Hohe Bestellfrequenzen, kurze Lieferzeiten und ein wettbewerbsintensiver Markt. Um den hohen Lieferservice-Anforderungen der Frischelogistik gerecht zu werden, sind besonders mit Blick auf die aktuellen Lieferengpässe bestmöglich abgestimmte Logistikketten erforderlich. Zunehmend in den Fokus rücken neben dem stationären Handel auch Online-Angebote.
Von Ludwig Häberle
(St. Gallen) Lag der Online-Anteil im Lebensmittelbereich in der Schweiz im Jahr 2019 noch bei 2.4%, erhöhte er sich im Zuge der Corona-Krise bis zum Jahr 2021 auf immerhin 3.8% – mit weiterhin steigender Tendenz. Die neuesten Umsatzzahlen von Migros Online, Coop.ch und Farmy zeigen, dass alle Anbieter im vergangenen Jahre zweistellige Zuwachsraten verbuchen konnten. Das Marktsegment wird zunehmend relevanter für die Akteure. Zum Sortiment gehören längst nicht mehr nur Convenience-Artikel. Für viele Konsumenten ist der Frischebereich einer der wesentlichen Faktoren für oder gegen die Einkaufsentscheidung.
Hohe Anforderungen an die E-Food-Logistik
Dabei müssen Online-Angebote die gleiche Qualität und eine ähnlich grosse Auswahl bieten wie der stationäre Handel. Die Sortimente wachsen ständig, sowohl im Bereich von Frische- als auch Convenience-Produkten. Die zunehmende Nachfrage nach regionalen Produkten erhöht zugleich die Anzahl der Lieferanten. Für die Logistik ergeben sich Herausforderungen und Chancen zugleich. Die Frischelogistik kann ein echter Wettbewerbsvorteil sein, wenn durch eine hohe Liefergeschwindigkeit und Qualität der Logistik der Nutzen für den Kunden spürbar wird und zugleich die Kosten für Lagerung und Transport nicht aus dem Ruder laufen.
Effizienzpotenziale durch kundenindividuelle Einkaufsprofile
Doch wie lassen sich Produktverfügbarkeit, Frische und Kosteneffizienz in Einklang bringen? Einen Ansatzpunkt bietet die intelligente Auswertung und Anwendung von Daten. Je besser ein Händler seine Kunden kennt und weiss, welche Produkte wann und in welcher Menge nachgefragt werden, desto besser lassen sich die Verkaufsmengen planen und Warenflüsse optimal hinsichtlich Verfügbarkeit und Haltbarkeitsdatum steuern. Gerade bei Frischeprodukten mit sehr kurzer Haltbarkeitsdauer lassen sich durch die Minimierung von Fehlbeständen Kosten deutlich senken. Um über die Lieferkette hinweg optimal zu agieren, den Kunden glücklich und die Kosten niedrig halten zu können, sind Erkenntnisse über das Kundenverhalten in der Frischelogistik zukünftig viel detaillierter einzubeziehen. Die Bonus-Programme von Lebensmitteleinzelhändlern schaffen hierfür die Grundlage und ermöglichen die Bildung von kundenindividuellen Einkaufsprofilen.
Big Data und KI: Chancen durch neuartige Daten-Verknüpfungen
Die rasanten Entwicklungen rund um Big Data und KI haben das Zeug dazu, die Frischelogistik zu prägen. Im Unterschied zu früher sind Daten heute keine Mangelware mehr – im Gegenteil! Die Akteure in logistischen Prozessketten erzeugen jeder für sich bereits eine Unmenge von Transaktionsdaten. Aller Datenvielfalt zum Trotz werden häufig nicht mal die eigenen Daten komplett ausgewertet. Speziell in der neuartigen Verknüpfung mit externen Datenbeständen liegt nicht nur der Anspruch von Big Data und – darauf aufsetzend – Data Analytics, sondern auch reichlich Potenzial.
Die Macht von Forecasting erkennen
Helfen können belastbare Prognosen der zu erwartenden Bestellmengen. Die Nutzung von historischen Bestellmengen und Feiertagen zur Identifikation von Saisonalitäten und eventbezogenen Einflüssen, kombiniert mit Wetterdaten und weiteren relevanten Einflussfaktoren auf Verkaufszahlen, schafft die Grundlage zur Entwicklung eines datengetriebenen Prognosemodells, welches durch die Erkennung von Zusammenhängen belastbarere Prognosen ermöglicht. Idealerweise trägt die erhöhte Flexibilität, Bestellmengen an der kundenseitigen Nachfrage auszurichten, zur Optimierung der Logistikkette bei, wovon letztlich auch der Kunde unmittelbar profitiert.
Die Illusion vom Patenrezept der Big Data Roadmap
Der Aufbau von Big Data Kompetenzen versetzt Unternehmen in die Lage, proaktiv Entscheidungen zu treffen, statt nur reaktiv zu handeln. Doch eines ist sicher: Patentrezepte für Big Data Strategien gibt es nicht, weder für Lebensmitteleinzelhändler noch für Logistikunternehmen. Zu berücksichtigen sind neben den nutzbaren Datenquellen die intern vorhandenen Data Analytics Kompetenzen. In Abhängigkeit von den gegebenen Rahmenbedingungen sollte die „Big Data Roadmap“ stets unternehmensspezifisch erarbeitet werden.
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Ludwig Häberle ist als Projektmanager bei der Logistics Advisory Experts GmbH tätig und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Supply Chain Management der Universität St.Gallen.
www.logistics-advisory-experts.ch