Startseite LänderDeutschland Corona bei Tönnies oder Amazon: liegt es an den Arbeiterunterkünften?

Corona bei Tönnies oder Amazon: liegt es an den Arbeiterunterkünften?

von Redaktion Loginfo24

Zurzeit sind Masseninfektionen bei dem Fleischverarbeiter Tönnies im deutschen Rheda-Wiedenbrück in den Schlagzeilen. Gleichzeitig bestreikt die Gewerkschaft ver.di seit gestern wieder einmal die Logistik von Amazon, und zwar gleich an mehreren Standorten. Diesmal weniger wegen den Löhnen, sondern in der Hauptsache wegen den Hygienemassnahmen. Die Frage stellt sich aber, ob dies an der Hygiene am Arbeitsplatz liegt oder vielmehr an den Unterkünften, wo viele der auswärtigen Arbeiter in Massenunterkünften untergebracht sind und auf engstem Raum hausen.

Von: Andreas Müller

(Berlin/Rheda-Wiedenbrück) Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die Beschäftigten an sechs Standorten des Versandhandelskonzerns Amazon für Montag und Dienstag zum Streik aufgerufen. Sie setzt damit die Kampagne für den Abschluss eines Tarifvertrags „Gute und gesunde Arbeit“ fort, deren Auftakt in der vergangenen Woche bereits Aktionstage an mehreren Niederlassungen des Unternehmens bildeten.

Streiks an sechs Amazon-Standorten

„Wir verschärfen die Gangart, denn Amazon zeigt bislang keine Einsicht und gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten zu Gunsten des Konzernprofits“, erklärt dazu Orhan Akman, bei ver.di verantwortlich für den Einzel- und Versandhandel. Er verweist auf die jüngsten Coronavirus-Ausbrüche an Amazon-Standorten wie Bad Hersfeld. „Nach unseren Informationen haben sich dort mindestens 30 bis 40 Kolleginnen und Kollegen infiziert“, so Akman. „Wie schon im Fall der Ausbreitung von Covid-19 in Winsen (Luhe) mauert die Unternehmensführung auch diesmal und verweigert Aufklärung. Das gefährdet die Sicherheit und Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen, ihrer Familien und die der Anwohnerinnen und Anwohner.“

Die Streiks in Leipzig, Bad Hersfeld (mit zwei Standorten), Rheinberg, Werne und Koblenz (Kobern-Gondorf) beginnen mit der Nachtschicht zum Montag und werden mindestens 48 Stunden andauern. Zudem sind an anderen Standorten des Unternehmens, an denen Streiks derzeit u.a. wegen der geltenden Auflagen zur Covid-19-Prävention nicht möglich sind, begleitende Aktionen geplant.

Liegt das Problem in den Massenunterkünften?

Generell ist wohl aber das Problem der Infektionen weder bei Tönnies noch bei Amazon allein am Arbeitsplatz zu suchen. Man kann davon ausgehen, dass dort in Bezug auf das Coronavirus sicher viel getan wurde. Wenn aber Gastarbeiter/innen, meist aus Osteuropa, in Unterkünften auf engstem Raum hausen, dann nützen die besten Hygienemassnahmen nichts. Aufgrund ihrer Löhne können sich diese Leute in der Regel keine eigene Wohnung leisten. Also mietet man Massenunterkünfte an oder heruntergewirtschaftete Hotels und pfercht dann mehrere Arbeiter in ein Zimmer. Dort ist Abstand halten fast nicht möglich. Wenn diese Leute dann zu ihrer Schicht wieder in den Betrieb kommen und dort wieder auf andere Mitarbeitende treffen, dann ist das Malheur passiert. Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, dass die externen Mitarbeitenden bei den Infektionen quasi unter sich bleiben, weil sie in der Regel nur zwischen Massenunterkunft und Arbeitsplatz hin und her pendeln.

Das unterscheidet den Fleischverabeiter Tönnies nicht von vielen grossen Logistikbetrieben. So lange man Mitarbeitende aus dem Ausland zu Tiefstlöhnen anstellt, egal ob da jetzt noch ein Personalverleiher dazwischen ist oder nicht, und diese dann in Massenunterkünften unterbringt, so lange schwebt die Gefahr von Masseninfektionen wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Mitarbeitenden. Und am Arbeitsplatz kommen sie unter Umständen trotzdem noch mit einheimischen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt.

Die Anmietung der Unterkünfte für die Mitarbeitenden wird vielfach auf die Subunternehmer, also auf die Personalverleiher abgeschoben. Ein immer wieder auftauchendes Problem, wenn es um billige Arbeitskräfte geht. Dieses Modell ist nur rentabel über die Lohnunterschiede; für beide Seiten.

Unschuldige in Quarantäne

Heikel wird es, wenn dadurch, wie im Fall Tönnies, ganze Landkreise in Quarantäne genommen werden. Besonders krass zusätzlich, wenn andere Länder oder Bundesländer damit beginnen Reisewarnungen für die betroffenen Landkreise auszusprechen. Das grenzt dann schon an Ausgrenzung und Diskriminierung. Wenn so etwas durch einen einzelnen Betrieb verursacht wird, kann das teuer werden.

Schon alleine deswegen lohnt es sich für jeden Betrieb dafür zu sorgen, dass die Hygieneregeln eingehalten werden. Die obigen Beispiele sind aber zum Glück Einzelfälle.

Foto: © Amazon

www.amazon.de  –  www.verdi.de  –  www.toennies.de

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