Der Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP steht, die neue Linie wird sichtbar. Die Verkehrsverbände DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, das Deutsche Verkehrsforum (DVF) und der Verband Deutscher Reeder (VDR) äussern sich zu den Inhalten. Hier eine Zusammenfassung der Stellungnahmen der Verbandsvorsitzenden.
DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster
(Berlin) Der am 24. November 2021 vorgelegte Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP ist eine insgesamt ausgewogene Grundlage für eine zukunftsweisende Verkehrspolitik, so die erste Einschätzung des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. „Die Absichtserklärungen der Ampel-Parteien adressieren zahlreiche für die Logistik relevante Themenfelder. Erfreulich ist die grundlegende Feststellung der Koalitionäre, dass Mobilität ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge und für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Logistikstandorts Deutschland mit zukunftsfesten Arbeitsplätzen ist“, bemerkt DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Hierzu zählt auch die erhöhte Investitionsbereitschaft für den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur einschließlich Wasserstraßen, Hafenhinterland-Anbindungen und Glasfaserausbau.
Entscheidend wird, ob es der Politik tatsächlich gelingt, ausreichende Finanzmittel für die Infrastrukturinvestitionen zu generieren, die Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsprozessen voranzutreiben und zur Herstellung einer allgemeinen öffentlichen Akzeptanz der Bedarfsplanungsprüfung einen erfolgreichen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden voranzustellen.
Forderungen des DSLV zur Umsetzung der Klimaschutzanstrengungen werden in Teilen aufgenommen. Die Einführung einer CO2-Differenzierung bei der Lkw-Maut war bereits gesetzt – wichtig ist hingegen die Aussage, dass für die Wirtschaft Mehrfachbelastungen durch einen CO2-Preis ausgeschlossen werden sollen und staatliche Mehreinnahmen zurück in die Mobilität fließen sollen. „Die Formulierung lässt allerdings befürchten, dass an dieser Stelle der Finanzierungskreislauf Straße aufgebrochen wird“, kritisiert Huster. Zu begrüßen ist hingegen die Absicht, die Vorschläge der Europäischen Kommission für den Aufbau alternativer Tank- und Ladeinfrastruktur für Lkw zu unterstützen und dem Bedarf voranzuschalten.
Unterstützung für die Stärkung des Modal Splits
Der DSLV unterstützt die Absicht von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP, den Modal Split-Anteil des Schienengüterverkehrs zu stärken. Forderungen des DSLV nach einer weiteren Förderung von Terminals des Kombinierten Verkehrs, von Gleisanschlüssen und der Kranbarkeit von Lkw-Sattelaufliegern wurden ebenso berücksichtigt wie die Freistellung der Zu- und Ablaufverkehre von der Lkw-Maut. Zu vage bleiben die Ampel-Parteien hingegen bei der dringend erforderlichen Reform des integrierten Staatsunternehmens Deutsche Bahn, deren Infrastruktureinheiten innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammengelegt werden sollen. Huster: „Wichtig ist, dass sich der Wettbewerb auf dem Schienengüterverkehrsmarkt noch besser entfalten kann und der Zugang zum Verkehrsnetz weiterhin diskriminierungsfrei erfolgt.“
Für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Logistikstandortes Deutschland sind europäisch einheitliche Bedingungen für die Einfuhrumsatzsteuer ein wichtiger Baustein. Zu begrüßen ist deshalb die Absicht der Koalition, diese mit den Bundesländern weiterzuentwickeln.
Weg in modernes Arbeitsrecht verpasst
Leider verpassen die Ampel-Parteien den Weg in ein modernes Arbeitsrecht und werden dadurch dem Ruf als Fortschrittskoalition nicht gerecht. Statt das Arbeitszeitgesetz grundsätzlich an die Digitalisierungsfortschritte anzupassen, wollen SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP flexiblere Arbeitszeitmodelle allein auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen begrenzen.
Huster: „Die Logistik ist entscheidendes Scharnier zwischen den globalen Wertschöpfungsstufen von Industrie und Handel. Hierfür braucht die Branche politische Rahmenbedingungen, welche die ökonomischen, ökologischen und sozialen Säulen der Nachhaltigkeit stabilisieren. Der DSLV ist jederzeit offen für den konstruktiven Dialog mit der neuen Bundesregierung.“
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Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verband Deutscher Reeder (VDR)
(Hamburg) „Wir beglückwünschen die Koalitionsparteien, dass sie so zügig Ergebnisse präsentieren – denn die Zeit drängt. Der Koalitionsvertrag setzt nun einen guten Gestaltungsrahmen für die kommenden Gespräche zwischen der Seeschifffahrt, der neuen Bundesregierung und dem Bundestag. Wir blicken darauf sehr zuversichtlich.“
„Wir begrüßen, dass die Koalitionäre erkannt haben, dass die wirtschaftlichen Belastungen für die Schifffahrt auf dem Weg zur auch von uns angestrebten Klimaneutralität nicht so hoch sein dürfen, dass der Standort Deutschland geschwächt wird. Wir werden die Flotten modernisieren müssen und brauchen dafür auch externe Unterstützung.“
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Vorsitzender des DVF-Präsidiums Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner
(Berlin) Das Deutsche Verkehrsforum bewertet die verkehrspolitischen Vorhaben der zukünftigen Koalitionspartner von SPD, Grünen und FDP grundsätzlich positiv.
„Wir haben schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen gesagt, dass Finanzierung, Tempo und Akzeptanz die drei wichtigsten Themen für den neuen Verkehrsminister sind. Dem trägt der Koalitionsvertrag an vielen Stellen Rechnung“, würdigte der Vorsitzende des DVF-Präsidiums Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner den vorgelegten Entwurf. So seien der weitere Investitionshochlauf und die Einführung von Finanzierungskreisläufen für Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr, etwa bei der Maut oder der Luftverkehrsabgabe, wichtige Vorhaben. Dass die Koalition mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog die Grundvoraussetzungen zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung bereits im ersten Regierungsjahr schaffen wolle, sei der Dringlichkeit dieser Aufgabe angemessen. Das geplante Klimageld und das Festhalten am BEHG-Preispfad bis 2025 zeige, dass die Koalitionspartner die langfristige soziale Akzeptanz der Transformation sichern wollten.
„Von großer Bedeutung für den Verkehrsbereich sind die umfangreichen Vorhaben im Energiesektor“, betonte Klinkner. „Der rasche Ausbau von Anlagen und Netzen, die Entlastung beim Strompreis durch die Abschaffung der EEG-Umlage, die angestrebte Kopplung der Sektoren, die Einbeziehung des Straßenverkehrs in das europaweite Emissionshandelssystem – das alles sind unabdingbare Voraussetzungen für das Gelingen der großen Transformation im Mobilitätssektor, die das DVF schon lange gefordert hat.“
Dass die neue Bundesregierung das digitale Netz auf Glasfaserstandard und den neuesten Mobilfunkstandard bringen wolle, sei begrüßenswert, so der DVF-Präsident. „Jetzt ist es jedoch wichtig, nicht nur – wie angekündigt – Kompetenzen und Aufgaben, sondern auch die Förderstrukturen hierfür zusammenzuführen und den flächendeckenden Ausbau unbürokratisch voranzutreiben. Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Digitalisierung fehlt allerdings: die Stärkung des Bundes beim Datenschutz, um bundesweit einheitliche Standards bei der Anwendung des Rechtsrahmens zu garantieren.“
Herkunft der Investitionsmittel schuldig geblieben
Bei allen positiven Ansätzen vermisst DVF-Präsident Klinkner eine stärkere Absicherung des Investitionshochlaufs in der Infrastruktur durch Fondsmodelle, etwa bei Schiene und Wasserstraße – zumal der Koalitionsvertrag die Antwort auf die Frage nach der Herkunft der großen Investitionsmittel bei gleichzeitiger Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023 schuldig bleibe. „Es ist wichtig, dass wir die großen, vor uns liegenden Investitionsaufgaben bis zum Ende durchfinanzieren – das spart Zeit und senkt die Kosten. Hier fehlt es uns noch an Verbindlichkeit“, mahnte Klinkner.
„Dass wir uns bei der Umsetzung der Mobilitätswende die Innovationschancen nicht durch technologische Vorfestlegungen auf bestimmte Antriebsarten versperren, ist im Koalitionsvertrag angelegt. Jetzt geht es darum, durch konkrete Maßnahmen sicherzustellen, dass wir uns diese Offenheit auch tatsächlich erhalten“, forderte Klinkner abschließend.
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