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Ein Fachgespräch über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

von Loginfo24 Redaktion
Seit dem 1.1.2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG. Schon länger angekündigt ist es nun also in Kraft. Aber was bedeutet das für die einzelnen Firmen entlang der Lieferkette? In einem Expertengespräch zwischen Sven Neumann, Geschäftsführer des Think Tank impacts4u und Gabriele Gerdau, berufserfahrene Spezialistin auf dem Gebiet der Governance, Risk & Compliance, wird das Thema eingehend beleuchtet.

Von: Sven Neumann

(Dortmund/Rohrbach) Eine gesellschaftliche Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit ist eine klare Notwendigkeit. Die Gefahren für Klima, Umwelt und Arbeitssysteme, ausgehend von unserer Art zu leben, unserem Konsum- und Produktionsverhalten, sind seit Jahren bekannt.

Mit Einführung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) erhoffte sich die Bundesrepublik Deutschland eine Mitwirkung von 50% der Unternehmen mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „freiwillig“ den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gerecht zu werden. Aufgrund der geringen Quote, wurde nunmehr zum 01.01.2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter das LkSG verbindlich eingeführt. Damit liegt bis zum 01.01.2024 eine gesetzliche Verpflichtung zumindest für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter in Deutschland vor, ein Compliance-Management-System einzuführen.

Firmen, mit weniger als 3.000 Mitarbeitern sind trotzdem gut beraten, wenn sich sich mit dem LkSG befassen, spätestens dann, wenn sie mit Kunden zusammenarbeiten, die dem Gesetz schon unterstehen.

Das Gespräch zum LkSG:

(Sven Neumann) Welche Unternehmen sind vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffen?

(Gabriele Gerdau) Das Gesetz ist weit zu verstehen und gilt entsprechend übergreifend.  Das LkSG gilt rechtsformübergreifend, unabhängig vom Sektor oder von der Branche, in der ein Unternehmen tätig ist. Es gilt somit für klassische Rechtsformen wie GmbH oder AG, als auch für Vereine und gemeinnützige Gesellschaften, aber auch für Banken und Finanzdienstleister.

Ferner gilt dieses Gesetz für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen sowie unternehmerisch am Markt tätig sind. Erfasst sind auch Unternehmen ausländischer Rechtsformen, sofern sie eine Zweigniederlassung in Deutschland aufweisen.

Auf welchen Bereich der Lieferkette beziehen sich die Sorgfaltspflichten?

Die Kernelemente des LkSG sind u.a. Menschenrechte, Umwelt & Klima, Nachhaltigkeit, Arbeitsschutz, angemessene Entlohnung, Korruptionsprävention sowie Angemessenheitskriterien.

Das Gesetz spricht von einer angemessenen Umsetzung von Sorgfaltspflichten. Was ist mit „Angemessenheit“ gemeint?

Bei dem Begriff „Angemessenheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, weil dieser auf die Vielzahl der unterschiedlichen Unternehmenstypen und Risiken anwendbar sein muss. Das LkSG erteilt in § 3 Abs. 2 LkSG, klare Hinweise für die Beurteilung der Angemessenheit eines Handelns, welche den Sorgfaltspflichten genügen.

Der Kriterienkatalog bietet damit den Unternehmen einen großen Ermessensspielraum, welche Risiken zuerst betrachtet werden und welche Maßnahmen dabei sinnvoll erscheinen. Hierbei gilt der Maßstab, was vernünftigerweise von einem Unternehmen erwartet werden kann, um identifizierte Risiken und Verletzungen zu vermeiden oder sie zu beenden.

Dieser unternehmerische Handlungs- und Entscheidungsspielraum findet bei behördlichen Kontrollen Berücksichtigung, wenn ein Unternehmen anhand wesentlicher Referenzdokumente beweisen kann, dass sie im Rahmen des konkret Machbaren und Angemessenen ihrer Bemühungspflicht nachgekommen sind.

Was bedeutet der verbindliche Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards in der Lieferkette mit Blick auf das eigene Unternehmen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit?

Das LkSG verpflichtet Unternehmen nicht nur selbst die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Maßnahmen in § 2 LkSG einzuhalten, sondern deren Beachtung auch entlang ihrer Lieferketten sicherzustellen. Die normierten Sorgfaltspflichten des LkSG halten Unternehmen dazu an, hierfür in mehrfacher Hinsicht in einen engen Austausch mit ihren Lieferanten und teilweise sogar ihren Wettbewerbern zu treten. Einerseits geht es um den Austausch von Informationen, die ein unkoordiniertes Marktverhalten mit sich bringen und damit kartellrechtlichen Grenzen unterliegen. Der Aspekt des Schutzes eines „Überfüllungswettbewerbs“ also eines Wettbewerbs um Lösungen, die über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehen, ist auch bei Zusammenarbeitsmodellen zur Lieferkettenzertifizierung enorm wichtig.

Das LkSG fügt sich derzeit in eine dominierende Debatte über eine nachhaltige, faire und umweltschonende Ausgestaltung der Wirtschaft an. Eine Schlüsselrollle spielt dabei der European Green Deal. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind zudem zu den wichtigsten wettbewerbsdifferenzierenden Merkmalen geworden und sind daher wettbewerblich relevant.

Welche Schwachstellen hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aus Ihrer Sicht? Was müsste sich verbessern?

Das Risikomanagement nach § 4 LkSG und die Risikoanalyse nach § 5 LkSG verlangen von einem unter das LkSG fallenden Unternehmen, dass es menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken erkennt, ermittelt und abstellt. Wie genau die Risikoanalyse durchzuführen ist und welche Unterlagen ein Unternehmen dafür bei seinem unmittelbaren Zulieferer einsehen muss, ist im LkSG nicht geregelt.

Hier muss sich also erst noch herausbilden, wann ein Unternehmen genug getan hat, um den Anforderungen des LkSG zu genügen.

Wie darf / kann ich mir die Rolle in der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorstellen?

Zur effizienten und transparenten Gestaltung der Lieferketten-Compliance können digitale Instrumente erheblich beitragen. Die Feststellung und Übermittlung von Ergebnissen „per Mausklick“ reicht jedoch nicht aus, damit es zu entsprechenden Veränderungen kommt und die Unternehmensleitung aus der Haftung der Sorgfaltspflicht befreit ist.

Die Transformation in einer nachhaltigen Wirtschaft wird nicht ohne nachhaltig gestaltete Lieferketten funktionieren. Und dies erfordert eine gelebt, organisatorisch und digitale Lösung mit einem gewissen Grad an Automatisierung.  Um Nachhaltigkeit in Lieferketten pragmatisch umsetzbar und skalierbar zu machen ist es unabdingbar mit geeigneten Methoden zuverlässige und tiefgreifende Informationen einzuholen.

Sven Neumann, Geschäftsführer des Think Tanks impacts4u, Beirat und Aufsichtsrat ist leidenschaftlicher Innovations- und Transformationstreiber, erfahrener Unternehmer und engagierter Macher auf allen Sektoren, die den Erfolg von Unternehmen bestimmen.
Branchenübergreifend gilt er als Spezialist für Unternehmenstransformation. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, mittelständischen Unternehmen das theoretische und praktische Rüstzeug an die Hand zu geben, mit dem sie die vielfältigen, künftig noch weiter wachsenden, Herausforderungen erfolgreich meistern können.

Zuvor war er kaufmännischer Geschäftsführer einer familiengeführten und weltweit operierenden Unternehmensgruppe der Gebäudeinstallationstechnik. In dieser Funktion hat er über Jahre maßgeblich zur Weiterentwicklung und Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens beigetragen. Mit heute mehr als 25 Jahren Erfahrung aus vielfältigen nationalen und internationalen Veränderungsprozessen ist Sven Neumann ein kompetenter Ansprechpartner.

www.impacts4u.com

Gabriele Gerdau bekleidete von 1977 bis 2015 sensible Geschäftsfelder im Bundesministeriums des Innern. Aufgrund ihrer langjährigen und umfassenden Branchenkenntnissen gründete sie 2015 Gerdau Human Profiling.

Das Unternehmen ist spezialisiert auf Compliance & Risiko-Management verfügt über ein langjährige Fach- und Sachkunde der technischen und menschlichen Risikoanalyse und Risikomanagement. Als Compliance-Risk & Fraud-Managerin (MBA), Legal Councel (LL.M.) ist sie für die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltenpflichtgesetz eine kompetente und verlässliche Geschäftspartnerin.

https://www.gerdau-profiling.de/

Es folgen weitere Berichte zum Thema Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im laufenden Jahr.

Fotos: © impacts4u

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