Home LänderDeutschland „Nicht den gleichen Fehler machen wie die Automobilindustrie“

„Nicht den gleichen Fehler machen wie die Automobilindustrie“

von Loginfo24 Redaktion
Auf dem Fachforum „Grüne Hafentechnologien“  in Lübeck trafen sich Logistikexperten aus dem Osteeraum zum regen Austausch. Dabei rief Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft LHG dazu auf, nicht ausschliesslich auf die Elektromobilität zu setzen. Auf dem anschliessenden Deutsch-Finnischen Hafentag, der sich über eine Rekordbeteiligung freute, lautete das Motto: „Der Ostseeraum ist die Zukunftsregion Europas“

(Lübeck) „Wir haben deutliche Veränderungen vor uns und müssen das Thema grüne Hafentechnologien bewusst aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten“, erklärte Sebastian Jürgens, Geschäftsführer der Lübecker Hafen-Gesellschaft LHG, zum Auftakt des gleichnamigen Fachforums im Vorfeld des Deutsch-Finnischen Hafentags. „Wir dürfen nicht den gleichen Fehler wie die Automobilindustrie machen und nur auf elektrische Antriebe setzen. Das führt in die Sackgasse.“ Terminalbetreiber wie die LHG würden im 24/7-Betrieb arbeiten, bei den derzeit noch erforderlichen Ladezyklen führe das im Vergleich zu herkömmlichen Antrieben zu doppelt so vielen Großgeräten, die nötig seien, um den Betrieb an Bord der Schiffe, auf der Kaikante oder in den Lagerhallen aufrecht zu halten – „und das bei deutlich höheren Fahrzeugpreisen“, so Jürgens weiter. Er rief die Fahrzeughersteller dazu auf, auch künftig in die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie zu investieren.

Gleichwohl machten die Fahrzeughersteller Terberg, Movella, Linde, Still und Kalmar auf dem mittlerweile dritten Fachforum „Grüne Hafentechnologien“ deutlich, wie weit die E-Antriebstechnologien bei Großgeräten für den anspruchsvollen Einsatz in Häfen bereits fortgeschritten sind. So sind zwei Stunden Ladezeit für eine Acht-Stunden-Schicht bei moderatem Einsatz offenbar keine Utopie mehr. Und tatsächlich erleichtert die Modulbauweise beispielsweise von Terminal-Zugmaschinen oder Gabelstaplern mehr und mehr auch den problemlosen Einsatz von Brennstoffzellen.
Wie pragmatisch sich ein Unternehmen dem Thema Elektrifizierung nähern kann, zeigte Andreas Frye, Geschäftsführer der Gesellschaft für Umweltdienste (GUD) aus Bocholt, auf. Sein Unternehmen führt unter anderem Aufträge für den Hafenumschlag mit Baggern aus, so auch für Kohle im Duisburger Hafen. Fryes Fazit: „Die Verfügbarkeit von E-Baggern ist gigantisch im Vergleich zu Dieselgeräten.“ Ölwechsel, Austausch von Lichtmaschinen oder Anlassern – all das falle weg und sorge für hohe Betriebssicherheit. Bei der Stromversorgung setzt Frye pragmatisch auf längere Kabel.

Nötige Infrastrukturen für grüne Hafentechnologien schaffen

Jürgens rief abschließend die Politik dazu auf, die nötigen Infrastrukturen für den Einsatz grüner Hafentechnologien wie Wasserstoffnetze für Brennstoffzellen oder E-Ladepunkte zu schaffen: „Diese Infrastrukturen sind ein Kernthema für eine Exportnation wie Deutschland – und die müssen auch entsprechend finanziert werden!“

 

Deutsch-Finnischer Hafentag in Lübeck

„Der Ostseeraum ist die Zukunftsregion Europas“, stellte der finnische Honorarkonsul Bernd Jorkisch in seiner Begrüßung auf dem Deutsch-Finnischen Hafentag in Lübeck fest. Vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Finnland trägt die positive Entwicklung in Nordeuropa. „Deutschland ist Finnlands wichtigster Handelspartner. Mein Land ist ein verlässlicher Partner in den Bereichen Handel, Politik und Sicherheit“, sagte Kai Sauer, Botschafter der Republik Finnland in Deutschland. Der NATO-Beitritt Finnlands biete neue Optionen für die Zusammenarbeit beider Länder und der Ostseeanrainer. Und der European Green Deal eröffne ebenfalls Möglichkeiten, betonte der Diplomat vor mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Bereits zum neunten Mal hatten der finnische Honorarkonsul in Lübeck, Bernd Jorkisch, die Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) und die Hansestadt Lübeck zum Hafentag eingeladen. In diesem Jahr stand das Thema „Grüne Technologien“ im Mittelpunkt. Aber auch die Sicherheit im Ostseeraum war ein wichtiges Thema. „Die besorgniserregende Nachricht über beschädigte Kabel hat uns bewusst gemacht, wie wichtig der Schutz der Unterwasserinfrastruktur ist“, so Sauer. Er rief Deutschland und Finnland dazu auf, die Sicherheit der kritischen Infrastruktur zu gewährleisten und dafür eng zusammenzuarbeiten.

Deutsch-Finnischer Hafentag (v.l.n.r.): Andreas Tsioulakis (Vice President der Kion Group), Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau, Jan Meier (SSAB), Finnischer Generalkonsul Bernd Jorkisch, Botschafter Kai Sauer, Tom Pippingsköld (President and CEO Finnlines), Kimmo Naski (Port of HaminaKotka), SH-Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen, Sebastian Jürgens (LHG), Moderator Sebastian Reimann (DVZ) und Jan Feller (Deutsch-Finnische Handelskammer)

Dank für die enge Zusammenarbeit

Das betonte auch Claus Ruhe Madsen. Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus dankte zudem Finnland für seinen NATO-Beitritt, den Schulterschluss mit Deutschland und die enge Zusammenarbeit mit Lübeck im Besonderen. „Die Finnen gehören zu den innovativsten Menschen auf der Welt. Wir können voneinander und miteinander lernen. Genau dafür stehen die Häfen, die zugleich Wachstum und Wohlstand sichern“, sagte er. Wichtig sei es daher, besonders die fragile Unterwasser-Infrastruktur zu verbessern. „An einem Tag wie heute wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir zusammenstehen.“ Der Hafentag wirke aber auch nach innen: „Wenn wir für vier Wochen unsere Häfen schließen würden, wird in Süddeutschland keiner mehr glauben, dass sie nur von norddeutschem Interesse sind“, ergänzte er im Hinblick auf dringend benötigte Mittel des Bundes zum Ausbau der Nord- und Ostseehäfen sowie ihrer Anbindungen an das Straßen- und Schienennetz.

Auch LHG-Geschäftsführer Sebastian Jürgens rief zu deutlich höheren Investitionen des Bundes in die Häfen auf. „38 Millionen Euro sind viel zu wenig, die Hafenwirtschaft fordert mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr.“  Lübeck sei Kernhafen im europäischen TEN-T-Netz. Die EU priorisiere diese Korridore, dafür gäbe sie Fördermittel. Der internationale Handel benötige internationale Transportrouten. „Das ist dem Bund bewusst, aber dann muss er auch mehr zahlen, um die Teilhabe der deutschen Häfen an diesen Routen in der Zukunft zu sichern.“

Finnland hat die Bedeutung seiner Häfen längst erkannt. „Die Ostsee ist unser Heimatmeer. Sie ist der Transportkorridor zwischen Skandinavien und Mitteleuropa“, sagte Kimmo Naski in der traditionellen Hafenrede. Der Geschäftsführer des Port of HaminaKotka, Vorsitzender der Baltic Ports Organisation und des Verkehrsausschusses der Deutsch-Finnischen Handelskammer stellte heraus, dass Finnland die Häfen in seine grüne Strategie zum Erreichen der Klimaneutralität eng einbeziehe.

Grosse Flächen und viel sauberes Wasser

Das bestätigte auch der Geschäftsführer der Deutsch-Finnischen Handelskammer, Jan Feller: Finnland habe große Flächen und viel sauberes Wasser zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und verfüge über viele weitere Rohstoffe. Da das Land den zweitniedrigsten Strompreis in der Europäischen Union habe, sei es für Deutschland als Partner noch attraktiver als bisher: als Produktionsstandort für Zwischenprodukte und Lieferant günstiger, nachhaltiger Energie.

Lübeck sei der beste Partner für die Kooperation im Bereich Energie, betonte Sebastian Jürgens und führte dazu aus: „An unserem Standort haben wir so viele Schiffsverkehre, da muss uns klar sein, dass hier auch die dafür nötige Energie vorhanden sein muss.“ Dem schloss sich Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau an. „Lübeck liegt strategisch günstig: Hier liegt der Knotenpunkt für Versorgungskabel aus allen Richtungen“, so Lindenau. Im Wettbewerb der Standorte entscheide künftig mehr denn je die Energieversorgung darüber, wer vorn dabei sei. Lübeck spezialisiere sich bereits und achte bei Ansiedlungen neuer Unternehmen auf deren Beitrag zum Klimawandel. Vieles würde schneller und einfacher gehen, wenn es weniger Vorschriften gäbe: „Die Regulatorik belastet auch die Kommunen. Wir sitzen manchmal vor den Vorschriften und fragen uns, was das werden soll? Einen Antrag für den Bau einer Wasserstofftankstelle haben wir daher gar nicht erst gestellt, weil er so kompliziert war”, sagte er und forderte eine deutliche Entschlackung von Vorschriften, auch um die Zusammenarbeit mit den Unternehmen zu erleichtern.

Enger Zusammenhalt im Ostseeraum

Grundlage dafür sei der enge Zusammenhalt im Ostseeraum, betonte Konsul Bernd Jorkisch. „Gemeinsam wollen Deutsche und Finnen den Ostseeraum als führenden Standort zur Wasserstoffproduktion entwickeln. Finnland hat die Nase mit aktuell 40 Wasserstoffprojekten bereits weit vorn, und Deutschland ist aufgerufen, diese Kompetenz als Handelspartner zu nutzen.” Auch er betonte die bedeutende Rolle des Lübecker Hafens für die grüne Transformation. Zugleich rief er dazu auf, die Infrastruktur auf deutscher Seite dringend und nachhaltig auszubauen. Das betreffe auch den Elbe-Lübeck-Kanal, der als einzige Bundeswasserstraße die Ostsee mit den kontinentalen Binnenwasserstraßen verbinde und daher ein wesentlicher Bestandteil der Transportketten sei.

Foto: © LHG / Christiane Braune

Ähnliche Artikel

Kommentar hinterlassen