Vor dem Hintergrund der besonders prekären Situation in der Branche hat sich die Kombiverkehr KG gemeinsam mit anderen Intermodal-Anbietern und Verbänden mit einem Offenen Brief an den Bundesminister für Verkehr, Patrick Schnieder, und die neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Evelyn Palla, gewandt. Der Offene Brief informiert über die aktuellen besorgniserregenden Entwicklungen in den Bereichen Infrastruktur, Leistungsqualität, Trassenkosten und den weiteren bevorstehenden Auswirkungen der Generalsanierung auf besonders wichtigen Korridoren des Kombinierten Verkehrs.
Hupac, TX Logistik, ERFA, Fermerci, UIRR, SGKV und Kombiverkehr zeigen zugleich die jetzt notwendigen politischen Maßnahmen für eine Verbesserung der Situation auf.
Hier der Brief im Wortlaut:
Rückverlagerung von der Schiene auf die Straße
Rettet den Kombinierten Verkehr!
Sehr geehrter Herr Schnieder
Sehr geehrte Frau Palla,der Kombinierte Verkehr war über viele Jahre der Wachstumstreiber des Schienengüterverkehrs – ein Hoffnungsträger für eine erfolgreiche Klima- und Verkehrspolitik. Von der Straße auf die Schiene – das
schien selbstverständlich, mit jährlichen Wachstumsraten von drei bis sieben Prozent.
Doch damit ist nun Schluss. Nach Jahren des schleichenden Verfalls der Bahninfrastruktur ist die
Performance des Güterverkehrs miserabel, die Zuverlässigkeit im Keller, die Produktionskosten explodieren
durch Zugausfälle, Umleitungen und Verspätungen.Und jetzt kommen auch noch die Korridorsanierungen – zusätzlich zu den vielen bestehenden Baustellen,
Störungen und Engpässen. Für die jeweils sechsmonatigen Vollsperrungen werden Umleitungen in Aussicht
gestellt, deren wirtschaftliche Tragfähigkeit ungewiss ist. Erfahrungen aus bisherigen Bauphasen zeigen,
dass mit Einschränkungen wie kürzeren Zügen, güterverkehrsuntauglichen Streckenprofilen oder
deutlich längeren Laufwegen zu rechnen ist. Solche Bedingungen gefährden die Wettbewerbsfähigkeit
des Güterverkehrs auf der Schiene und führen zu Zugausfällen und Verkehrsverlagerungen auf die Straße.
Hinzu kommen stetig steigende Kosten für die Bahnnutzung. Seit 2023 sind die Trassenpreise um 19%
gestiegen, für 2026 ist mit weiteren Erhöhungen zwischen 25 und 35% % zu rechnen. Strafzahlungen für
kurzfristige Stornierungen werden erhoben – auch wenn viele Stornierungen direkte Folge der schlechten
Netzqualität sind. Selbst das Abstellen von Bahnwagen verursacht inzwischen erhebliche Kosten – jene
Wagen, die mangels Wettbewerbsfähigkeit außer Betrieb genommen werden müssen.
Das Ergebnis: Die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene schwindet. Während die Bahnpreise steigen,
bleiben die Kosten der Straße stabil oder sinken. Kein Wunder, dass selbst langjährige Kunden dem
Kombinierten Verkehr den Rücken kehren. Täglich erfahren wir von Rückverlagerungen auf die Straße –
ein Prozess, der sich schnell und kaum reversibel vollzieht. Wer einmal neue Lkw beschafft und Fahrer
eingestellt hat, bleibt meist dauerhaft dort.
Bereits heute ist der Trend sichtbar und dokumentierbar. Auf der Rheintalachse via Schweiz ging der
Kombinierte Verkehr in den vergangenen Jahren um 7,6 % zurück, während der Straßengüterverkehr um
7,2 % zunahm, was eine Rückverlagerung von 86.000 Lkw bedeutet. Für die kommenden Jahre rechnen wir
– infolge der Korridorsanierung – mit einem Rückgang der Schienengüterverkehrskapazität um 20 bis
30 % und mit Hunderttausenden zusätzlichen Lkw-Fahrten. Allein auf den großen alpenquerenden
Korridoren via Österreich und Schweiz sind das rund 500.000 zusätzliche Lkw-Sendungen – mit mehr
Emissionen, mehr Staus und höherem Unfallrisiko.
Die Rückverlagerung auf die Straße würde die über Jahrzehnte hinweg vom Bund getätigten Investitionen in eine moderne Terminalinfrastruktur – im Rahmen der Richtlinie für Umschlaganlagen des Kombinierten
Verkehrs – ad absurdum führen.
Auch die erheblichen europäischen Investitionen in die Schieneninfrastruktur, etwa in den Gotthard- oder
den Brenner-Basistunnel, würden mittel- bis langfristig entwertet. Diese Projekte wurden im Vertrauen
darauf realisiert, dass die Bundesrepublik Deutschland als wichtiger Wirtschaftsstandort und Transitkorridor die dafür notwendigen Kapazitäten bereitstellt und – damit einen wesentlichen Beitrag zur
Wettbewerbsfähigkeit Europas im globalen Vergleich, insbesondere gegenüber Asien, leistet.
Unsere Forderungen – Rettet den Kombinierten Verkehr!
Die Gleichgültigkeit der Verkehrspolitik gegenüber dem Kombinierten Verkehr ist besorgniserregend. Dabei
ist eine funktionierende Logistik die Lebensader der deutschen Industrie. Wir fordern kurzfristige und
mittelfristige Maßnahmen, um den drohenden Rückbau des Schienengüterverkehrs zu stoppen:
- Nullrunde bei den Trassenpreisen für 2026
- Eine Sofortmaßnahme mit Signalwirkung. Was für den Personenfernverkehr möglich ist, muss auch
für den Güterverkehr gelten. Unterschiedliche Behandlung der Verkehrssparten widerspricht dem
Prinzip der Diskriminierungsfreiheit.- Kapazitätsgarantie von mindestens 90 % der heutigen Transportleistung
- Bei allen Korridorsanierungen und längeren Baustellen.
- Ertüchtigung geeigneter Umleiterstrecken
- Gleiche Parameter für Zuglänge, Zuggewicht und Zugprofil wie auf den Hauptachsen.
- Trassenvergabe bei Engpässen nach Marktanforderung
- Berücksichtigung von Profil, Zuglast und Vertaktung, um möglichst viele Transporte auf der Schiene
zu halten.- Betriebserschwerniszulage für minderwertige Trassen während der Korridorsanierungen
- Zur Unterstützung von Verbindungen, die andernfalls eingestellt werden müssten. Mit Finanzierung
etwa über die CO2-Maut.- Aussetzung der Stornierungsentgelte Bis zur Wiederherstellung einer akzeptablen Netzqualität.
Sehr geehrter Herr Schnieder, sehr geehrte Frau Palla,
wir können nicht länger so tun, als sei alles in Ordnung. Auf dem Spiel steht die Versorgungssicherheit der
Industrie, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland, die Klimaziele – und für viele Unternehmen schlicht das wirtschaftliche Überleben.
Wir stehen bereit, gemeinsam mit Ihnen Lösungen zu erarbeiten, die den Sanierungsbedarf der Infrastruktur mit den Anforderungen der Logistik in Einklang bringen. Unser Anspruch ist es, den Kombinierten Verkehr als Rückgrat einer nachhaltigen, leistungsfähigen und klimafreundlichen Logistik
weiterzuentwickeln – im Interesse von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Die Branche ist bereit,
ihren Beitrag zu leisten Retten wir den Kombinierten Verkehr.Mit freundlichen Grüßen
Unternehmen und Verbände des Schienengüterverkehrs und des Kombinierten Verkehrs
ERFA European Rail Freight Association Dirk Stahl, Präsident
Fermerci Giuseppe Rizzi, Geschäftsführer
Hupac Michail Stahlhut, CEO
Kombiverkehr Armin Riedl, Geschäftsführer || Heiko Krebs, Geschäftsführer
SGKV Studienges. Kombinierter Verkehr Clemens Bochynek, Geschäftsführer
TX Logistik Albert Bastius, COO || Dirk Steffes, CSO
UIRR Union International Rail Road Ralf-Charley Schultze, Geschäftsführer
Foto: © Kombiverkehr



 
												