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Einfluss chinesischer Online-Plattformen auf europäische Logistik

von Loginfo24 Redaktion
Chinesische Online-Plattformen wie Temu und Shein verändern die europäischen Handels- und Logistikstrukturen in hohem Tempo. Mit massiven Investitionen in eigene Fulfillment- und Distributionszentren etablieren sie lokale Liefernetzwerke, die klassische Paketdienste und Händler zum Umdenken zwingen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse der SKR AG, Luzern. 

„Temu und Shein bauen in einem Jahr auf, wofür etablierte Anbieter Jahre gebraucht haben“, sagt Rico Back, Managing Partner der SKR AG. „Lieferschnelle, Kostenkontrolle und Zugang zu Kundendaten sind ihre Hebel – die neue Logik heißt: Local-to-Local statt Cross-Border. Damit verschiebt sich die Macht in der Lieferkette spürbar.“

Befeuert wird diese Dynamik von der neuen Zollpolitik der USA und der EU. Die US-Regierung hat zum 29. August 2025 die Zollfreiheit für Warensendungen unter 800 US-Dollar gestrichen. In der EU soll die bisherige Freigrenze von 150 Euro spätestens zum 1. März 2028 entfallen.

Was Billigimporten ein Ende setzen sollte, erweist sich laut SKR-Analyse als Katalysator für Professionalisierung. „Die Plattformen importieren nicht mehr Millionen Einzelpakete, sondern in ganzen Containern, verzollen zentral und verteilen von europäischen Umschlagzentren aus“, erklärt Back. „So arrangieren sie sich mit den neuen regulatorischen Hürden, senken sie Kosten und Lieferzeiten und behalten die Kontrolle über Kundendaten und die Supply Chain.“

Fulfillment-Netze in Rekordtempo aufgebaut   

In den vergangenen zwölf Monaten haben Temu und Shein Berichten zufolge ihre europäischen Kapazitäten massiv ausgebaut. Temu betreibt inzwischen Lagerstandorte in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden und Österreich. Shein hat Zentren in Belgien, Frankfurt, Spanien, Italien, Irland und Polen errichtet. Das Ziel: schnellere Lieferzeiten, geringere Versandkosten, effiziente Zollabwicklung und lokales Retourenmanagement.

„Wir sehen eine neue Generation globaler Plattformbetreiber, die in Europa eigene Logistikökosysteme schaffen“, so Back. „Das schafft neue Volumenströme – der Preisdruck auf die letzte Meile wird jedoch nicht weniger.“

Paketdienste und Handel unter Druck   

Die Zustellung an den Endkunden verursacht über 50 Prozent der Gesamtkosten einer Sendung. Plattformen erwarten vor allem bei Waren im günstigen Preissegment äußerst niedrige Zustellpreise. Wenn Paketdienste diese Sendungen aufnehmen, um Mengenvolumen stabil zu halten, können sie unter Druck geraten. Denn es zeigt sich: Die Margen stagnieren. Laut der KEP-Studie 2025 des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik e. V. (BPEX) wuchsen in 2024 die B2C-Mengen in Deutschland um 5,5 Prozent, die profitableren B2B-Volumen sanken um 1,6 Prozent. Dabei ist der inflationsbereinigte Erlös pro Sendung unter das Niveau von 2014 gefallen – höhere Kosten konnten kaum weitergegeben werden.

Um stärker von der Online-Nachfrage zu profitieren, reagieren viele Dienstleister mit eigenen Fulfillment-Angeboten. Doch Back sieht auch Risiken: „Fulfillment ist kein Garant für Profitabilität – es ist kapitalintensiv und erfordert eine hohe Auslastung. Wer den Aufbau von Fulfillment-Lösungen strategisch nicht gut durchdenkt und Prozesse, Flächen und Transporte nicht digital integriert, verbrennt Geld statt zu verdienen.“

Auch für den Handel verschärft sich der Wettbewerb. „Wer weder billig noch besonders ist, wird zerrieben“, sagt Back. „Wir beobachten, dass Händler günstige Eigenmarken aufbauen, neue Konzepte launchen oder kompromisslos auf Premium, Qualität und Service setzen. In jedem Fall entscheidet eine hocheffiziente Logistik über die Wettbewerbsfähigkeit.“

Europas strategische Herausforderung   

Die SKR AG weist auf die Folgen einer zunehmenden Plattform-Konzentration hin: „Wenn ein erheblicher Teil der Sendungsmengen von wenigen globalen Plattformen gesteuert wird, verlieren Logistikdienstleister ihre Verhandlungsmacht“, so Back. „Europa sollte nicht zum reinen Absatzmarkt werden, sondern Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Daten auch in eigenen Händen behalten. Strategisches Handeln ist gefragt: Lieferketten müssen diversifiziert, Partnerschaften mit klaren Spielregeln aufgesetzt, Betriebseffizienz und Skalierung gezielt gesteigert sowie Innovation und Differenzierung beschleunigt werden.“

Foto: © SKR AG

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