Home LänderDeutschland Autonome Lieferketten als Schlüssel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit

Autonome Lieferketten als Schlüssel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit

von Loginfo24 Redaktion
Die Wirtschaft der DACH-Region steht vor einer Reihe von Herausforderungen, die die traditionellen Lieferkettenmodelle an ihre Grenzen bringen. Fachkräftemangel, hohe Lohnkosten, geopolitische Unsicherheiten, der zunehmende Druck zu mehr Nachhaltigkeit und die steigenden Erwartungen nach schnelleren, personalisierten Lieferungen – um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen neue Wege gehen.

Von: Matthias Hégelé

(Zürich) Autonome Lieferketten bieten hier eine vielversprechende Lösung: Sie ermöglichen es, Prozesse zu optimieren, Kosten zu senken, die Widerstandsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Bei autonomen Lieferketten handelt es sich um mehr als bloss die Automatisierung einzelner Prozesse. Im Kern geht es um die Fähigkeit von Systemen, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Aufgaben ohne menschliches Eingreifen auszuführen. Während klassische Automatisierungssysteme vordefinierten Anweisungen folgen und menschliche Aufsicht erfordern – vergleichbar mit einem Tempomat im Auto, der die Geschwindigkeit hält, aber Lenkung und Bremsen dem Fahrer überlässt – gehen autonome Systeme darüber hinaus. Sie nutzen künstliche Intelligenz, um komplexe Entscheidungen zu treffen, Arbeitsabläufe zu orchestrieren und sich selbst zu optimieren.

Konkret bedeutet dies, dass in autonomen Lieferketten viele manuelle Aufgaben – von der Produktion über die Lagerung bis zur Lieferung – weitgehend selbstständig ablaufen. Durch den Einsatz von Robotik, selbstfahrenden Fahrzeugen, Ressourcen-Planungssystemen, maschinellem Lernen und Sensorik können Warenbewegungen in Echtzeit verfolgt und Transportwege oder Bestellungen automatisch optimiert werden. Anders als traditionelle, lineare Lieferketten, die auf festen Abläufen und menschengemachten Entscheidungen basieren, passen sich autonome Lieferketten flexibel an veränderte Bedingungen an. Dafür analysieren sie Daten, um Trends zu erkennen, Risiken zu minimieren und Chancen zu nutzen, die sich aus einer bestimmten Situation ergeben. Das Ergebnis: eine effizientere, agilere und widerstandsfähigere Lieferkette.

Autonomie als Wettbewerbsvorteil

Führungskräfte weltweit haben die Vorteile autonomer Lieferketten längst erkannt: Laut einer aktuellen Accenture-Studie erwarten Unternehmen eine Steigerung ihres EBITA-Gewinns um 5%. Operativ könnten Unternehmen dank autonomer Lieferketten ihre Bearbeitungszeit für Aufträge um 27% verkürzen und ihre Arbeitsproduktivität um 25% steigern. Auch beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen können autonome Lieferketten einen wertvollen Beitrag leisten: Die befragten Führungskräfte erwarten eine Reduktion der CO2-Emissionen ihrer Unternehmen von etwa 16%. Schliesslich stärken autonome Abläufe in den Lieferketten die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen gegenüber Cyberangriffen, Fachkräftemangel, geopolitisch bedingten Störungen, Unwetterereignissen und Rohstoffknappheit. Führungskräfte rechnen damit, dass sich die Reaktions- und Wiederherstellungszeiten bei Störungen um 62% bzw. 60% verkürzen. In Zeiten, in denen Lieferkettenunterbrechungen immer häufiger und schwerwiegender werden, ist eine solche verbesserte Widerstandsfähigkeit entscheidend.

Die Rolle des Menschen in der autonomen Lieferkette

Entgegen der Befürchtung, dass Automatisierung Arbeitsplätze vernichtet, wird der Mensch auch in autonomen Lieferketten weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Anstatt routinemässige und repetitive Aufgaben auszuführen, werden sich Mitarbeitende vermehrt auf strategische Aufgaben konzentrieren: die Überwachung und Steuerung der Systeme, die Analyse von Daten, die Identifizierung von Verbesserungspotenzialen und die Lösung komplexer Probleme. Dies erfordert neue Fähigkeiten und eine kontinuierliche Weiterbildung der Belegschaft – weg von der Ausführung, hin zur strategischen Führung. Die effektivsten autonomen Lieferketten werden jene sein, die eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine ermöglichen. Unternehmen müssen daher gezielt in die Umschulung und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, um sie auf diese neuen Rollen vorzubereiten.

Lieferketten werden zunehmend autonom

Autonome Lieferketten sind längst keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern bereits heute in vielen Bereichen Realität. Allerdings stehen wir noch am Anfang dieser Transformation. So sind autonome Lieferketten zwar bereits bei einem Viertel der Führungskräfte weltweit ein Thema – der durchschnittliche Autonomiegrad liegt zurzeit allerdings erst bei 16% (wobei die Lieferkette bei 100% vollständig autonom wäre). Dies bedeutet, dass die meisten Unternehmen noch stark von manuellen Prozessen und menschlichen Entscheidungen abhängig sind. Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich dies in den kommenden Jahren drastisch ändern wird. Prognosen zufolge wird der Autonomiegrad innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre auf 42% ansteigen. Dies zeigt: Autonome Lieferketten sind gekommen, um zu bleiben.

Auf dem Weg zur autonomen Lieferkette

Die DACH-Region ist als weltweit anerkannter Innovationsraum oft ganz vorne mit dabei, wenn es um die Umsetzung und Einführung neuer Technologien und Prozesse geht. Im Bereich der autonomen Lieferketten befindet sich die DACH-Region im Moment allerdings eher im Mittelfeld. Zwar investieren grosse Unternehmen wie zum Beispiel Nestlé, ABB oder Syngenta erheblich in Digitalisierung und Automatisierung, befinden sich aber in Bezug auf autonome Lieferketten oft noch im Pilotstadium oder haben nur einzelne Anwendungsfälle skaliert, anstatt End-to-End-Lösungen zu implementieren.

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit von IKEA Schweiz mit dem ETH-Spin-off Verity: Seit 2022 kommen im IKEA-Warenlager in Spreitenbach (Zürich) autonome Drohnen von Verity zum Einsatz, die nachts selbständig Strichcodes an Paletten scannen und so die Waren mit dem digitalen Warenbestand abgleichen. Durch die Automatisierung dieses Teilprozesses kann IKEA den manuellen Aufwand für Inventur und Fehlerkorrekturen drastisch senken.

Angesichts der starken Präsenz von Industrien wie der diskreten Fertigung, der Automobilindustrie und dem Hightech-Sektor ist davon auszugehen, dass das Potenzial autonomer Lieferketten auch in der DACH-Region zunehmend erkannt wird. Der DACH-Raum steht im internationalen Vergleich gut da, wenn es um die Adaption neuer Technologien geht, und die hohe Innovationsbereitschaft sowie die starke Forschungs- und Entwicklungslandschaft sind ideale Voraussetzungen für die Umsetzung autonomer Lieferketten.

Autonome Lieferketten sind nicht nur eine technologische Evolution, sondern eine strategische Notwendigkeit für Unternehmen, die in einer zunehmend komplexen und volatilen Welt bestehen wollen. Durch die frühzeitige Adaption und konsequente Umsetzung autonomer Lieferketten haben Unternehmen in der DACH-Region die Chance, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Wer diese Transformation aktiv gestaltet, wird nicht nur die Herausforderungen von heute besser meistern, sondern auch die Weichen für eine erfolgreiche und zukunftsfähige Lieferkette stellen.

Über die Studie

Accentures Studie «Making autonomous supply chains real» untersucht den Wandel hin zu autonomen Lieferketten und die strategischen Überlegungen, die diesem Wandel zugrunde liegen. Im Rahmen der Studie wurden 1’000 Führungskräfte aus zehn unterschiedlichen Branchen aus Nord- und Südamerika, Europa und dem asiatisch- pazifischem Raum befragt.

Matthias Hégelé ist Supply Chain & Operations Lead bei Accenture DACH. Durch sein Fachwissen und seine Erfahrung unterstützt er Unternehmen dabei, komplexe Herausforderungen mithilfe von innovativen Technologien und einem fokussierten Team zu bewältigen. Seine Expertise liegt insbesondere in der Optimierung globaler Lieferketten und Betriebsabläufe, mit einem Schwerpunkt auf den Branchen Life Sciences, Konsumgüter, Agronomie und Chemie. https://www.accenture.com/de-de

Ähnliche Artikel

Kommentar hinterlassen