Deutschland verliert zunehmend Luftfracht an internationale Drehkreuze, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. „Die staatlichen Standortkosten sind viel zu hoch. Es wird immer teurer, Luftfracht über Deutschland abzuwickeln“, sendete Dr. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), ein Alarmsignal beim aktuellen Treffen des aircargo club deutschland (acd) in Frankfurt.
(Frankfurt) Besonders gravierend ist diese Entwicklung, weil Luftfracht für die deutsche Wirtschaft von überragender Bedeutung ist. Keine andere Transportart bewegt so hochwertige Güter: Der Warenwert der per Flugzeug transportierten Güter beträgt durchschnittlich 152.807 Euro pro Tonne. Zum Vergleich: Auf der Straße liegt der Wert bei 6.525 Euro, auf dem Schiff bei 2.493 Euro und auf der Schiene bei 2.090 Euro. Damit ist das Flugzeug für die Exportnation Deutschland das zentrale Verkehrsmittel für wertschöpfungsintensive Waren.
Immer mehr Sendungen für Deutschland werden über Hubs im benachbarten Ausland abgewickelt. Hinzukommt, dass Drehkreuze in Doha, Dubai oder Baku in großem Umfang globale Warenströme zu sich umlenken. Viele dieser Standorte erhalten gezielt staatliche Förderungen, was zu Wettbewerbsvorteilen führt und die deutsche Branche unverschuldet in Bedrängnis bringt.
Auch deutsche Speditionen weichen in wachsendem Maße auf ausländische Standorte aus. Ein Drittel von ihnen nutzt für Luftfrachtsendungen von und nach Deutschland kaum noch die hiesigen Flughäfen. Gründe dafür sind vor allem hohe Standortkosten, Übererfüllung von EU-Recht, unnötige Bürokratie und Probleme bei der Verzollung. Während ein Langstrecken-Frachtflug in Frankfurt zum Beispiel mit rund 1.500 Euro Flugsicherungsgebühren belastet wird, betragen die Kosten in Istanbul nur 72 Euro, in Lüttich sogar 0 Euro. Die Folge: Deutschland verlor 2023 rund 62.000 Tonnen Luftfracht ins Ausland. Vor 2019 war die Bilanz noch positiv, damals konnte Deutschland 206.000 Tonnen aus dem Ausland gewinnen.
Dr. Lang machte deutlich, dass ohne eine Entlastung der Branche die Abwanderung weitergehen wird. Der BDL fordert daher unter anderem eine Absenkung der Luftverkehrsteuer, eine anteilige Übernahme der Fixkosten der Flugsicherung durch den Bund, die Rücknahme jüngster Gebührenerhöhungen sowie speziell für den Bereich Luftfracht den Abbau diverser bürokratischer Hürden und beschleunigte Digitalisierung von Prozessen Dazu hat der Verband in diesem Jahr ein detailliertes Fünf-Punkte-Programm vorgelegt und erste Gespräche mit zuständigen Behörden und Ministerien aufgenommen.
Notwendigkeit von Entlastungen
acd-Präsident Prof. Dr. Christopher W. Stoller hob die Notwendigkeit von Entlastungen für die wirtschaftliche Entwicklung hervor: „Die Luftfracht ist unverzichtbar für die Exportnation Deutschland und ihre industrielle Stärke. Umso wichtiger ist es, dass wir die Interessen der Branche klar benennen und gegenüber der Politik mit Nachdruck vertreten.“
Foto: © Aircargo Club Deutschland