Die Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr e.V. (SGKV) ist seit Jahren als gemeinnütziger Verein aktiv, um relevante Akteure rund um den intermodalen Güterverkehr zusammenzubringen. Dipl.-Geogr. Clemens Bochynek, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des SGKV, sieht für den Kombinierten Verkehr auch mit der bestehenden Infrastruktur noch viel Luft nach oben.
Von: Andreas Müller
(Berlin) Die Nachhaltigkeit entlang der Lieferketten beschäftigt momentan Verlader aus Industrie und Handel sowie Logistikdienstleister gleichermassen. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Druck auf die Energieeffizienz noch verstärkt.
Kein Wunder wird da der Ruf nach mehr Schienengüterverkehr immer lauter. Kurzfristiges Wachstumspotenzial hat in diesem Sektor insbesondere der Kombinierte Verkehr Strasse/Schiene. Schon seit über 80 Jahren engagiert sich die Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr e.V. (SGKV) für den intermodalen Verkehr. Sie bringt alle Teilnehmer, wie Verlader; Reedereien, Hafenbetreiber, Bahnoperateure, Terminalbetreiber oder Strassentransporteure zusammen. Die SGKV beteiligt sich auch an vielen Studien und Projekten.
Auf der Webseite der SGKV gibt es viele Tools zur Erklärung des intermodalen Verkehrs. Interessiert sich beispielsweise ein Logistikdienstleister dafür, auf den Kombinierten Verkehr umzusteigen, so findet er dort die wichtigsten Merkmale, die es zu berücksichtigen gilt.
Was ist multimodaler, intermodaler oder Kombinierter Verkehr?
Doch was ist überhaupt intermodaler oder Kombinierter Verkehr. Clemens Bochynek, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim SGKV versucht es mit wenigen Worten zusammenzufassen: „Als multimodalen Verkehr bezeichnet man generell den Wechsel zwischen mindestens zwei Verkehrsträgern. Das können zum Beispiel Baumstämme sein, die vom LKW auf die Bahn und dann wieder auf den LKW verladen werden. Der intermodale Verkehr bezeichnet den Wechsel von Verkehrsträgern eines Ladungsträgers, wie Container oder Wechselbrücken. Und der Kombinierte Verkehr schliesslich bezeichnet den Wechsel von Verkehrsträgern eines Ladungsträgers mit einem kurzen Vor- und Nachlauf auf der Straße.“
Kombinierter Verkehr ist kein „Hauruck-Projekt“
Bochynek weist darauf hin, dass eine Umstellung der Transporte auf den Kombinierten Verkehr keine ad hoc-Entscheidung ist: „Die Umstellung auf den Kombinierten Verkehr ist zunächst eine strategische Entscheidung, die umfassende Abklärungen und dementsprechend eine lange Vorbereitungszeit benötigt.“
Es ist aber mit Investitionen in das entsprechende Equipment, wie Wechselbrücken und -koffer oder kranbare Sattelauflieger verbunden. Kleinere Speditionen mit vorwiegend lokaler Präsenz müssen abklären, ob ihre bisherigen Partner noch die Voraussetzungen erfüllen. Auch die Distanz zum nächsten Terminal und vieles mehr gilt es beim Entscheid mit einzubeziehen.
Während der Ausbildung kommt der intermodale Verkehr zu kurz
Bochynek erwähnt, dass in den meisten Firmen, auch bei Logistikdienstleistern, vertiefte Kenntnisse über den intermodalen Verkehr fehlen. „In der Ausbildung und in den Schulungen kommt das Kapitel Intermodal ganz eindeutig zu kurz.“ stellt Bochynek fest.
Das fehlende Wissen um diese Transportart ist eine der Barrieren, warum sich immer noch viele Logistikdienstleister nicht an dieses Thema heranwagen.
Der Druck von allen Seiten nimmt zu
Die Nachhaltigkeit generell, aber speziell im Transport und entlang den Lieferketten, nimmt aber seit zwei bis drei Jahren ständig zu. Alle Beteiligten sind gezwungen darauf einzugehen. Der Ruf nach mehr Schienengüterverkehr wird hörbar lauter.
Aber auch von anderer Seite besteht Handlungsbedarf. Der Fachkräftemangel, insbesondere beim Fahrpersonal, kann durch den Einstieg in den Kombinierten Verkehr, abgefedert werden. Fahrpersonal zu gewinnen kann einfacher sein, wenn es am Abend dort Feierabend gibt, wo die Fahrer leben. Auch das Thema Lenk- und Ruhezeiten kann eine Motivation sein.
Durch Digitalisierung 15 – 20 Prozent mehr herausholen
Da der Ausbau von Schienentrassen und sonstiger Bahninfrastruktur, von der Planung bis zur Fertigstellung zwischen 20 und 30 Jahren beansprucht, geht es jetzt darum, die bestehende Infrastruktur besser zu nützen.
„Die bessere Nutzung der bestehenden Trassen und Terminals kann nur mittels Digitalisierung geschehen. Diverse Plattformen bieten hier Möglichkeiten alle Partner des intermodalen Verkehrs miteinander zu verknüpfen,“ so Bochynek.
Über Plattformen können zum Beispiel Restkapazitäten auf den bestehenden Linien vermarktet werden. Ebenfalls können alle Marktpartner auf die bestehenden Daten zurückgreifen, was die Abwicklung erleichtert. Auch die Transparenz wird erhöht, die Beteiligten können ihre Behälter resp. ihre Sendungen verfolgen und so besser planen.
Bochynek weiter: „Bei einer optimalen Nutzung der Digitalisierungsmöglichkeiten liegt eine Erhöhung im Kombinierten Verkehr von 15 bis 20 Prozent in Deutschland und europaweit im Rahmen des Möglichen.“ Das muss parallel zum weiterhin dringend notwendigen Infrastrukturausbau geschehen.“
Die Erhöhung bei der Nutzung wird auch deshalb wichtig, wenn man die Entwicklung des Güterverkehrs in Europa betrachtet. Allein in Deutschland waren es im 2020 47 Milliarden Tonnenkilometer im KV Schiene und für 2030 wird ein Volumen von 66 Milliarden Tonnenkilometern erwartet, und das ohne Berücksichtigung der Zielstellungen zur weiteren Verlagerung von der Straße auf Schiene und Binnenschiff. Der Anteil des Kombinierten Verkehrs am Schienengüterverkehr in Deutschland liegt bereits heute bei 40 Prozent, Tendenz steigend. Allein dadurch wird es notwendig die bestehende Infrastruktur für den Kombinierten Verkehr besser auszulasten.
Auch bei Elektrifizierung der Strasse bleibt Kombinierter Verkehr im Vorteil
Die Anstrengungen der Nutzfahrzeughersteller und der Kunden bei der Herstellung von Fahrzeugen mit Alternativen Antrieben (Vollelektrisch, Wasserstoff, CNG/LNG, etc.) gehen rasant voran. Aber selbst, wenn die Strasse einst zu 100 Prozent CO2-neutral wird, bleibt der Kombinierte Verkehr die sauberere Variante.
„Der intermodale Verkehr hat den Vorteil der Bündelungsfähigkeit und die höhere Energieeffizienz und das bleibt bestehen. Zudem wird dann auch der Vor- und Nachlauf CO2-neutral, was hier die Emissionsbilanz noch einmal verbessert,“ sieht Bochynek die Nachhaltigkeitsvorteile auch langfristig bei der Schiene.
Terminaltag am 10. November 2022 in Berlin
Für weitere Informationen und zur Anmeldung bitte in das nachstehende Bild klicken:
Die SGKV beteiligt sich an vielen Projekten, gibt Hilfestellungen beim Einstieg in die Intermodalität, gibt auf der eigenen Webseite alle notwendigen Informationen und Tipps zum Kombinierten Verkehr und organisiert auch themenrelevante Veranstaltungen.
So findet am 10. November 2022 in Berlin der 7. Terminaltag statt. Ein reichbefrachtetes Programm, mit Experten des Kombinierten Verkehrs als Referenten, wartet auf die Teilnehmer. Eine weitere Möglichkeit die Thematik zu vertiefen.
Dipl.-Geogr. Clemens Bochynek, ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des SGKV. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Institut für Verkehrsforschung im Bereich Wirtschaftsverkehr, ist er seit 2010 bei der SGKV tätig, seit 2016 geschäftsführendes Vorstandsmitglied.
Im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des BMUB war er in die Projekte „ERFA –KV“ und „SYSLOG+“ eingebunden und forcierte die Integration von Wissensinhalten zum Kombinierten Verkehr in die Berufsausbildung und den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen für zukünftige Verkehrsverlagerung.
Bochynek führt weiterhin die Beratung des BMDV in Fachfragen des KV durch und ist unterstützend in die Begutachtung von Anträgen zum Neu- und Ausbau von Umschlaganlagen des KV für Deutschland (EBA, GDWS) und die Schweiz (BAV) eingebunden.
Für das B.I.C. in Paris (https://www.bic-code.org/) übernimmt er die Funktion der National Registry Organisation (NRO) für den deutschsprachigen Raum (D, CH, AT) und ist Mitglied des leitenden Board of Directors des B.I.C.
Er ist zudem Mitglied des Runden Tischs Schienengüterverkehr der Branche und des BMDV und der Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Masterplans Schienengüterverkehr sowie MoU Peer des europäischen Verbands des KV Schiene-Straße (UIRR, https://www.uirr.com/) für strategische europäische Fragen zur Entwicklung des KV.
Fotos und Grafiken: © SGKV