„Berichten Sie uns, wie Sie als General Manager bei XYZ in den ersten vier Jahren Ihrer früheren Organisation tiefgreifende Veränderungen umgesetzt haben…“
„Konzentrieren wir uns auf drei strategische Auswirkungen Ihrer Entscheidungen als CEO.“
„Wie würden Sie den Führungsstil in Ihrer aktuellen (Logistik-)Organisation beschreiben – und inwiefern deckt er sich mit Ihren persönlichen Werten?“
Von: Christoph Szakowski
Auf den ersten Blick wirken diese Fragen unscheinbar. Vielleicht sogar trivial – für Kandidaten auf höchstem Niveau geradezu eine Einladung zu wohlformulierten, makellosen Antworten.
Doch genau hier beginnt die Herausforderung: In diesen Momenten offenbaren sich die wahren Stärken – und Schwächen – sowohl der Führungskräfte als auch der Unternehmen, die sie beurteilen.
Die Fallstricke für Unternehmen
Eine Frage wird zur Sackgasse, wenn sie zwar gestellt, aber nicht präzise verankert ist: Wenn die Antwort keine Klarheit über Eignung, Stil und Wirkung liefert. Genau deshalb müssen Fragen nicht nur ausgewogen sein – sie müssen bewusst in den Gesamtkontext des Executive-Search-Prozesses eingebettet werden.
Die Fallstricke für Kandidaten
Viele Kandidaten unterliegen dem Irrtum, dass eine souverän klingende Antwort automatisch Führungsstärke vermittelt. In Wahrheit entlarven stereotype Formulierungen rasch die Grenzen ihrer tatsächlichen Erfahrung – die Corporate-Rhetorik wirkt dann eher wie eine Maske als wie ein authentisches Führungsprofil.
1. Die Frage nach Veränderung
Richtig gestellt, eröffnet diese Frage einen klaren Blick auf die Prioritäten und Errungenschaften eines Kandidaten. Ein Beispiel: Wer „signifikante Veränderungen“ mit Einsparungen bei Büromaterial oder internen Verwaltungsrichtlinien gleichsetzt, wird kaum überzeugen.
Wesentlich ist jedoch das Wie: Die methodische Herangehensweise, die strategische Tiefe, die Transformation hinter den Zahlen. Wer lediglich mit Kennzahlen glänzt („24 Millionen EBITDA-Impact“, „X % Umsatzwachstum“), ohne den Weg dorthin nachvollziehbar zu machen, hinterlässt ein Bild von Oberflächlichkeit.
2. Die strategischen Auswirkungen von CEO-Entscheidungen
Hier prüfen Unternehmen, ob ein Kandidat nicht nur Entscheidungen trifft, sondern echte Wirkung erzeugt – und wie er sich in komplexen Strukturen, etwa globalen Matrixorganisationen, bewegt.
Fallstrick für Kandidaten: Fehlendes Bewusstsein dafür, wie sich ihre Entscheidungen in den unteren Ebenen manifestieren – sei es in der operativen Qualität oder in der Kundenwahrnehmung.
Fallstrick für Unternehmen: Zu tiefes Nachhaken, wodurch das Gespräch eher wie eine Überprüfung durch einen Wettbewerber wirkt als wie ein professionelles Auswahlverfahren.
3. Führungsstil – der Reifegradtest
Ein typisches Beispiel: „Es ist ein französisches Unternehmen, Veränderungen sind hier kaum möglich… ich fühle mich nicht wohl.“
Eine bemerkenswerte Aussage – vor allem, wenn sie von jemandem kommt, der dort seit Jahren tätig ist.
Diese Frage prüft die Reife und Selbstreflexion des Kandidaten: Erkennt er die Wechselwirkung zwischen persönlichem Führungsstil und Unternehmenswerten?
Risiko für Unternehmen und Headhunter: Kandidaten zu bevorzugen, die dem eigenen Stil ähneln, und damit jene auszublenden, deren unterschiedliche kulturelle oder strategische Perspektiven den entscheidenden Mehrwert bringen könnten.
Fazit
In der Auswahl von Führungskräften entscheidet nicht die Zahl der Fragen, sondern deren Qualität – und die Fähigkeit, hinter die Antworten zu blicken. Genau dort beginnt die wahre Kunst der Executive Search.
Beispiel einer Rekrutierungssequenz: Triumph vs. Desaster
Nachfolgend ein praktisches Beispiel aus der CCO-Rekrutierung, das zeigt, wie ein Prozess ablaufen kann – entweder erfolgreich oder zum Scheitern verurteilt.
Erfolgreiche Rekrutierung – innerhalb von 14 Wochen
- Strategische Evaluierung mit Berater + Analyse Schlüsselfaktoren – Woche 1–2
- Management-Assessment und Kompetenz-Audit – Woche 3–4
- Definition der gefragten Führungskompetenzen – Woche 6
- Positionsbriefing und Mission – Woche 7
- Markt-Screening – Woche 8–10
- Präsentation/Diskussion der Longlist durch Executive Search – Woche 11
- Erste Interviewrunde – Woche 12
- Zweite Interviewrunde mit Follow-up – Woche 13
- Auswahl, Verhandlungen, Vertragsunterzeichnung – Woche 14
Ergebnis: Innerhalb von drei Monaten gewinnt die Organisation den besten verfügbaren Top-Professional zur Führung einer Einheit mit >1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz im hohen dreistelligen Millionenbereich (EUR).
Gescheiterte Rekrutierung – ein Negativszenario
- Vage formuliertes Bedürfnis in mehreren Köpfen – Woche 1–4
- Weiterleitung an HR – Woche 5–6
- HR erstellt Job Profile – Woche 7
- Vorstand genehmigt mit minimalen Anpassungen – Woche 8
- Internes Rekrutierungsteam sucht – Woche 9
- Kein interner Kandidat geeignet – Woche 16
- Vorstand durchforstet Netzwerke – Woche 17–20
- Externe Rekrutierung beschlossen – Woche 21
- HR bittet um Anweisungen – Woche 23
- Suche über Anzeigen – Woche 24
- Warten auf Antworten – Woche 25–32
- Zwei Interviews – Woche 33–34
- CEO kehrt aus Urlaub zurück – Woche 35–37
- Kandidat A wird favorisiert, zieht sich aber zurück – Woche 39
- Interimslösung mit Sales Coordinator – Woche 41–44
- Beförderung des Sales Coordinators zum CCO – Woche 48
- Nach sechs Monaten Absetzung wegen mangelnder Kompetenz.
Ergebnis: Das Unternehmen stagniert. Keine Strategie, demotivierte Vertriebsteams, abwandernde Key Accounts.
Schlussfolgerung
Sie haben die Wahl:
– Professionell und strukturiert – mit Experten den besten Kandidaten gewinnen.
– Oder im Chaos verharren – mit Bürokratie, schwacher Kommunikation und Fehlbesetzungen.
Wählen Sie weise.
Christoph Szakowski ist Managing Partner von LogCon East, einem auf die Logistikbranche spezialisierten Executive Search und Consultingunternehmen, welches seit 15 Jahren Kunden unterschiedlicher Größe und Ausrichtung hilft, Management und Spezialisten zu finden. Christoph agiert von Warschau aus, sowohl in Mittel- und Osteuropa als auch im deutschsprachigen Raum.
Der Diplom-Kaufmann (Uni Hamburg) besitzt eine 24-jaehrige Branchenerfahrung und war Manager u. a. bei LKW WALTER, Logwin AG und DB Schenker. Er spricht Deutsch, Englisch, Polnisch und Russisch und sieht sich als einen international agierenden „Brückenbauer“ zwischen Unternehmen und Kandidaten. www.logconeast.com/