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Schweizer Bundesrat will Verkehrsraum für Langsamverkehr fördern

von Redaktion Loginfo24
Der Transport von Gütern mit elektrischen Kleinfahrzeugen sowie sogenannten Cargo-Bikes boomt. Das führt dazu, dass der Strassenraum in urbanen Gebieten stärker beansprucht wird. Nach Ansicht des Bundesrats soll der Verkehrsraum in diesen Gebieten künftig stärker zu Gunsten des Langsamverkehrs genutzt werden. Das geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrat an seiner Sitzung vom 10. Dezember 2021 in Erfüllung der Postulate 18.4291 (Burkart) und 15.4038 (Candinas) zur Kenntnis genommen hat. Darin sind die Grundsätze für das weitere Vorgehen festgehalten.

(Bern) In den Städten und Agglomerationen sind immer mehr unterschiedliche Fahrzeuge auf denselben Verkehrsflächen unterwegs. Das erhöht das Unfallrisiko. Aufgrund von Vorstössen aus dem Parlament hat der Bundesrat analysiert, wie eine bessere Nutzung der knappen Verkehrsflächen möglich ist und wie das Nebeneinander der Verkehrsteilnehmenden verbessert werden könnte. Der entsprechende Bericht liegt nun vor.

Ziele des Bundesrates

Der Bundesrat orientiert sich für die weiteren Arbeiten an folgenden drei Zielen:

  • Nachhaltigkeit: Der Bundesrat anerkennt die wachsende Bedeutung der emissionsfreien, kleineren und langsameren Fahrzeuge. Sie tragen zur Reduktion des CO2-Ausstosses und zur besseren Nutzung der beschränkten Verkehrsflächen bei.
  • Sicherheit: Der Bundesrat will die Verkehrssicherheit insbesondere für den Langsamverkehr erhöhen. Darum soll der knappe Verkehrsraum in urbanen Gebieten bei Bau und Planung der Verkehrsinfrastrukturen stärker zu Gunsten des Langsamverkehrs genutzt werden.
  • Einfache und nachvollziehbare Regelungen: Für die Kategorisierung der Fahrzeuge und die Regelungen für deren Nutzung strebt der Bundesrat einfache und zukunftstaugliche Lösungen an.

Der Bundesrat schlägt gestützt darauffolgende neue Regelungen vor:

  • Das Trottoir soll im Grundsatz weiterhin den Fussgängerinnen und Fussgängern vorbehalten bleiben. Davon ausgenommen sind wie bisher Trottinette, Rollschuhe und weitere Geräte, die über keinen elektrischen Antrieb verfügen.
  • Auf Veloverkehrsflächen sollen Velos, E-Bikes mit Tretunterstützung sowie rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge zugelassen sein. Rechtlich handelt es sich bei dieser Kategorie um Kleinfahrzeuge, die ohne Führerausweis gefahren werden dürfen und die maximal 250 kg (heute 200 kg) wiegen, höchstens 1 m breit und mit maximal 25 km/h unterwegs sind. Für schnelle E-Bikes gibt es eine Ausnahme. E-Bikes mit Tretunterstützung bis 45 km/h dürfen sowohl die Velo-Flächen als auch die Strasse benutzen.
  • Elektrofahrzeuge mit einem Gewicht von max. 450 kg (mit Führerausweis Kategorie M oder F) dürfen mit maximal 25 km/h ebenfalls auf den Veloverkehrsflächen fahren.
  • Menschen mit einer Gehbehinderung und Betagte sollen weiterhin für sie geeignete Motorfahrräder ohne Führerausweis fahren dürfen.
  • Wie bisher müssen elektrische Kleinfahrzeuge mindestens mit einer Lenk- oder Haltestange ausgestattet sein und zwei unabhängige Bremsen aufweisen. Fahrzeuge, welche diese Anforderungen nicht erfüllen, bleiben wie bisher von der Benützung des öffentlichen Raums ausgeschlossen.
Weiteres Vorgehen

Das UVEK wird gestützt auf diese Grundsätze das Normenkonzept konkretisieren, die betrieblichen und organisatorischen Massnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüfen und gestützt darauf eine Revision des Strassenverkehrsrechts erarbeiten.

 

Stellungnahme Astag (Schweizerischer Nutzfahrzeugverband):

Die Förderung von Langsamverkehr ist ein wichtiger Beitrag für eine möglichst emissionsfreie Mobilität. Für den Schweiz. Nutzfahrzeugverband ASTAG ist Verkehrssicherheit jedoch ebenfalls oberste Priorität. Der Vorschlag des Bundesrats, dass schnelle E-Bikes und Cargo-Velos auf Strassen verkehren dürfen, geht daher in die falsche Richtung. Von entscheidender Bedeutung sind vielmehr eine leistungsfähige Strasseninfrastruktur und baulich abgetrennte Fahrspuren.

(Bern) Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG nimmt den heutigen Entscheid des Bunderats zum Langsamverkehr mit Befremden zur Kenntnis. Grundsätzlich ist es zwar richtig, emissionsfreie Verkehrsmittel wie Fahrräder, Cargo-Bikes und elektrische Kleinfahrzeuge zu fördern. Ebenso muss Verkehrssicherheit weiterhin oberste Priorität haben – für alle Verkehrsträger und -mittel. Die ASTAG bekennt sich gerne und vorbehaltlos zu allen Massnahmen, die auf wirksame Weise zu mehr Umwelt- bzw. Klimaverträglichkeit und weniger Unfällen führen. «Nebst sinkenden CO2-Emissionen ist das Strassentransportgewerbe schon heute sehr sicher unterwegs», betont ASTAG-Zentralpräsident und Ständerat Thierry Burkart: «Die Unfallzahlen mit Beteiligung von schweren Nutzfahrzeugen gehen seit Jahren zurück».

Leistungsfähige Infrastruktur für City-Logistik

Zwingende Voraussetzung ist allerdings eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Je mehr Stau und stockender Verkehrsfluss es aufgrund zu knapper Kapazitäten gibt, desto höher sind Treibstoffverbrauch und proportional dazu der CO2-Ausstoss. Ebenso hängt die Verkehrssicherheit entscheidend davon ab, dass Fahrzeuge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten möglichst getrennt auf eigenen Flächen verkehren können. Für den Langsamverkehr sind daher nach Möglichkeit getrennte Fahrbahnen zu schaffen. Die entsprechenden baulichen Massnahmen dürfen allerdings auf keinen Fall zu einer Beschränkung der Kapazitäten zulasten des motorisierten Individualverkehrs, des Güterverkehrs und des Busverkehrs (Cars, öV) gehen. Gerade in der City-Logistik, die für Wirtschaft und Gewerbe in Städten und Agglomerationen systemrelevant ist, braucht es weiterhin eine effiziente, bedürfnisgerechte und sichere Strasseninfrastruktur – ohne zusätzliche Hindernisse, Risiken und Gefahren.

Der Vorschlag des Bundesrats, den Verkehrsraum in den Städten künftig prioritär für den Langsamverkehr zu nutzen, ist daher der falsche Ansatz. Insbesondere die vorgesehene Möglichkeit, dass Motorfahrräder weiterhin Radverkehrsflächen benutzen dürfen (aber nicht mehr müssen!) birgt ein enormes Gefährdungspotential. Schnelle E-Bikes und Lastenräder (Cargo Bikes) eignen sich nicht für die gemeinsame Nutzung von Strassen zusammen mit MIV und Güterverkehr. «In diesem Punkt muss die kommende Vernehmlassungsvorlage des Bundes nachgebessert werden», sagt Thierry Burkart.

Detaillierter Bericht des Bundesrates:

https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/69506.pdf

Foto: © Loginfo24

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