Das Bezirksgericht in Amsterdam hat am 12. Mai 2021 eine Entscheidung zu Gunsten tausender Lkw-Abnehmer getroffen. Der Argumentation der Lkw-Hersteller, das von ihnen betriebene Kartell könne keinen Schaden verursacht haben, erteilte das Gericht eine klare Absage. Das Verfahren, in dem es um mehrere Milliarden Euro geht, wird nun fortgesetzt.
(Amsterdam) Durch das Urteil des Bezirksgerichtes Amsterdam bestehen auch für weitere Sammelklagen in Amsterdam sehr gute Chancen, Schadensersatz zu erzielen. Noch können Unternehmen teilnehmen, bevor in wenigen Wochen eine Verjährung der Ansprüche droht.
Die Niederlande gelten als einer der zentralen Schauplätze in einem der größten jemals in Europa verhandelten Schadensersatzkomplexe: Nachdem die Europäische Kommission in 2016 und 2017 gegen die Lkw-Hersteller DAF, Daimler, Iveco, MAN, Scania und Volvo/Renault Bußgelder in Höhe von ca. 3,8 Mrd. Euro wegen kartellrechtswidriger Absprachen verhängt hatte, kam es zu einer beispiellosen Klagewelle in ganz Europa, in der Lkw-Abnehmer überhöhte Kaufpreise und Leasingraten zurückfordern. Je nach Fahrzeug könnten den Betroffenen Schadensersatzansprüche von mehr als 10.000 Euro zustehen. Viele der größten Klagen werden in Amsterdam verhandelt, da das Gericht als klägerfreundlich gilt und geschädigten Unternehmen aus der ganzen EU offensteht.
Informationsaustausch an Stelle von Preisabsprachen?
Im vorliegenden Verfahren (Az.: C/13/639718 / HA ZA17-1255) hatten die Lkw-Hersteller eine Abweisung aller Klagen beantragt mit dem Argument, es hätten keine Preisabsprachen, sondern lediglich ein Informationsaustausch stattgefunden. Außerdem habe es schon deshalb nicht zu einem Preisanstieg für Lkw und damit auch zu keinem Schaden der Käufer bzw. Leasingnehmer kommen können, weil sich die Absprachen lediglich auf aus Sicht der Hersteller irrelevante Bruttopreise bezogen hätten.
Die Amsterdamer Richter machten hingegen deutlich, dass das Verhalten der Hersteller ein schwerwiegendes Preiskartell darstellte. Zudem hielt das Gericht die ökonomischen Gutachten der Kläger zu den Auswirkungen des Kartells und insbesondere zum Zusammenhang zwischen Bruttopreislisten und letztlich von den Unternehmen gezahlten Preisen für überzeugend. Das Gericht bestätigte außerdem, dass nicht nur Käufer, sondern auch Leasingnehmer zum Schadensersatz berechtigt sein können. Zudem kämen wegen Nachlaufeffekten auch Fahrzeuge in Betracht, die noch nach dem Ende des Kartells im Jahr 2011 angeschafft wurden.
400’000 LKW vom Urteil betroffen
„Das Urteil vom 12. Mai hat grundsätzliche Bedeutung für alle vor den niederländischen Gerichten geführten Klagen, die in Summe mehr als 400.000 Lkw betreffen. Die Aussichten der Lkw-Abnehmer, einen erheblichen Teil ihrer Kauf- und Leasingpreise zurückzuerhalten, haben sich damit nochmals verbessert”, betont Michael Gramkow, Vorstand der unilegion Truck Claims Stiftung, die die Interessen von mehr als 500 Unternehmen aus Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich im Wege einer Sammelklage in den Niederlanden vertritt. Für die Betroffenen ist allerdings Eile geboten, denn im Juli 2021 drohen die Ansprüche auf Schadensersatz zu verjähren. Michael Gramkow empfiehlt daher: „Lkw-Abnehmer, die sich der Sammelklage noch anschließen wollen, sollten umgehend aktiv werden. Eine Teilnahme ist noch bis Mitte Juni 2021 möglich.”
Unilegion Truck Claims Stiftung
Die unilegion Truck Claims Stiftung ist eine niederländische Stiftung, die gegründet wurde, um Schadensersatzansprüche von Lkw-Abnehmern zu erwirken. Geschädigte Unternehmen können der Sammelklage ohne Kostenrisiko beitreten. Nur im Erfolgsfall wird eine Provision erhoben. Teilnehmen können Unternehmen, die zwischen 1997 und 2013 schwere oder mittelschwere Lkw (>6t) gekauft oder geleast haben.