Home LänderDeutschland Gipfel der Logistikweisen: Krisenfestigkeit und Zukunftspotenzial

Gipfel der Logistikweisen: Krisenfestigkeit und Zukunftspotenzial

von Loginfo24 Redaktion
Im April kamen führende Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Handel, Logistikdienstleistung, Wissenschaft und Technologie zum Frühjahrsgipfel der „Logistikweisen“ in Stromberg zusammen. Ziel des Treffens war es, eine fundierte Einschätzung zur aktuellen Lage der Logistik in Deutschland abzugeben und Prognosen sowie konkrete Handlungsimpulse für die weitere Entwicklung zu formulieren.

(Erlangen/Stromberg) Die Initiative zur Prognose des Logistikstandorts Deutschland versteht sich als unabhängiges, interdisziplinäres Gremium. Sie vereint wissenschaftliche Analyse mit unternehmerischer Praxis und wurde 2013 von Prof. Dr. Christian Kille und Markus Meißner ins Leben gerufen. Zwei Gipfeltreffen im Jahr – jeweils im Frühjahr und Herbst – bilden den Rhythmus dieser Standortbestimmung. Im Zentrum steht der Anspruch, Politik und Wirtschaft durch faktenbasierte Analysen und strategische Empfehlungen Orientierung zu bieten.

Verhaltene Aussichten – die konjunkturelle Realität 2025

Die Teilnehmer kamen überein, dass sich der Wirtschaftsbereich Logistik auch 2025 nicht real erholen wird. Zwar kann mit einem leichten nominalen Wachstum gerechnet werden, die reale Leistung wird jedoch voraussichtlich weiter leicht rückläufig sein. Die Prognose bewegt sich für 2025 im Korridor von –0,5 bis –0,8 % (real) und +0,8 bis +1,1 % (nominal). Diese Einschätzung basiert auf der insgesamt schwächelnden Konjunktur, einer zunehmenden Unsicherheit auf den Weltmärkten sowie einer lückenhaften Datenlage, da viele branchenbezogene Detailprognosen mittlerweile eingestellt wurden.

Ein differenziertes Bild der Standortbedingungen

Die Analyse der Ist-Situation zeichnet ein vielschichtiges Bild. Deutschland gilt nach wie vor als einer der leistungsfähigsten Logistikstandorte weltweit. Das Spektrum reicht von international tätigen Konzernen bis hin zu mittelständischen „Hidden Champions“. Die Logistik überzeugt durch tiefe Branchenexpertise, eine robuste Verkehrsinfrastruktur, eine hohe Bildungskompetenz und die starke Marke „Made in Germany“. Die Umsetzungskompetenz entlang komplexer Wertschöpfungsketten ist ebenso ausgeprägt wie die Innovationskraft in Bereichen wie Intralogistik und Automatisierung.

Gleichzeitig sehen die Logistikweisen erhebliche Schwächen, die die Entwicklung des Sektors hemmen. Bürokratische Hürden und eine komplexe Regulatorik erschweren die operative Effizienz. Hinzu kommen hohe Energie- und Personalkosten sowie Steuer- und Abgabenlasten, die die Wettbewerbsfähigkeit belasten. Die schleppende Digitalisierung – insbesondere im öffentlichen Sektor – sowie eine oft risikoaverse Haltung in Entscheidungsprozessen führen zu Innovationshemmnissen. Der Mangel an Risikokapital für disruptive Entwicklungen verstärkt diesen Effekt zusätzlich.

Potenziale für einen Aufbruch

Trotz dieser strukturellen Herausforderungen wurden auch zahlreiche Chancen identifiziert. Deutschland verfügt über erhebliche technologische Kompetenzen, insbesondere in den Bereichen Automatisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz. Die enge Verzahnung von Forschung, Praxis und Start-ups gilt als tragfähiges Fundament für zukünftige Innovationen. Auch die Fähigkeit, komplexe Lieferketten flexibel an veränderte Bedingungen anzupassen, zählt zu den Stärken des Standorts.

Zusätzlichen Schub könnte das „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz“ bringen, das gezielte Investitionen in Verkehrs-, Energie- und Digitalinfrastruktur ermöglichen soll. Eine strategische Steuerung dieser Mittel ist jedoch unerlässlich, um Wirkung zu entfalten. Darüber hinaus wurde die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Technologien sowie Deutschlands Rolle als Standort für internationale Fachkräfte als zentrale Hebel für die Zukunftsfähigkeit genannt.

Ein Maßnahmenpaket für die Logistik von morgen

Im Rahmen des Gipfels wurde ein umfassendes Maßnahmenpaket entworfen, das die logistische Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken soll. Im Zentrum steht die Idee eines praxisnahen Innovationsprogramms, das gezielt auf die Förderung von Projekten in den Bereichen KI, Automatisierung und Plattformökonomie abzielt. Anstelle klassischer Fördermechanismen soll ein modellhaftes Kapitalvergabeprinzip etabliert werden, das – ähnlich einem Venture-Capital-Modell – Finanzierung schrittweise an nachgewiesene Business Cases koppelt.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Vernetzung: Die Kooperation von Unternehmen, Wissenschaft, Start-ups und öffentlichen Institutionen soll auf eine neue Ebene gehoben werden. Offene Plattformen, gemeinsame Governance-Modelle und branchenübergreifende Synergien (Stichwort „Coopetition 2.0“) sind zentrale Bausteine dieses Ansatzes.

Auch kulturell soll ein Umdenken stattfinden. Innovationshunger, Fehlertoleranz und Begeisterung für Neues müssten wieder stärker in den Führungsetagen der Logistikunternehmen verankert werden. Ziel ist es, den Logistikstandort Deutschland nicht nur als effizienten Dienstleister, sondern als global anerkannten Innovationsmotor zu etablieren.

Vom Standortfaktor zum Exportschlager

Die Logistik in Deutschland steht an einem Scheideweg. Einerseits zeigen sich strukturelle Schwächen, die das Wachstum hemmen. Andererseits bietet der Sektor herausragende Voraussetzungen, um sich international zu profilieren – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen werden aktiv weiterentwickelt. Der Frühjahrsgipfel 2025 hat deutlich gemacht: Die Branche ist bereit für Veränderung. Jetzt braucht es politische Entschlossenheit, unternehmerischen Mut und eine Kultur des Miteinanders, um die deutsche Logistik auf das nächste Level zu heben.

Foto: © Logistikweise/Alexander Stoll / Bildlegende (v.l.n.r.): Gerritt Höppner-Tietz, hagebau Logistik GmbH & Co. KG; Markus Meißner, AEB SE; Dr. Patric Spethmann, MARC O‘POLO SE; Patrick Wiedemann, Reverse Logistics Group; Michael Wegener, Commerzbank AG; Prof. Dr. Michael Sternbeck, dm – drogerie markt GmbH; Harry Seifert, Seifert Logistics GmbH; Berit Börke, PARTNER FOR PIONEERS GmbH; Arnold Schroven, Schroven Consulting GmbH; Ralf Busche, BASF SE; Wolfgang Lehmacher; Prof. Dr. Peer Witten, Otto Group; Kerstin Wendt-Heinrich, TOP Mehrwert-Logistik GmbH & Co. KG; Dr. Martina Niemann, DB Cargo AG; Marc Schmitt, LOXXESS AG; Antje Lochmann, GEODIS FF Germany GmbH & Co KG; Dr. Torsten Rudolph, Rudolph Logistik Gruppe GmbH; Prof. Dr. Alexander Nehm, DHBW Mannheim; Prof. Dr. Christian Kille, THWS; Dieter Braun, AUDI SE.

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