Jedes Jahr ermitteln DIE GÜTERBAHNEN den Kapazitätszuwachs im heute 33.400 Kilometer langen DB-Schienennetz durch neu- und ausgebaute Strecken. In diesem Jahr nehmen der Bund als Auftrag- und Geldgeber und die DB InfraGO als Bauherrin weiterhin keinen Kurs in Richtung Verkehrsverlagerung. Die baldige Besserung der Situation auf dem Schienennetz, die Bund und DB seit langem versprechen, wird in diesem Tempo nicht erreicht.
(Berlin) Nur 48,2 Kilometer neu- oder ausgebaute Schienenstrecken wird die DB InfraGO 2024 in Betrieb genommen haben. Das entspricht etwa der Entfernung von Köln nach Düsseldorf. Das Straßennetz wuchs wie in den vergangenen Jahren in derselben Zeit um etwa 10.000 Kilometer, also 200-mal so schnell. Mehr Kapazität im Schienennetz wird jedoch dringend für die Verkehrs- und Transportwende gebraucht. „Wenn Deutschland in diesem Tempo weiterbaut, wird es schwierig, die verkehrspolitischen Ziele der kommenden Jahre einzuhalten“, schätzt Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der GÜTERBAHNEN, die Lage ein. Ein solches Ziel ist, im Güterverkehr den Marktanteil der Schiene bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern. Sorge bereitet Kerkeling, dass Regierung und DB mittlerweile den schon bisher minimalistischen Neu- und Ausbau noch weiter ausbremsen wollen. Sie verweisen auf die zweifellos notwendige Sanierung des bestehenden Netzes. „Kapazität für mehr Züge schafft nur der Neu- und Ausbau. Wir brauchen Sanierungen und den Neubau zugleich, sonst verspielen wir die Zukunftschancen der Schiene im Güter- und Personenverkehr“, so Kerkeling.
Nur 2180 Kilometer Schiene in 30 Jahren
Im Haushaltsentwurf für 2025 war vier Mal so viel Geld für den Ausbau der Bundesfernstraßen (4,2 Milliarden Euro) vorgesehen als für die Schiene (0,936 Milliarden Euro). „Die Regierung muss mit knappen Mitteln jetzt den Ausbaubedarf bei der Schiene nachholen. Seit der Bahnreform vor 30 Jahren wurden insgesamt nur 2.180 Kilometer neue Schienenstrecken – einmal von Berlin nach Valencia – gebaut. Seitdem wurde das Straßennetz um etwa 250.000 Kilometer verlängert, was sechs Straßenringen um den Äquator herum entspricht“, so Kerkeling.
Der geringe Kapazitätszuwachs 2024 unterscheidet sich wenig von den schwachen Vorjahren 2023 (20 Kilometer), 2022 (79,4 Kilometer) oder 2021 (12,1 Kilometer). Nur eines der insgesamt sieben Projekte 2024 verschafft Hilfe auf einem der 23 behördlich als “überlastet” ausgewiesenen Schienenwege. Mit 18,8 Kilometern Neubau eines zweiten Gleises zwischen Wolfsburg und Braunschweig ist die Weddeler Schleife das „größte“ fertig gestellte Projekt in diesem Jahr. Bereits in den 90er Jahren war aus Kostengründen nur eines der beiden geplanten Gleise gebaut und damit ein Engpass geschaffen worden.
Nur fünf Kilometer neue Oberleitungen wirken zudem grotesk wenig, sollten doch nach dem Willen der bisherigen Regierungskoalition bis 2030 rund 4.000 Kilometer Strecke elektrifiziert werden. Kerkeling. „Die derzeitige toxische Mischung aus Ambitionslosigkeit, wenigen Neubaumitteln, unsicherer Haushaltslage und einem überhöhten Heilversprechen von bloßen Sanierungen untergräbt die Idee, Deutschland die positive Vision von reibungslosem Schienenverkehr zu geben, der mehr aufnehmen kann. Das Zaudern beim Neu- und Ausbau muss ein Ende finden. Dafür brauchen wir drei Dinge: einen belastbaren Neubauplan, den überjährigen Schieneninfrastrukturfonds und eine Herauslösung der Schieneninfrastrukturen aus dem DB-Konzern.”
Zur Berechnung:
DIE GÜTERBAHNEN haben, wie in den Vorjahren, sowohl beim Eisenbahnbundesamt (EBA) als auch bei der DB InfraGO angefragt, welche Strecken 2024 in Betrieb gegangen sind, bzw. zum Fahrplanwechsel am Wochenende in Betrieb gehen werden. Leider führen weder Amt noch DB belastbare Statistiken. Das von der Beschleunigungskommission Schiene am 13. Dezember 2022 verlangte „Schienenmonitoring“ existiert weiterhin nicht. Daher führt der Verband zusätzlich eigene Recherchen durch, um ein möglichst exaktes Ergebnis zu erzielen. In diesem Zuge wurden auch einige ältere und bisher nicht registrierte Projekte ergänzt.
Die DB hat im vergangenen Jahr begonnen, in ihrer Kommunikation in „Gleiskilometern“ zu sprechen. Das beeinträchtigt die Vergleichbarkeit zur bisherigen Angabe von Streckenkilometern und scheint geleitet von dem Wunsch einer Vergrößerung der Neubau-Kilometer, da zweigleisig ausgebaute Strecken doppelt gezählt werden können.
Seit diesem Jahr unterscheiden DIE GÜTERBAHNEN zwischen reinem Neu- und Ausbau und Elektrifizierungen von bereits bestehenden Strecken sowie „sonstigen” kapazitätsrelevanten Maßnahmen (bspw. die Verlängerung von Überholgleisen). Kilometerangaben für Neu- und Ausbau einerseits und Elektrifizierung bestehender Strecken andererseits wurden auch rückwirkend in den Darstellungen des Verbandes getrennt. Neu ist daher die Zahl weiterer insgesamt 822 Streckenkilometer, die seit 1994 elektrifiziert wurden – darunter sind die nur fünf Kilometer Oberleitung, die 2024 erstmals über der bestehenden Strecke zwischen Hofheim und Bürstadt im hessischen Ried errichtet wurden.