In diesem Gastbeitrag geht es um das komplexe Thema Quantencomputing und ein Anwendungsbeispiel aus der Logistik. Rainer A. Stawarz, Gründer und CEO der auf Zoll-Lösungen spezialisierten K&S Informatik aus Zürich, versucht mit einfachen Worten am Beispiel der Zuweisung von Containern auf Stellplätze in den Hafenterminals aufzuzeigen, was mit einem geeigneten Quantenalgorithmus möglich ist.
Von: Rainer A. Stawarz
(Zürich) In diesem Artikel geht es um ein Problem, das in Containerhäfen auftreten kann: die effiziente Zuweisung von Lagerplätzen für ankommende Container. Dabei ist es nicht nur wichtig, einen freien Platz zu finden, sondern auch zu berücksichtigen, welche Ladung die umliegenden Container haben. Dies ist besonders relevant, um Unfälle wie die schwere Explosion im Hafen von Tianjin 2015 zu vermeiden.
Das Problem im Überblick
Stellen wir uns vor, ein großes Containerschiff, wie die „Sovereign Maersk“, kommt in einen Hafen, hier als Beispiel Shanghai, und muss 7.500 Container entladen. Das Hafensystem hat nun die Aufgabe, für jeden dieser Container einen geeigneten Lagerplatz zu finden und diesen zu reservieren.
Im größten Containerhafen der Welt in Shanghai wurden im Jahr 2023 über 47 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Das bedeutet, dass täglich Tausende von Containern neu eingelagert und entladen werden müssen. Ein effizientes System zur Verwaltung der Lagerplätze ist daher unerlässlich.
Herausforderungen der klassischen Methode
Bei herkömmlichen Methoden wird jeder mögliche Stellplatz einzeln überprüft. Auch wenn jede Prüfung nur einen winzigen Bruchteil einer Sekunde dauert, kann sich die Rechenzeit bei Tausenden von Stellplätzen und Containern auf mehrere Stunden summieren. In der Praxis gibt es zwar Optimierungen, wie das Gruppieren ähnlicher Container oder das Ausschließen bestimmter Bereiche von der Suche. Dennoch kann es zu Engpässen kommen – besonders dann, wenn gesetzliche Vorschriften für Gefahrgut, Brandschutz oder Sicherheitsabstände weiter verschärft werden. In solchen Fällen wird die Rechenzeit schnell zum kritischen Faktor.
Der Quantenansatz als Lösung
Hier könnte die Quanteninformatik eine Lösung bieten. 1996 entwickelte der indische Mathematiker Lov Grover einen Quantenalgorithmus, der eine Datenbanksuche wesentlich beschleunigt. Statt alle Stellplätze einzeln zu durchsuchen, kann ein Quantencomputer mit diesem Algorithmus die Suche in wesentlich weniger Schritten durchführen. In unserem Beispiel mit 40.000 möglichen Stellplätzen würde der Quantenalgorithmus nur etwa 200 Rechenschritte hierfür benötigen. Das könnte die gesamte Rechenzeit von mehreren Stunden auf wenige Minuten oder sogar Sekunden verkürzen – und das ohne Kompromisse bei der Genauigkeit einzugehen.
Praktische Herausforderungen und Ausblick
Eine Herausforderung bleibt jedoch: Die Bewertung der Stellplätze basiert auf mehreren Kriterien, die in einem sogenannten „Eignungsvektor“ zusammengefasst werden können. Ein Quantencomputer arbeitet jedoch mit Qubits, die nicht direkt mit solchen komplexen Datenstrukturen umgehen können. Daher müsste der Algorithmus so angepasst werden, dass er die einzelnen Bewertungskriterien getrennt verarbeitet. Dies könnte zwar die Berechnung etwas verlangsamen, aber dennoch wäre die Methode deutlich schneller als herkömmliche Systeme.
Microsoft ist mit dem Projekt «Majoran 1» nahe dran
Zusammenfassend zeigt dieser Artikel, wie Quantencomputer die Logistik in Containerhäfen revolutionieren könnten – sofern sich die theoretischen Konzepte in der Praxis umsetzen lassen. Aktuelle Entwicklungen, wie Microsofts Projekt „Majoran 1“, machen Hoffnung, dass solche Quantenalgorithmen bald Realität werden könnten.
Rainer A. Stawarz ist Gründer und CEO der K&S Informatik.
Er studierte Kernenergetische Anlagen und theoretische Informatik.
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