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Umfrage sieht Fachkräftemangel in der Logistik als hausgemacht

von Andreas Müller
Europa leide allenthalben unter einem Fachkräftemangel und insbesondere auch die Logistik leidet darunter. Speziell beim Fahrpersonal sieht es dramatisch aus. Doch was ist die Ursache dafür. Sind Fehler der Politik dafür verantwortlich? Tut sie zu wenig dafür? Oder ist der Fachkräftemangel gar hausgemacht? So sahen es jedenfalls 59 Prozent der Befragten in einer Umfrage von Loginfo24 auf LinkedIn.

(Basel) Fachkräftemangel ist ein Schlagwort, das insbesondere die Logistik immer mehr beschäftigt. Die meisten Sorgen bereitet die Besetzung von offenen Stellen beim Fahrpersonal. Einzelne Speditionen müssen Fahrzeuge im Hof abstellen und Aufträge ablehnen.

Nicht so dramatisch, aber auch schwierig sieht es bei der Besetzung in den übrigen Sparten der Logistik aus. Vor allem an qualifiziertem Lagerpersonal herrscht Knappheit. In diesem Bereich ringen Logistikdienstleister, Einzelhändler, Handelsketten oder Industriebetriebe gleichermassen um das Personal. Der stark angestiegene Onlinehandel hat die Nachfrage nach Mitarbeitenden in diesem Bereich noch erhöht, auch wenn zuletzt der E-Commerce stagniert, wenn auch auf hohem Niveau.

Auch im kaufmännischen Bereich oder anderen Sparten von Logistik und Transport fehlen Fachkräfte.

Worin liegt die Ursache für unbesetzte Stellen?

An einer Umfrage von Loginfo24 auf LinkedIn beteiligten sich 174 Personen, alles Fach- und Führungskräfte aus der Logistik. Dabei sahen 59 Prozent (102 Stimmen) der Teilnehmer, dass die Probleme hausgemacht seien. Die Position „Zu wenig Ausbildung“ geht in die gleiche Richtung (13 Prozent oder 23 Stimmen).

Logistikdienstleister oder Logistikabteilungen in Handel und Industrie müssen sich deshalb folgende Fragen stellen:

  • Gehen wir bei der Rekrutierung den richtigen Weg? Werden alle Möglichkeiten inkl. Social Media ausgeschöpft, um offene Stellen auszuschreiben?
  • Wird das Potential der bestehenden Mitarbeiter bei der Rekrutierung voll ausgeschöpft? Unter dem Motto: „Wer kennt jemanden (der jemanden kennt, der jemanden kennt…)
  • Entspricht das Umfeld den Gegebenheiten des Marktes?
    • Attraktivität
    • Infrastruktur
    • Arbeitsklima
    • Entwicklungsmöglichkeiten
    • Weiterbildung
  • Schraubt man die Anforderungen für eine offene Stelle zu hoch?
  • Wird es mit der „Akademisierung“ übertrieben?
  • Werden Lebensläufe, Schul- und Arbeitszeugnisse oder Bewerbungsunterlagen generell überbewertet?
  • Ziehen wir genügend Nachwuchskräfte nach resp. bieten wir genügend Ausbildungsplätze an?

Werden Bewerbungsunterlagen überbewertet?

Immerhin noch 18 Prozent (31 Stimmen) der Befragten sahen das Problem bei der Politik und 10 Prozent (18 Stimmen) sahen als Ursache die demografische Umstände.

Was kann die Politik wirklich für den Fachkräftemangel tun? Sie kann das Umfeld in Bildung und Wirtschaft beeinflussen. Sie kann den Zugang für Personen aus dem Ausland erleichtern. Auch kann sie dafür sorgen, dass der finanzielle Rahmen (Steuern) und die Gesetzesbedingungen für die Gesamtwirtschaft stimmen, aber dann sind die die Möglichkeiten ziemlich ausgeschöpft.

Sie kann schon gar nicht für einzelne Branchen den Weg bereiten. Auch bei der Demografie kann die Politik nur bedingt eingreifen. Dass in den nächsten Jahren viele ältere Arbeitnehmer in Rente gehen und viel weniger Neuzugänge in den Arbeitsmarkt eintreten ist nur bedingt beeinflussbar. Schon gar nicht kurzfristig.

Die Teilnehmer an der Umfrage kommen überwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem des Fachkräftemangels betrifft aber nur diese drei Länder, sondern ist vor allem in Europa, aber auch weltweit ein Thema.

Was kann man tun, um mehr Fachkräfte zu gewinnen?

Die eigenen Möglichkeiten beginnen bei der Hinterfragung der oben erwähnten Punkte. Desweitern kann man am eigenen Image arbeiten. Ist man im Ort, wo man tätig ist auch bekannt (gilt auch für Niederlassungen)? Wird man als Arbeitgeber oder allenfalls als Ausbildungsbetrieb wahrgenommen? Unterstützung von Anlässen und Vereinen vor Ort kosten vergleichsweise wenig, haben aber eine grosse Wirkung.

Tischfussballtische in Firmen sind irgendwie zu einem Symbol für gutes Betriebsklima geworden. Aber genügt das zur Behebung des Fachkräftemangels?

Viele Logistikbetriebe nehmen inzwischen an Rekrutierungsanlässen teil. Das ist durchaus nachahmenswert, auch für kleinere Betriebe. Inzwischen sind auch einige Firmen auf Social Media aktiv und zeigen dort Szenen aus dem Alltag. Insbesondere Instagram, Tik Tok oder auch Snapchat, wo viele jungen Menschen sich tummeln, sollten, neben LinkedIn, XING oder Facebook, durchaus auch in Betracht gezogen werden. Alle drei sind kostenlos, müssen aber regelmässig und richtig „bespielt“ werden.

Übergreifend sind aber auch die Branchenverbände sehr aktiv und zeigen einen starken Aufwand, um die Branche bekannt und beliebt zu machen. Speziell für das Image der Logistik sorgen z.B. in Deutschland „Die Wirtschaftsmacher“ und in der Schweiz der Dachverband der Logistikverbände „Swiss Supply“ mit Imagekampagnen für Aufmerksamkeit.

https://die-wirtschaftsmacher.de/berufsprofile

https://swiss-supply.ch/aktivitaeten/swiss-supply-life

Ein gutes Beispiel aus Belgien

Ein gutes Beispiel, wie man dem Fachkräftemangel begegnen kann, kommt aus Belgien. Dort hat der Logistikdienstleister H. Essers die Kampagne „Eine rote Lösung für alle“ ins Leben gerufen. Dort gibt man allen Menschen, die sich bewerben, eine Chance.

„Wir wollen jedem die Chance auf Arbeit geben“, erklärt Gert Bervoets, CEO von H.Essers, und ergänzt: „deshalb tun wir mehr als nur Stellenanzeigen zu schreiben“. Konkret investiert der Logistiker in die Ausbildung und Entwicklung von Menschen. Mit der H.Essers Academy verfügt das Unternehmen über ein firmeneigenes Schulungszentrum mit einem breiten Angebotsportfolio: Vom Erwerb des Führerscheins, über Sprachkurse für Migranten bis zu einem persönlichen Talententwicklungspfad, der Mitarbeitende auf den nächsten Karriereschritt vorbereitet. In Kooperationen mit Sozialeinrichtungen und Verwaltungen soll Inklusion gewährleistet werden, um Menschen mit Handicaps die Chance zu eröffnen ihre Talente in Erwerbsarbeit einzubringen.

Das hat sogar den belgischen König Philippe auf den Plan gerufen und er sah sich das Ganze persönlich vor Ort an.

Der ganze Bericht:

https://loginfo24.com/belgischer-koenig-philippe-zu-gast-beim-logistikdienstleister-h-essers/

Der belgische König Phlippe (links) und Gert Bervoets, CEO von H. Essers (2. von links) im Gespräch mit Essers-Mitarbeitern

Kreativität und Aktivität können also durchaus dazu führen, dass Logistikbetriebe den Mangel an qualifiziertem Personal beheben oder zumindest lindern können.

Fotos: © Loginfo24/Adobe Stock

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