BME und riskmethods veröffentlichen Ergebnisse der gemeinsamen Studie „Supply Chain Risk Management – Herausforderungen und Status quo 2020“. Festgestellt wurde, dass nur wenige Unternehmen einen Notfallplan für Lieferausfälle parat haben. Viele Unternehmen reagieren erst, wenn die Störung in der Lieferkette schon eingetreten ist.
(Eschborn) Die Risiken in den globalen Märkten und Lieferantennetzwerken nehmen weiter zu. So gut wie jedes Unternehmen ist davon betroffen. Doch die wenigsten halten Maßnahmenpläne parat, um im Ernstfall schnell auf Lieferausfälle reagieren zu können. Das ist das Ergebnis der Studie „Supply Chain Risk Management – Herausforderungen und Status quo 2020“, die der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und riskmethods, Marktführer im Bereich Supply Chain Risk Management, zum dritten Mal durchgeführt haben.
Plötzliche Lieferausfälle finden regelmäßig statt: Laut Umfrage berichtet jedes zweite Unternehmen von bis zu fünf Störungen innerhalb eines Jahres, die den Geschäftsablauf beeinträchtigt haben. Das ist eine Steigerung von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nur 14 Prozent der Firmen sind in den vergangenen zwölf Monaten verschont geblieben. Trotzdem hat nur ein Viertel der Befragten Notfallpläne definiert, um auf Störungen vorbereitet zu sein – obwohl die Folgen von Lieferkettenunterbrechungen gravierend sind. Über der Hälfte der Befragten beklagt Umsatzverluste, Produktivitätseinbußen (+7 Prozent zum Vorjahr) und erhöhte Betriebskosten (+8 Prozent).
Rüsten für Engpässe
„Einkäufer, Logistiker und Supply Chain Manager haben sich in den vergangenen Jahren mit einer Vielzahl von Krisen auseinandersetzen müssen. Allein die Lockdowns aufgrund der Corona-Pandemie ließen viele Lieferketten rund um den Globus stocken oder gar reißen. Deshalb gilt es, sich für künftige Engpässe bestmöglich zu rüsten und mögliche Störungen in der Lieferkette durch ein proaktives Risikomanagement signifikant zu verringern oder komplett auszuschalten“, betont BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Silvius Grobosch.
Saubere Lieferketten verstärkt im Blickfeld
Politische Risiken stehen weiterhin an erster Stelle der Gefährdungen. Es folgen Lieferanteninsolvenz- und Cyber-Sicherheitsrisiken, die gegenüber der letzten Umfrage deutlich um 50 Prozent bzw. 18 Prozent häufiger genannt werden. Auch die Themen Nachhaltigkeit und Compliance sind aktueller denn je. Die Unternehmen sehen sich strengeren Sorgfalts- und Haftungsregeln, wie etwa durch das geplante Lieferkettengesetz, ausgesetzt. Mehr als die Hälfte der Befragten befürchtet schwere und sogar existenzbedrohende Schäden für das Unternehmen, wenn auf den Zulieferstufen soziale und ökologische Standards nicht eingehalten werden und dadurch Imageschäden, Umsatzverluste oder Bußgelder drohen. Das Pandemierisiko wurde erstmals zur Liste hinzugefügt und steht an fünfter Stelle.
Zunehmende Probleme bei Sub-Lieferanten
Ein Problem: Unternehmen überwachen mehrheitlich ihre direkten Lieferanten. Immer häufiger werden Unterbrechungen aber von Sub-Lieferanten verursacht, wie 45 Prozent der Befragten melden. Doch nur 24 Prozent haben die tieferen Lieferebenen auf dem Radar, das heißt drei Viertel der Firmen wissen nicht, wo sie am anfälligsten sind.
Acht Prozent können die Quelle der Störung gar nicht identifizieren. Und nur sechs Prozent quantifizieren die finanziellen Folgen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass jede fünfte Lieferkettenunterbrechung Schäden zwischen einer Viertel und einer Million Euro und mehr nach sich zieht.
Mehr als die Hälfte (63 Prozent) der Teilnehmer erfährt von Problemen bei Sub-Lieferanten nach eigener Einschätzung gar nicht oder zu spät. „Dadurch sind sie nicht in der Lage, zeitnah die richtigen Maßnahmen zur Schadensreduktion zu ergreifen. Das kann zu höheren Einkaufspreisen bei alternativen Lieferanten oder der kompletten Nichtverfügbarkeit von Komponenten führen – beides Mal ein hohes Verlustgeschäft. Mehr Transparenz im gesamten Liefernetzwerk hilft, finanzielle Schäden und Produktionsausfälle zu vermeiden“, erklärt Heiko Schwarz, Chief Revenue Officer und Gründer von riskmethods.
Mangelnde Risikoüberwachung
Fast jedes zweite Unternehmen (44 Prozent) reagiert erst dann, wenn eine Störung in der Lieferkette schon eingetreten ist. Überwiegend reduziert sich die Risikoüberwachung auf die Lieferantenanalyse und -bewertung. Indikatoren wie Qualität und Performance (79 Prozent) sowie Finanzkennzahlen und Bonitäten (71 Prozent) stehen dabei im Vordergrund. Frühwarnzeichen wie Veränderungen beim Lieferanten oder globale Länder- und Standort-Risiken (z.B. Naturkatastrophen, Streiks, Brände und Explosionen an Standorten oder Logistikknotenpunkten) hat weniger als die Hälfte der Firmen kontinuierlich auf dem Radar. Cyber-Risiken überwachen gerade einmal zwölf Prozent.
Moderne Software beschleunigt Gefahrerkennung
Alle diese Risiken im Griff zu haben setzt ein umfassendes Risikomanagement voraus. 67 Prozent der Einkaufs- und Supply-Chain-Manager halten das auch für wünschenswert, verfügen aber oft nicht über die notwendigen Kapazitäten und Budgets, zum Beispiel für den Einsatz moderner Technologie und digital gestützter Analytik, ohne die das für eine durchgängige Risikoüberwachung nötige Sammeln von Daten und Einrichten von Informationsflüssen nicht möglich ist. Nur acht Prozent der Unternehmen überwachen ihre Risiken automatisiert, 58 Prozent behelfen sich manuell mit Excel-Tabellen.
„Wir sehen, dass Digitalisierung und Prozessautomatisierung bei vielen Unternehmen derzeit ganz oben auf der Wunschliste stehen. Moderne Technologien wie AI-basierte Software beschleunigen beispielsweise die Bedrohungserkennung und helfen so, frühzeitig zu reagieren. Organisationen, die sich hier neu ausrichten, haben einen Wettbewerbsvorteil“, so Risk-Experte Heiko Schwarz.
Foto: © wokandapix/pixabay.com