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3D-Druck hat das Potenzial zur Veränderung der Lieferketten 

von Loginfo24 Redaktion
Im Rahmen eines Fachforums auf der transport logistic 2025 drehte sich alles um eine Technologie, die zunehmend das Potenzial entfaltet, Lieferketten weltweit zu verändern: der industrielle 3D-Druck. Unter dem Titel „3D-Druck und die Auswirkungen auf den weltweiten Transport“ bot die Session eine Mischung aus verschiedenen Sichtweisen auf das Thema. Als Moderator begleitete Andreas Müller von der Logismedia Group AG das Programm. 

(München) Dr. Max Siebert, Mitgründer und Geschäftsführer von Replique, eröffnete die Session, mit der Schilderung wie sich der industrielle 3D-Druck von der Nischenlösung zur global skalierbaren Produktionsalternative entwickelt hat. Replique betreibt eine Plattform, die digitale Produktdaten mit einem weltweiten Netzwerk aus über 250 qualifizierten Fertigungspartnern verbindet. 

„Wir erleben einen Paradigmenwechsel“, so Siebert. Statt physischer Ersatzteilbevorratung treten digitale Lagerkonzepte, bei denen Konstruktionsdaten bei Bedarf lokal produziert werden. Für Hersteller bedeutet dies reduzierte Lagerhaltung, geringere Kapitalbindung und beschleunigte Reaktionszeiten. Anhand von Praxisfällen – etwa einem Kühlwasserkrümmer für einen Schiffsmotor oder optimierten Hydraulikblöcken – zeigte Siebert auf, wie flexible, dezentrale Produktion mit 100 % variablen Kostenstrukturen ermöglicht wird. 

Auch in der Automobilindustrie sei der Wandel greifbar: „In einem Projekt mit einem OEM haben wir Achsschenkel per 3D-Druck hergestellt – von der Anfrage über das digitale Modell bis zur Serienproduktion.“ Replique biete nicht nur die Produktion, sondern auch Engineering, Qualitätsmanagement und Systemintegration, beispielsweise in SAP Ariba. Der Logistiksektor wird dabei direkt tangiert: Transportvolumen verlagern sich, Versandwege verkürzen sich – oder entfallen gänzlich. 

Vom Lager zur Druckstation: Seifert Logistics setzt auf dezentrale Fertigung 

Im zweiten Vortrag beleuchtete Dr.-Ing. Fabian Frommer von der Seifert Logistics Group das Thema aus Sicht eines Logistikdienstleisters. Die zentrale These: 3D-Druck kann – integriert in logistische Prozesse – zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal werden. Frommer beschrieb, wie sich klassische Konzepte der Ersatzteillogistik in Richtung digitaler Lieferketten verschieben. 

„Das physische Lager wird durch das digitale Modell ersetzt“, erklärte er. In der Praxis bedeutet das: Statt auf Vorrat zu produzieren und über große Distanzen zu transportieren, können Ersatzteile direkt am Zielort erzeugt werden. Frommer nannte Beispiele aus der internen Prozessoptimierung und aus Kundenprojekten, bei denen Komponenten wie Luftverteiler oder Griffabdeckungen dezentral hergestellt und als Value-Added-Service eingebettet in logistische Abläufe übergeben werden. 

Besonders wichtig sei die vollständige Integration: vom CAD-Modell über die Produktionsplanung bis zur Montage. Der Logistikdienstleister werde dabei nicht verdrängt, sondern übernimmt neue Aufgaben – als Plattformbetreiber, Qualitätsmanager oder Betreuer dezentraler Produktionsnetzwerke. 

Wissenschaftliche Perspektive: Supply Chains im Wandel 

Den dritten Beitrag lieferte Dr. oec. Katrin Oettmeier von der OST – Ostschweizer Fachhochschule, die aus wissenschaftlicher und industrieller Sicht darlegte, wie der 3D-Druck Supply Chains tiefgreifend verändert. Im Fokus stand die Frage, welche Auswirkungen additive Fertigung auf zentrale Prozesse des Supply Chain Managements (SCM) hat. 

„Es entstehen neue Netzwerkstrukturen“, so Oettmeier. Klassische Glieder wie Materiallieferanten oder zentrale Produktionswerke könnten wegfallen, während neue Akteure – Plattformen, lokale Druckdienstleister – die Lieferkette ergänzen. Besonders stark beeinflusst würden die Bereiche Beschaffung, Produktentwicklung und Qualitätsmanagement. Oettmeier wies auf die hohe Designfreiheit beim 3D-Druck hin, die etwa Funktionsintegration und Leichtbau ermöglicht, sowie auf neue Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern und den Umgang mit Qualifikationsdaten. 

In Bezug auf die Transportbranche machte sie folgende differenzierte Einschätzung: Sendungsmengen könnten tendenziell gleichbleiben, Sendungsgewichte durch Leichtbau und Pulververarbeitung jedoch sinken. Transportdistanzen seien derzeit noch hoch – aufgrund zentralisierter Produktion – könnten sich aber durch Dezentralisierung mittelfristig deutlich reduzieren. 

Strategischer Wendepunkt für die Logistik 

Die Session verdeutlichte: Der 3D-Druck ist keine Zukunftsvision mehr, sondern ein zunehmend reifer Bestandteil industrieller Wertschöpfung. Für die Logistikbranche eröffnen sich dabei weitreichende Chancen – z.B. sich als Anbieter intelligenter, integrierter Produktionslösungen neu zu positionieren. 

Die zentralen Schlagworte lauteten: Dezentralisierung, Plattformökonomie, Flexibilisierung. Unternehmen, die frühzeitig auf additive Fertigung setzen, können nicht nur Prozesse optimieren, sondern sich auch gegen globale Lieferkettenrisiken wappnen. 

Der Transport wird durch 3D-Druck nicht abnehmen, aber er kann sich verändern. Mehr Transporte mit kurzen Distanzen und weniger Transporte vor allem im Bereich der Seefracht.

Foto: © Loginfo24 / Bildlegende (v.l.n.r.): Dr. Max Siebert (Replique), Dr. Katrin Oettmeier (Ostschweizer Fachhochschule), Dr. Fabian Frommer (Seifert Logistics) und Andreas Müller (Logismedia) 

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