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Andreas C. Kujawski mit einer ersten Bilanz zum Thema Homeoffice

von Redaktion Loginfo24

Andreas C. Kujawski, Rechtsanwalt und seit Jahren in diversen Führungsfunktionen in der Logistikbranche tätig, befasst sich in diesem Bericht mit dem Thema Homeoffice in Deutschland, auch in der Logistik. Er wirft einen Blick auf die praktische, aber auch auf die rechtliche Seite dieser, zwar nicht neuen, aber coronabedingt im Jahre 2020 stark aufkommenden, Arbeitsplatzvariante.


von Rechtsanwalt Andreas C. Kujawski

(Hamburg) Die Coronakrise hat im Jahr 2020 unseren Arbeitsalltag heftig durcheinandergewirbelt. Viele Unternehmen sind in eine existenzielle Krise gerutscht, viele Unternehmen haben sich mit Kurzarbeit gerettet. Die Regelungen zur Insolvenzordnung wurden zeitweilig „entschärft“. Viele Unternehmen haben ihre Mitarbeiter aber auch spontan und nachhaltig ins Homeoffice geschickt. Der Artikel beschreibt die Erfahrungen aus praktischer und arbeitsrechtlicher Sicht und stellt Fragen an die Rechtsprechung.

Ausgangslage

Nach Ausbruch der SARS COVID19 Pandemie (kurz: Corona) waren in Deutschland Behörden, Gesetzgeber, Arbeitgeber und auch die Politik überfordert. Niemand war auf eine Krise dieses Ausmaßes vorbereitet. Zwar gab und gibt es im „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ (IfSG) eine umfassende, bis zur Grundrechtseinschränkung gehende Ermächtigungsgrundlage für Gesetze und Verordnungen. Als Land mit den meisten Gesetzen auf der gesamten Welt war in Deutschland diese Ermächtigungsgrundlage in dem unendlichen Dschungel von Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen in der Öffentlichkeit fast schon in Vergessenheit geraten. § 54 IfSG sieht den Vollzug dieses Gesetzes durch die Länder vor.

Bundesländer ohne passende Verordnungen

Und die Länder hatten bei Ausbruch der Pandemie keine passenden Verordnungen parat. Diese mussten erst erlassen werden. Und das hat gedauert. Und dann noch jedes Bundesland nach seiner Facon. Das ergab einen bunten Blumenstrauß an bundesweit sehr unterschiedlichen Regelungen, die weithin dann die Gerichte beschäftigen sollten.

Die Arbeitgeber aber mussten sofort handeln. In den Gesprächen mit den Mitarbeitern kamen Ängste und Besorgnisse vor einer möglichen Infektion auf. Niemand wusste zunächst, wie gefährlich diese Infektion war und ist. Die Ungewissheit bot und bietet immer noch Raum für wilde Spekulationen.

In vielen Branchen brachen zudem die Bestellungen ein und damit musste auch die Produktion massiv zurückgefahren werden. Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 wurde gar direkt auf Produktionsstätten und damit auf hunderttausende von Arbeitsplätzen ausgeweitet. Aber in sehr vielen Branchen gab es keinen Einbruch der Produktion.

Im Gegenteil. Gerade in der Luftfrachtspedition verursachte der kurzfristig weggefallene Frachtraum der Lowerdecks auf den Passage-Flügen der Airlines eine plötzliche massive Verknappung der Frachtkapazitäten. In der Seefracht verschärfte sich gleich zu Beginn des Jahres die Verfügbarkeit des Equipments, insbesondere im Bereich der Reefer-Container. All das führte zu abenteuerlichen Zuständen (und Preisen) bei der Buchung von Frachtraum und zu außerordentlicher Mehrarbeitsbelastung bei den Spediteuren. Aufgrund der sich ständig verschärfenden Infektionsschutzregelungen bedurfte es neuer Lösungen in der Arbeitswelt. In Deutschland war dies der Startschuss für den großen Siegeszug des bis dato eher schüchtern und zurückhaltend genutzten „Homeoffice“.

Erfahrungen

Als Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft eines internationalen Logistik-Konzerns hatte ich schon seit einiger Zeit mit erheblichen Platzproblemen in einer unserer Niederlassungen zu kämpfen. Zwischen Arbeitsstättenverordnung, Bildschirm-Arbeitsplatz-Richtlinien, Brandschutzverordnung, Unfallverhütungsvorschriften, betriebswirtschaftlichen Erforderlichkeiten und wachsendem Geschäftsaufkommen aber sehr beschränktem Büroraumverfügbarkeiten am Standort, stand eine kostenintensive Veränderung des Standortes, mit all seinen Herausforderungen, unmittelbar bevor.

Plötzlich kam die Variante „Homeoffice“ als Alternative ins Spiel. Entgegen meinen Erwartungen war die IT überhaupt kein Problem. Ein Teil der Mitarbeiter war über ihre Firmenlaptops bereits „mobil“ ans interne Transportmanagement-System und alle weiteren Firmensystem-Applikationen angebunden, für alle übrigen Mitarbeiter stellte die IT-Abteilung in Windeseile gesicherte Verbindungen für die an das private Internet angeschlossenen Workstations zur Verfügung.

Von einem auf den anderen Moment hatten wir kein Platzproblem mehr in der Niederlassung. Wir konnten problemlos alle Abstandsregelungen und Kontaktbeschränkungen einhalten. Der gleichzeitige Rollout von MS-TEAMS ermöglichte zudem blitzschnelle und spontane Videokonferenzen. Alle Mitarbeiter – auch neu eingestellte – verhielten sich zudem sehr kooperativ, flexibel und lösungsorientiert und waren jederzeit erreichbar. Beeinträchtigungen durch gelegentliche Geräusche von Kindern, Haustieren oder ähnlichem waren eher selten. Warum hatten wir das nicht schon vorher praktiziert?

Rechtliche Situation

Arbeitsrechtlich stellt die Institution „Homeoffice“ allerdings eine Herausforderung dar: „Homeoffice“ kann nämlich nicht ohne Weiteres angewiesen werden. Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom Oktober 2018 ist ein Arbeitgeber nicht allein aufgrund des ihm nach § 106 GewO zustehenden arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, einem Mitarbeiter einseitig eine Tätigkeit im Homeoffice (bzw. in Telearbeit) zuzuweisen. Eine Weigerung des Mitarbeiters, dieser einseitigen Zuweisung für eine Tätigkeit im Homeoffice nachzukommen, rechtfertigt nicht die (außerordentliche) Kündigung des Arbeitsvertrages.

Im entschiedenen Fall lehnte der betroffene Arbeitnehmer die Ausführung seiner Arbeit in Telearbeit ab. Der Arbeitgeber warf dem Arbeitnehmer daraufhin beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Dem folgten die Berliner Richter nicht.

Nach der veröffentlichten Entscheidung ist ein Arbeitnehmer ohne entsprechende Vereinbarung, welche die Tätigkeit im Homeoffice legitimiert, arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, die ihm zugewiesene Telearbeit zu verrichten. Das arbeitsvertragliche Weisungsrecht deckt dies nicht. Mit Blick darauf, dass sich die Umstände der Telearbeit erheblich von der Art und Weise der Arbeitsleistung am Ort der Betriebsstätte unterscheiden, bedarf es einer entsprechenden vertraglichen Grundlage. Der bloße Umstand, dass Mitarbeiter tendenziell an einer Flexibilisierung ihrer Arbeit, insbesondere zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, interessiert sein könnten, führt nicht zu einer dahingehenden Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktions- und Weisungsrechts. (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2018 – Az. 17 Sa 562/18, Pressemitteilung Nr. 23/18 vom 18.12.2018)

Homeoffice weder Kündigungsgrund noch Anspruch

Auf der anderen Seite stellt das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 10.08.2020 fest, dass auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehe, die mögliche Arbeit von zu Hause aus bei vorhandenen technischen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes entgegenstehen könne. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Homeoffice aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zuhause aus möglich sei. (Urteil des ArbG Berlin vom 10.08.2020, Az.: 19 Ca 13189 / 19, Pressemitteilung Nr. 34 / 2020 des LAG Berlin-Brandenburg vom 18.12.2020)

Der Arbeitgeber kann also ohne besondere Vereinbarung „Homeoffice“ nicht anweisen. Entsprechend stellt die Weigerung des Arbeitnehmers im Homeoffice zu arbeiten keinen Kündigungsgrund dar. Der Arbeitnehmer hat aber auch keinen Anspruch auf Homeoffice. Auf der anderen Seite darf der Arbeitgeber keine Änderungskündigung aussprechen, wenn Homeoffice theoretisch möglich ist.

Gleichwohl ist das Homeoffice jetzt sogar mit einer steuerlichen Pauschale begünstigt und unser Arbeitsminister plädiert vehement für einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice.

Wie soll denn der so oft bemühte, verständige Arbeitgeber diesen schmalen Grat erkennen und danach richtig handeln?

Mobiles Arbeiten oder Homeoffice?

Zusätzlich gelten auch im Homeoffice alle arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, wie auch am Arbeitsplatz im Büro. Dazu gehören vor allem Vorschriften über den notwendigen, quadratmetermäßigen Platz, die Vorschriften über einen Bildschirmarbeitsplatz, den ergonomischen Schreibtischstuhl, den Lichteinfall, Brandschutzvorschriften, Lärmschutzvorschriften, Pausenvorschriften, Datenschutzrichtlinien und nicht zuletzt die gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften.

Ein Arbeitnehmer ist nach gefestigter Rechtsprechung des BAG nach wie vor nur während der Arbeitszeit zur Arbeit verpflichtet. Das aber wirft die Frage auf, wie denn der Arbeitgeber die Arbeitszeit im Homeoffice kontrollieren kann? Er, der Arbeitgeber, ist nämlich ebenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dazu verpflichtet, Kontrollmechanismen einzurichten. Bereits heute treffen den Arbeitgeber bußgeldbewährte Verpflichtungen zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten und Mehrarbeitsstunden nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitszeitgesetz.

Diese Pflicht wird im Lichte der Entscheidung des EUGH vom 14.05.2019 zukünftig noch erweitert werden. So sieht das Arbeitsgericht Emden in seiner Entscheidung vom 20.02.2020 eine unmittelbare Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit aus Art. 31 Abs.2 der EU-Grundrechte-Charta (GrCH). Die „Duldung“ der Arbeit im Homeoffice entledigt den Arbeitgeber zudem keinesfalls seiner Fürsorgepflicht. Homeoffice ist derzeit „Vertrauenssache“. Wie soll denn aber der Arbeitgeber beweissicher die Arbeitszeit im Homeoffice kontrollieren oder bei möglichen Nebenpflichtverletzungen aus dem Arbeitsvertrag oder Verletzungen im Vertrauensbereich seiner Beweispflicht genügen?

Fazit

Aus praktischer Sicht ist das Homeoffice eine sehr gute Ergänzung der arbeitstäglichen Praxis, modern, zukunftsweisend flexibel und für Arbeitnehmer durchaus attraktiv. Aus arbeitsrechtlicher und arbeitsschutzrechtlicher Sicht ist das Homeoffice derzeit noch auf sehr dünnem Eis gebaut. Aber auch aus dem Gesichtspunkt der Teambildung und der Förderung eines positiven Betriebsklimas, der Förderung der sozialen Kontakte und der Integration der Mitarbeiter untereinander und auch der Förderung einer „Corporate Identity“ hat das Homeoffice noch sehr viel Entwicklungsbedarf. Allenfalls „mobiles Arbeiten“ kann aus anwaltlicher Sicht zu empfehlen sein, solange die Rechtsprechung hier nicht die Konturen der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis für das Homeoffice geschärft hat.

Andreas C. Kujawski ist seit 1999 nebenberuflich als Rechtsanwalt zugelassen und seit vielen Jahren mit der Rechtsanwaltskanzlei Münchow Commandeur Brügge eng verbunden und auch im Außenauftritt dort zu finden. 2020 bestand er zudem das Fachanwaltsexamen Arbeitsrecht.

Hauptberuflich war Andreas C. Kujawski immer im Transport- und Logistik-Markt beschäftigt. So bekleidete er diverse Führungspositionen u. a. bei GEFCO, Hellmann, DHL und UPS und kennt die Branche somit von innen und aussen bestens.

www.mbc-legal.de

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