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Expertenrat Digitale Transformation (ETL) mit zweiter Sitzung

von Loginfo24 Redaktion
Als Ergebnis seiner zweiten Sitzung empfiehlt der Expertenrat Digitale Transformation in Transport & Logistik (ETL) der Transportbranche eine verstärkte, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit. Darüber hinaus benennt er wichtige Gründe, warum der Digitalisierungsknoten in der Transportlogistik, trotz ausgeprägtem Bewusstsein der Problemlage, noch nicht geplatzt ist. 

Das Mobilitätspaket I der Europäischen Kommission stellt eine der größten Änderungen des EU-Transportwesens der letzten 40 Jahren dar und beschleunigt damit verbundene Digitalisierungsprojekte. Gleichzeitig bestehen noch immer große Potenziale in der Digitalisierung der gesamten Lieferkette. Dies verlangt eine interne wie externe Vernetzung der verschiedenen Stakeholder und Prozesse. Vor diesem Hintergrund traf sich der Expertenrat am Continental-Standort in Villingen-Schwenningen zu seiner zweiten Sitzung. Ziel des Treffens war es, die Gründe für die noch immer zögerliche digitale Transformation der Branche herauszuarbeiten. Konkret wurden insgesamt neun Hindernisse – der besseren Eingängigkeit halber als „Roadblocks“ bezeichnet – benannt:

  • Roadblock 1: Es gibt zu viele isolierte Systeme. Ohne übergreifende und miteinander verzahnte digitale Prozesse bleibt alles Stückwerk.
  • Roadblock 2: Es fehlen Standards oder Standards setzen sich nicht durch. Deshalb sind die einflussreichsten Kräfte der Transportlogistik aufgefordert, gemeinsam notwendige Standards für die Branche zu erzeugen.
  • Roadblock 3: Es herrscht ein Mangel an gegenseitigem Vertrauen. Erst wenn alle Teilnehmenden eines digitalen, automatisierten Prozesses sicher sein können, dass ihre Daten nicht von anderen Prozessteilnehmenden missbräuchlich genutzt werden, wird die durchgehende Digitalisierung möglich sein.
  • Roadblock 4: Die Unternehmenskultur ist häufig nach innen orientiert. Silos müssen abgebaut und die Türen für digitale Kooperationsprojekte mit anderen Unternehmen, Partnern, Dienstleistern und Zulieferern geöffnet werden.
  • Roadblock 5: Die Komplexität ist oft unnötig hoch. Die Digitalisierung sollte der Vereinfachung dienen, eine exzellente Usability erzeugen und einen hohen Nutzen bieten.
  • Roadblock 6: Es fehlen Innovationsbudgets, daher sollte frühzeitig geregelt werden, wer welche Ausgaben tätigt.
  • Roadblock 7: Der Zeithorizont vieler Projekte ist zu kurz, die Erwartungen zu hoch.
  • Roadblock 8: Das Sprachrohr in die Politik ist nicht laut genug, denn dort müssen die notwendigen verbindlichen Standards für Deutschland oder die EU festgelegt werden.
  • Roadblock 9: Es fehlen Leuchtturmprojekte und damit starke Vorbilder für fortschrittliche Projektinitiativen in Deutschland und der EU.

Es gibt bereits etliche Beispiele, die verdeutlichen, welchen Nutzen eine übergreifende Digitalisierung erbringen könnte. Die nachfolgenden Szenarien veranschaulichen dies:

Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM) 

Als zentrales Online-Portal zur Bereitstellung von Verkehrsdaten funktioniert er nur dann reibungslos, wenn alle wesentlichen Infrastrukturdaten, beispielsweise die Höhe der Brücken, erfasst sind. Mit dem Datenformat DATEX II wurde bereits eine elektronische Sprache für den Austausch dynamischer Straßenstatus- und Verkehrsdaten entwickelt. Damit daraus aber für das Transportwesen ein Nutzen entsteht, gilt es, flächendeckend in Ländern und Kommunen Daten sowohl über die Infrastruktur mit Restriktionen als auch über dynamische Ereignisse wie Baustellen zu erheben und entsprechende Plattformen wie SEVAS in Nordrhein-Westfalen (sevas.nrw.de) zu etablieren.

LKW-Fahrerinnen und -Fahrer  

Der Beruf befindet sich in der Krise. An allen Ecken und Enden fehlen Fahrerinnen und Fahrer, viele sind schon im fortgeschrittenen Alter, und der Nachwuchs fehlt. Dabei könnte die Digitalisierung zur Verbesserung der Situation beitragen, indem sie dafür genutzt wird, intelligenter zu planen und so den Alltag der Fahrerinnen und Fahrer zu vereinfachen und zu verbessern. Dafür müssten allerdings die Kräfte der involvierten Parteien gebündelt und operative und strategische Allianzen gebildet werden. Neben multilingualen Tools, Systemen, Formularen etc., die der Zuwanderung Rechnung tragen, sollte es eine verpflichtende Transport-Ethik zum Schutz der Fahrerinnen und Fahrer geben. Der Expertenrat empfiehlt zusätzlich, Zukunftsmodelle zu entwickeln, in denen LKW täglich länger im Mehrschichtbetrieb oder sogar rund um die Uhr im Einsatz sind. Eine Voraussetzung hierzu sind flexiblere Be- und Entladefristen sowie Arbeitszeiten. Dadurch verringern sich zum Beispiel die Parkplatzprobleme und Staus in den Peak-Zeiten, die Fahrer werden entlastet und die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert.

eCMR – der elektronische Frachtbrief 

Auch wenn viele EU-Länder, darunter Deutschland, bereits zugestimmt haben, einen elektronischen Frachtbrief nutzen zu wollen, ist die Branche von einer Standardisierung noch weit entfernt. Daher wird immer noch mit Papierdokumenten gearbeitet, die Fahrerinnen und Fahrer oftmals wegen ihrer Komplexität überfordern. Deswegen sollte eine Standardisierung und inhaltliche Vereinfachung des eCMR durch eine Kooperation großer Unternehmen der Transportlogistikbranche, Verladern und Dienstleistern angestoßen werden. Damit würde vermieden, dass die Fahrer künftig mit unterschiedlichen eCMR konfrontiert wären. Auch könnte der digitale Tachograph als sicherer Speicherort und somit Transsportmittel eines standardisierten eCMR dienen.

„Viele der wesentlichen Herausforderungen, die wir identifiziert haben, besitzen einen großen gemeinsamen Nenner“, unterstrich Frauke Heistermann, eine der beiden Vorsitzenden des Expertenrats. „Die Unternehmen müssen die Digitalisierung gemeinsam angehen – mit Kunden, Lieferanten und ihren Partnern. Alleingänge werden nur einen Bruchteil des Potenzials realisieren.“ Natürlich könnten auch bei isoliertem Vorgehen einzelne Erfolge in der Digitalisierung von Prozessen erzielt werden. Doch wenn das große Ziel aller Anstrengungen die vollständige Digitalisierung sowie eine Automatisierung der Daten und Prozesse entlang der Lieferkette sei, dann lasse sich ohne ein radikales Umdenken über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus dieses Ziel nicht erreichen, so Frauke Heistermann.

Isolierte Systeme und Projekte müssen miteinander vernetzt werden

Die zehn Ratsmitglieder sind sich einig: Isolierte Systeme und Projekte in den Unternehmen und Organisationen müssen miteinander und untereinander vernetzt werden. Abgeschottete Digitalisierung führt nur zu kleinteiligen Verbesserungen. Dazu Frauke Heistermann: „Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass digitale Lösungen und Vernetzung eine enge Zusammenarbeit, ein besseres Verständnis des Gesamtprozesses und einen ehrlichen Abgleich der Erwartungshaltungen erfordern. Geschieht das erfolgreich, entstehen enorme Wettbewerbsvorteile, zum Beispiel mehr Resilienz, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, operative Exzellenz und neue Umsatzpotenziale.“

Professor Thomas Krupp, der zweite Co-Vorsitzende des ETL, zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen des Arbeitskreises: „Haben wir in der ersten Sitzung noch die Aufgaben und Themen des Expertenrats sondiert, so fand diesmal eine intensive Diskussion über die Hürden der digitalen Transformation statt. Das mündete in konkreten Empfehlungen an die Branche und deren wichtigste Player sowie in eine Aufforderung mit zweifacher Bedeutung: EINFACH machen und einfach MACHEN!“

Der Katalog mit den Roadblocks steht hier zum Download bereit

Foto: © VDR / Bildlegende: Die Mitglieder des Expertenrats (v.l.n.r.) Matthias Kliché, Bernhard Schmaldienst, Prof. Dr.-Ing. Heinz-Leo Dudek, Dr. Petra Seebauer, Frauke Heistermann, Prof. Dr. Thomas Krupp, Dr. Ismail Dagli und Mario Wolter mit Gast Timo Ketterer

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