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Die Umsetzung von urbanen Logistik-Systemen hinkt hinter den Ideen her

von Loginfo24 Redaktion
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Supply Chain Management (ISCM-HSG) der Universität St. Gallen veröffentlicht Loginfo24 ab sofort und in loser Folge neue Erkenntnisse aus der Supply Chain-Forschung. Wir berichten komprimiert über praxisrelevante Innovationen aus Dissertationen und anderen Publikationen von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des ISCM-HSG . Die Veröffentlichungen mit zugehörigen Quellenhinweisen finden sich in der Rubrik „ISCM-Publikationen“.
Den Anfang macht Raphael Preindl. Er befasst sich mit Thema urbane Logistik-Systeme (ULS).

(St. Gallen) Das Aufkommen von Herausforderungen in städtischen Räumen rund um den Globus, darunter die Urbanisierung, ein steigendes E-Commerce-Aufkommen, veränderte Kundenwünsche mit der Folge von wachsendem Verkehr und Emissionen, haben in den letzten Jahren Konzeptkomponenten, die unter dem Begriff ‘urbane Logistik’ zusammengefasst werden, zu einer strategischen Priorität für viele öffentliche und private Akteure gemacht. Diese Herausforderungen werden auch in Zukunft weiterwachsen. Folglich sind Gegenmassnahmen im Bereich der intelligenten Innenstadtlogistik sehr gefragt.

Während die Grundidee der urbanen Logistik – die unternehmensübergreifend koordinierte Sendungszustellung und -abholung – bereits in die 1990er-Jahre zurückzuverfolgen ist, lässt sich insbesondere seit einem Jahrzehnt eine thematische „Verbreiterung“ feststellen, die insbesondere auf den technischen Fortschritt zurückzuführen ist. So kommen mehr und mehr Konzeptkomponenten – bspw. Zustellroboter oder unterirdische Transportsysteme – hinzu, die sich gemeinsam zu sog. urbanen Logistik-Systemen (ULS) verbinden lassen. Während es also an Ideen nicht mangelt, scheitern jedoch viele Pilotprojekte aus unterschiedlichen Gründen, welche als Umsetzungsbarrieren bezeichnet werden können.

Überwindung der Umsetzungsbarrieren

Zur Überwindung dieser Umsetzungsbarrieren werden entsprechend neuartige Konzepte benötigt, die sich eben nicht mit der urbanen Logistik an sich, sondern mit deren Besonderheiten und insbesondere deren Umsetzung beschäftigen. Diese neuartigen Konzepte sind bestenfalls adaptiv ausgestaltet, d.h. von einer spezifischen Situation in einem speziellen urbanen Raum losgelöst und damit übertragbar auf unterschiedliche Städte. Grundsätzlich empfiehlt sich bei solch einer Ausgangssituation immer der Blick auf sog. Erfolgsfaktoren, die es zu beachten gibt.

Mit Blick auf die Umsetzung von ULS können diverse Erfolgsfaktoren, ganz unabhängig vom individuellen Vorhaben, abgeleitet werden.

Erfolgsfaktoren
  • Bildung eines Konsortiums mit Vertretern aller relevanten lokalen Stakeholder-Gruppen und insbesondere der lokalen Politik, mit einer zentralen Person oder Abteilung als Verantwortlichem, mit dem Ziel, alle Interessen für das ULS zu berücksichtigen.
  • Einsetzung eines neutralen Koordinators, der das ULS-Umsetzungsvorhaben steuert, z. B. durch Gründung eines Joint Ventures, um erfolgreiche Partnerschaften zu gewährleisten.
  • Erstellung eines auf den lokalen Kontext abgestimmten ULS-Konzepts mit Fokus auf realistische Lösungen, um die Umsetzbarkeit zu gewährleisten.
  • Priorisierung der ULS-Massnahmen mit einer schrittweisen Aufteilung in mehrere Pilotprojekte und einem Zusammenführungsplan, um schliesslich ein Gesamt-ULS zu schaffen.
  • Verfolgung einer langfristigen Perspektive für die ULS-bezogenen Massnahmen, um den Übergang zum Tagesgeschäft nach der Implementierung sicherzustellen.
Prüfen via Kontingenzanalyse

Während die Orientierung an den genannten Erfolgsfaktoren für die Basis einer grundsätzlich solide ausgerichteten Implementierung von ULS sorgt, lohnt es sich selbstverständlich den speziellen urbanen Raum, in dem das jeweilige Vorhaben umgesetzt werden soll, näher zu analysieren. Diese Prüfung lässt sich über eine sog. „Kontingenzanalyse“ vornehmen, die sich mit situationsabhängigen Faktoren beschäftigt. Im Fall der ULS-Implementierung lassen sich dabei drei verschiedene Arten von Faktoren identifizieren:

  • Exogene Faktoren: Faktoren, die städteübergreifend, bspw. national, wirken.
  • Spezifische urbane Faktoren: Faktoren, die je Stadt individuell ausgeprägt sind.
  • Endogene Faktoren: Faktoren: Faktoren, die von den jeweiligen Beteiligten bestimmt sind.
Grundlage für erfolgsversprechende Umsetzung

Auf Basis dieser Kontingenzanalyse kann im Anschluss in Kombination mit den generischen urbanen Logistik-Konzeptkomponenten ein für jeden urbanen Raum individuell abgestimmtes ULS erstellt werden. Diese Vorgehensweise zielt auf einen hohen „Fit“ zwischen den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort und dem ULS ab, was die Grundlage für eine erfolgsversprechende Umsetzung darstellt. Zu beachten ist jedoch besonders, dass dieser „Fit“ sich im Laufe der Umsetzungszeit verändern kann, bspw. durch sich verändernde Anforderungen an das ULS oder durch Veränderungen bei den beteiligten Akteuren. Im Lichte dieser Dynamik bietet sich eine iterative Umsetzung von ULS an. Insofern empfiehlt sich ein hybrides Projektmanagement, welches Elemente aus der klassischen Wasserfall-Vorgehensweise und einer agilen Vorgehensweise kombiniert.

Geeignetes Implementierungsmanagement

Während eine iterative Vorgehensweise zur Umsetzung von ULS also die Ausgangslage für unterschiedliche Implementierungsvorhaben sein kann, gilt es daneben eine Reihe weiterer Elemente zu beachten. So muss sich ein geeignetes Implementierungsmanagement u.a. auch mit Fragen zum Timing der Umsetzung, zum Umsetzungsstil sowie zur Umsetzungsrichtung auseinandersetzen. Darüber hinaus sollten während des gesamten Vorhabens kontinuierlich Evaluationsschleifen, bspw. anhand ausgewählter Performance-Indikatoren, durchgeführt werden, sodass im Sinne einer Anpassungsanalyse kurzfristig gegensteuert werden kann.

Umsatzplanung und -steuerung kommt meist zu kurz

Neben der Operative in ULS-Implementierungsprojekten gilt es also diverse Elemente zu bedenken, die für den Projekterfolg essentiell sind. Da sich bislang häufig rein auf die operative Umsetzung – oftmals mit äusserst pragmatischen aber teils zu kurzgedachten Vorgehensweisen – konzentriert wird, kommt die Umsetzungsplanung und -steuerung meist zu kurz. Im Lichte dieser Erkenntnisse empfiehlt es sich daher in der Zukunft die Innovationsfähigkeit und Konzentration auf die Umsetzung von ULS zu lenken, statt auf die Innovierung von urbanen Logistik-Konzeptkomponenten an sich, sodass erfolgreich umgesetzten ULS nichts mehr im Wege steht.

Raphael Preindl war von 2018 bis 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Supply Chain Management der Universität St.Gallen (ISCM-HSG). Zuvor hat er sein Masterstudium an der Alliance Manchester Business School absolviert und Berufserfahrung in der Unternehmensberatung und Spedition gesammelt. Er ist Lehrbeauftragter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Seine Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Implementierung von urbanen Logistik-Systemen. Die Arbeit ist im Frühjahr diesen Jahres im Springer-Verlag erschienen und kann hier bezogen werden: https://bit.ly/3sCfzSA

Foto: © Loginfo24/Adobe Stock

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