Die globale Logistik steht an einem Wendepunkt. Nach Jahren der Instabilität – geprägt von geopolitischen Spannungen, Lieferkettenbrüchen, steigenden Regulierungsanforderungen und einem strukturellen Arbeitskräftemangel – zeigt sich: Resilienz ist kein Zufallsprodukt mehr, sondern ein gestalteter Prozess. Der Trendbericht „Designing for Disruption 2026“ von Alpega liefert einen selten klaren Blick darauf, wie Unternehmen ihre Strukturen umbauen müssen, um in einer Ära permanenter Unsicherheit bestehen zu können.
(Dortmund) Der jahrzehntelang dominierende Effizienzfokus verliert rasant an Bedeutung. Stattdessen rücken Geschwindigkeit, Flexibilität und Risikominimierung in den Vordergrund. Immer mehr Hersteller verlagern Produktions- und Beschaffungsstrukturen zurück in die Nähe ihrer Absatzmärkte – ein Schritt, der nicht nur Transportwege verkürzt, sondern Lieferketten auch widerstandsfähiger gegen politische und wirtschaftliche Schocks macht. Parallel wächst die Bedeutung digitaler Transparenzsysteme, die den Blick auf Risiken, Kapazitäten und Echtzeitdaten schärfen.
Die zunehmende Regelungsdichte – von der EU-Abholzungsverordnung über CBAM bis hin zu strengeren Zollvorgaben – zwingt Unternehmen, Compliance nicht länger als Backoffice-Thema zu behandeln. Wer seine Ursprungsdaten, Klassifikationen oder Lieferantennachweise nicht im Griff hat, riskiert schon heute zweistellige Millionenschäden. Der Bericht zeigt: Die nächsten Jahre werden jene Unternehmen belohnen, die Compliance strategisch verankern und nicht nur verwalten.
Kaum ein Thema prägt die Logistik so stark wie der Personalmangel. Frachtführer nennen ihn als grösstes Risiko für 2026. Unternehmen reagieren mit einem Paradigmenwechsel: Sie gestalten Lager- und Transportnetzwerke wieder stärker nach dem verfügbaren Arbeitskräftepotenzial – und setzen gleichzeitig auf skalierbare Automatisierungslösungen, die kurzfristig unterstützen und langfristig Unabhängigkeit schaffen.
KI wird zum Co-Piloten – nicht zum Ersatz
Künstliche Intelligenz erreicht die operative Realität der Logistik. KI optimiert Ladungsauslastung, prognostiziert Störungen und unterstützt taktische Entscheidungen. Besonders effizient wirkt sie in der Ladeplanung: Steigerungen von 20 bis 30 Prozent bei der Lkw-Auslastung sind in ersten Projekten Realität. Gleichzeitig betonen Experten, dass KI die menschliche Urteilskraft ergänzt, nicht ersetzt. Neue Rollenprofile entstehen, geprägt von Datenkompetenz, Prozessverständnis und Szenarioplanung.
Spätestens mit ETS2, steigenden CO₂-Kosten und strengeren Nachhaltigkeitsvorgaben steigt der Druck, Emissionen systematisch zu reduzieren. Führende Unternehmen integrieren CO₂-Kriterien bereits in Ausschreibungen, machen Moduswechsel prüfbar und nutzen Biokraftstoffe oder Elektrifizierung als Wettbewerbsvorteil. Nachhaltigkeit wird damit zunehmend zu einem wirtschaftlichen Faktor – nicht zu einem moralischen.
Readiness-Lücke: Früher wissen, aber nicht schneller reagieren
Der Bericht zeigt eine ambivalente Realität: Unternehmen verfügen über immer bessere Daten und Warnsysteme – doch viele haben keine klar definierten Prozesse, um im Ernstfall schnell zu reagieren. Fehlende Störfallhandbücher, schwache Failover-Mechanismen oder unklare Verantwortlichkeiten sorgen dafür, dass die Zeit bis zur Erholung im Krisenfall länger bleibt, als sie sein müsste.
Resilienz entsteht durch Design, nicht durch Hoffnung
Die Botschaft des Trendberichts ist eindeutig: 2026 wird ein Jahr, in dem sich entscheidet, wer bereit ist für die nächste Disruption – und wer sie teuer bezahlt. Unternehmen, die ihre Netzwerke modernisieren, Compliance strategisch denken, KI gezielt einsetzen und ökologische Kriterien in die Beschaffung integrieren, werden gestärkt aus dem Wandel hervorgehen. Die Zeit des Reagierens ist vorbei. Jetzt wird gestaltet.
Foto: © Alpega



