Gedanken: Kann eine Frau z. B. in der Dispo bestehen? Was eigentlich ein völlig abstruser Gedanke war. Und dennoch war dieses Rollenbild sehr präsent. Und ich finde, auch heute noch.

Aber warum kommt man auf diesen Gedanken? Gibt es weitere Gründe, warum der Anteil von Frauen in der Logistik weiter so gering ist?

Fakt ist, es gibt viele gut ausgebildete Frauen in der Logistik. Auch bei den Auszubildenden sind Frauen keine Seltenheit mehr. Doch wo sind sie nach der Schule und/oder nach der Ausbildung? Diese Frage hat mich beschäftigt und sie beschäftigt mich bis heute.

Zu diesem Thema hatte ich 2009 eine spannende Einladung als Referentin für die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin: http://www.gudrun-gaus.de/uploads/1240417290_0.pdf

In der Logistik fehlte es schon damals an qualifiziertem Nachwuchs. Man war sich im Auditorium einig, dass, wenn man auf die Vielfalt in der Gesellschaft (sprich auch auf Frauen) zurückgreifen würde, der Bedarf auch zukünftig gedeckt werden könne. Diversity Management als Konzept zur Unternehmensführung wurde aufgrund des Mangels als ein wichtiges Instrument für eine zukunftsorientierte Unternehmensentwicklung entdeckt.

„Entdeckt“: ein provokantes Wort? Entdeckt man Frauen, weil es mit dem fachlichen Nachwuchs eng wird? Oder gibt es andere Gründe? Leider bekam ich bei dem Referat auf diese Frage wenige Antworten.

Mir ist bewusst, es war damals eine provokante Frage. Jedoch heute, 2020, haben wir einen noch höheren Mangel an Nachwuchs, gerade in der Logistik. Und ich denke, diese Frage ist weiter absolut wichtig und vielleicht schon existenziell. Braucht man Frauen nur, weil es eng wird, oder gibt es andere Vorteile?

Bevor ich nun mit dem Weg von Frauen in der Logistik fortfahre, wollte ich Sie als Leser fragen: Wie würden Sie diese Frage für sich beantworten?

Denn damals, sprich 2009, waren bereits 50 % der Studierenden in den logistischen Fachbereichen Frauen. Und es gab die Frage: Wie schaffen wir es, diese weiterhin für die Branche zu begeistern? Welche Erwartungen haben sie an ihre zukünftigen Arbeitgeber in der Logistik? Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die besonderen Stärken und Bedürfnisse von Frauen und Männern und das vorhandene Potenzial besser zu integrieren, und wie können ggf. Vorurteile abgebaut werden?

Zahlen und Fakten

Die Bundesvereinigung Logistik e. V.  (BVL) hat sich dazu auch Gedanken gemacht und ein paar interessante Antworten dazu auf folgende Fragen gefunden:

  • Wie viele Frauen sind in Logistikberufen tätig?
  • Wie viele bekleiden Führungspositionen?
  • Wie sollten sich Frauen in Führungspositionen verhalten?
  • Männerdomäne? Chancen für und mit Frauen in der Logistik.
  • Warum hat die Logistik es versäumt, verstärkt weibliche Fach- und Führungskräfte aufzubauen?

Die Antworten finden Sie im Link zum BVL Themenpapier:

https://www.bvl.de/files/1951/1988/2128/Begleitende_Publikation_zur_Session_Maennerdomaene.pdf

Ein paar Zahlen und Fakten:

  • 1960 waren 42,7 % der Frauen und 90,3 % der Männer im Alter von 15 bis 65 erwerbstätig. (1)
  • Bis 2017 waren 71,5 % der Frauen und 78,9 % der Männer erwerbstätig. Jedoch in sehr unterschiedlichen Positionen und zeitlichem Umfang. (2)
  • Auf der Führungsebene sind gerade mal 8,6 % der Stellen von Frauen besetzt. (3)
  • Im internationalen Vergleich liegt Deutschland laut Zahlen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) mit einem Frauenanteil von 28 Prozent in Jobs des mittleren und höheren Managements im unteren Mittelfeld.
  • Die Zahl der Gründerinnen von frauengeführten klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist nach KFW-Angaben sogar rückläufig.

Für die Logistik gelten folgende Zahlen, die die BVL zusammengetragen hat:

  • In Logistik, Transport und Verkehr lag der Frauenanteil 2017 bei 20,7 %. Klammert man den Bereich der Fahrzeugführer/-innen aus, liegt der Anteil weiblicher Beschäftigter in der Branche bei 28,7 %. (4)
  • Frauen sind nach wie vor in den auch damals klassischen Bürojobs zu finden, wie
    Abrechnung, Buchhaltung, Personal.
  • Es gibt mehr Frauen im Vertrieb als früher. (Dazu ist aber auch zu sagen, dass der Vertrieb in den 80ern und 90ern in Unternehmen oft gar nicht existent war und vom Inhaber oder operativen Führungskräften wahrgenommen wurde.)
  • Frauen im Vertrieb sind im Innendienst doppelt so häufig wie im Außendienst vertreten. (5)
  • 30 % beträgt der aktuelle Frauenanteil bei den Logistik-Bachelorstudiengängen.
    Dieser lag in den letzten zehn Jahren bei 25 %. (6)
  • Der Anteil der mit dem BVL Thesis Award prämierten Absolventinnen stieg von
    26,4 % im Jahr 2011 auf 45,6 % im Jahr 2018. (6)
  • 40,2 % der Besucher von Karriereveranstaltungen in der Logistik sind weiblich. (6)
  • Aber nur 18,6 % der Top-100-Logistikunternehmen beschäftigen Frauen in der Geschäftsführung. Obwohl es top ausgebildete weibliche Kräfte geben würde.

Meiner Meinung nach ist es für Unternehmen von großem Vorteil, alle Aspekte zur Führung eines Unternehmens zu nutzen. Den männlichen sowie den weiblichen Aspekt.
Studien zeigen, dass alle Beteiligten von mehr Unterschiedlichkeit in Unternehmen und vor allem von Frauen in Führungsetagen profitieren können.

Und, es ist heute mehr denn je wirtschaftlich nicht mehr tragbar, dieses Potenzial nicht zu beachten.

Warum tun sich Frauen in der Logistik weiterhin schwer

Aber woran liegt es, dass die Branche und Frauen sich weiterhin schwertun?

Liegt es an dem Thema, Frauen bekommen Kinder und können nicht konsequent und durchgängig arbeiten und sich entsprechend entwickeln? Ist eine Frau auch heute noch ein „Risiko“ in der Einstellung oder Beförderung?

Nervt es, wenn die Kinder krank werden und dann meist die Frau die Betreuung übernimmt und damit erst mal ausfällt? Gerade in der Corona-Zeit wieder ein Thema!

Liegt es an den Frauen selbst, die sich manchmal den Weg in Führungspositionen nicht zutrauen? Aber warum könnte das so sein?

Sind es die eher nicht gegebenen Rahmenbedingungen, wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, gar die männliche Kultur in der Kommunikation, der Art der Zusammenarbeit und Herangehensweise an die Aufgaben, unterschiedliches Networking, was manchmal abschreckt?

Wir sollten alle noch mal in uns gehen und uns tatsächlich fragen: Besteht heute nach wie vor die innere „Rollen“-Stimme – Wer holt den Kaffee?!

Meine ehrliche Antwort aus eigener Erfahrung und Gesprächen mit anderen Frauen: Ja, zu einem größeren Teil. Denn das Thema Rolle ist nach wie vor in der Branche präsent. Nicht mehr so stark wie früher, aber dennoch vorhanden.

Jedoch, so sehe ich das, sollen die Rollen und Stärken der Beteiligten und deren Anforderungen nicht verändert werden. Denn dann würde das verloren gehen, was die Unterschiedlichkeit positiv ausmacht.

Es sollte kreativ überlegt werden, wie es gemeinsam gestaltet werden kann. Mut und Offenheit sind schon die ersten Schritte. Sich ohne Vorurteile aufeinander zuzubewegen, was nicht immer einfach ist, aber die Vorteile überwiegen absolut. Auch das ist meine Erfahrung als Führungskraft in dieser Branche.

Eine kleine Anekdote zum Schluss

Ich war Führungskraft in einer Spedition und wurde vom Inhaber eingeladen, an den wöchentlichen Meetings des Managements und der GF teilzunehmen.

Ich saß beim ersten Meeting am großen Besprechungstisch ausschließlich mit Herren zusammen. Dann kam die Sekretärin rein und fragte, wer einen Kaffee möchte. Nach der Bestellung stand ich ohne zu zögern auf und ging an der Sekretärin vorbei zum Kaffeeautomaten.

Die Sekretärin stellte sich dann verdutzt neben mich und fragte, was ich da machen würde.
Meine Antwort: „Ich hole für uns Kaffee.“ Sie meinte nur: „Frau Gaus, Sie sind Führungskraft, das Kaffee holen ist mein Job!“ Nach meinem erst mal komischen Gesicht mussten wir beide laut lachen. Da war es wieder – die Rolle, wer holt den Kaffee.

Fotos: © (von oben nach unten): 1. Gudrun Gaus / 2.-3. Adobe Stock

Quellen:

 

Gudrun Gaus ist in einem Logistik-Familienunternehmen aufgewachsen und seither mit dieser Branche sehr verbunden. Inklusive einer Ausbildung zur Speditionskauffrau hat sie verschiedene Stufen in der Logistik durchlaufen. Stationen waren u.a. das eigene Unternehmen Coaching Logistics mit Schwerpunkt Training/Coaching/Interim Management, Key Account Management auf europäischer Ebene und operative Führungspositionen bis hin zu 350 Mitarbeitern inkl. einem Fuhrpark mit über 220 ziehende Einheiten. Heute ist sie Geschäftsführerin der P.S.I. Speditions GmbH in Oberschleißheim (www.psi-spedition.de) und Mutter einer tollen 20 jährigen Tochter.

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