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Soll die Deutsche Bahn DB Schenker wirklich verkaufen?

von Andreas Müller
Verkauft die Deutsche Bahn ihre Logistiktochter DB Schenker oder nicht? Und wäre das überhaupt sinnvoll? Die Spekulationen verstärkten sich im Herbst 2021 vor den Bundestagswahlen in Deutschland. Es wurde gemutmasst, dass die neue Bundesregierung zu so einem Schritt eher bereit wäre. Warum auch immer. Es gibt einige Aspekte dafür, aber auch viele dagegen. Loginfo24 mit Gedanken zu dieser für die Logistik elementaren Frage.

Von Andreas Müller

(Berlin/Mainz/Essen) Die Deutsche Bahn als Ganzes ist ein „Fass ohne Boden“, anders kann man es nicht sagen. Dies zumindest aus finanzieller Sicht. Natürlich hat eine Bahn auch einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen und ist für viele Bürger im Personenverkehr unverzichtbar. Sei es für den Weg zur Arbeit, sei es für Freizeit und Urlaub. Darum darf man nicht jeden Euro Verlust aufwiegen, wie bei einem privaten Konzern.

Aber da gibt es auch noch die Sparte Güterverkehr unter der Vorherrschaft der DB Cargo. In diesem Bereich gibt es viele Tochterfirmen oder Beteiligungen, die zusammen ein Konstrukt ergeben, welches dafür sorgt, dass im Güterverkehr auf der Schiene an der DB Cargo oder einer ihrer Gesellschaften und der von ihr dominierten Beteiligungen (z.B. Kombiverkehr, Transfracht, DUSS, etc.) niemand vorbeikommt. Und wo noch letzte Zweifel bestehen an der Vorherrschaft, gibt es ja im DB-Verbund noch die DB Netz AG. Natürlich ist diese neutral, aber Konzern ist Konzern und da gilt dann die Devise „Das Hemd ist näher als die Hose“.

Es hilft aber dennoch nichts und das gesamte Konglomerat schreibt, trotz den diversen Vorteilen, Jahr für Jahr riesige Verluste. Natürlich ist es der Personenverkehr, der am meisten zu den roten Zahlen beiträgt, seit Corona im März 2020 erst recht, aber die Gütersparte trägt ebenfalls heftig dazu bei. Und da ist noch die DB Netz mit einem riesigen Rennovations-Stau. Allein um die tausend Brücken müssten dringend saniert werden. Das geht in die Milliarden.

Der Slogan „Güter gehören auf die Schiene“ allein bringt noch nichts

Momentan laufen unter der neuen Regierung zwar riesige Bemühungen unter dem Motto „Güter gehören auf die Schiene“. Das ist auch lobenswert und es werden intensive Anstrengungen unternommen. Und klar ist auch, dass längst nicht alle Potentiale ausgeschöpft wurden und werden, wie man Güter auf die Schiene bekommt. Insbesondere im intermodalen Verkehr (Kombinierten Verkehr) gibt es noch Luft nach oben. Aber vielfach wird vergessen, dass gerade auch beim intermodalen Verkehr die Strasse eine entscheidende Rolle spielt. Vielfach werden mit leeren Wechselbrücken und leeren Containern hunderte von Leerkilometern zurückgelegt. Die Rückladung ist meist nicht da, wo die Behältnisse leer werden. Zumindest nicht ausserhalb der Ballungsgebiete.

Ein Lichtblick im momentan trüben Umfeld der Deutschen Bahn ist die Logistiktochter DB Schenker. Diese feiert heuer das 150jährige Bestehen. Was einst der Schweizer Gottfried Schenker im Jahr 1872 in Wien gegründet hat, ist heute ein Weltkonzern. Und ist heute das „Goldene Kalb“ innerhalb des DB-Konzerns.

Mit dem Slogan „Güter gehören auf die Schiene“ lässt sich noch kein Geld verdienen.


Wie könnten die „Löcher“ gestopft werden?

Zurzeit die meistdiskutierte Möglichkeit zur Entschuldung der Deutschen Bahn (das Magazin „Finance“ berichtet* von Schulden in Höhe von rund 32 Mia. EURO) wäre ein Verkauf von DB Schenker. Wie das Magazin weiter berichtet, bringen sich auch schon Private Equitys, wie CVC und Carlyle oder auch Bain und Adventin in Stellung. Blackstone und KKR machen sich  ebenfalls Gedanken. Hartnäckig wird aber auch über den dänischen Logistikgiganten DSV gesprochen, welcher ein Interesse an einer Übernahme zeigen soll.

Die Frage ist, was ein Käufer mit DB Schenker macht. Private Equitys werden den Konzern verschlanken und dann weiterreichen wollen. Der eine schneller als der andere. Ein Konkurrent, wie DSV, würde sich DB Schenker einverleiben und in überschaubarer Zeit werden vom Traditionsbetrieb keine Spuren mehr zurückbleiben. Gerade DSV hat bewiesen, dass man bei der Integration von Akquisitionen ein forsches Tempo hinlegen kann. Von dem 2019 übernommenen Logistikkonzern Panalpina sind beinahe schon alle Spuren verwischt. Zurzeit wird mit Agility gerade ein zweiter Logistikkonzern aus der Logistiklandkarte gelöscht. Das würde mit DB Schenker nicht anders laufen. Zudem würde vor allem DB Cargo das Risiko eingehen, nach einem Verkauf einen Grosskunden oder zumindest sehr viele Aufträge zu verlieren.

Es gibt auch nicht viele Konkurrenten in der Branche der Logistikdienstleister, die in der Lage sind, eine Kaufsumme, wie die geschätzten 15 – 20 Mia. EURO zu bewältigen. Spontan kämen einem da eher Carrier, wie die grossen Reedereien in den Sinn, die sich in den letzten Jahren mächtig diversifiziert haben, allen voran die dänische Maersk oder die Franzosen von CMA CGM. Gerüchte über Maersk kursieren auch, wurden aber bisher dementiert.

Ganz klar aber ist, dass die Übernahme durch einen Konkurrenten, die Branche heftig durcheinander wirbeln würde. Gerade sind die Bücher vieler Logistikdienstleister vor allem aufgrund von Corona voll und wenn man sich auch keine Übernahme in diesem Stil leisten kann, so gibt es viele, die gewillt sind, gute Leute in ganzen Teams abzuwerben und sich an einzelnen Standorten zu verstärken. Wie z. B. soeben in der Schweiz, wo ein beachtliches Team von ehemaligen Agility-Leuten künftig den Logistikdienstleister JAS Forwarding verstärkt. Wohl nur ein Beispiel von vielen.

Wie lange noch wehen die Fahnen der Traditionsmarke DB Schenker?


Soll DB Schenker an die Börse gebracht werden?

Wie die „Finance“ weiter berichtet, ist ein Börsengang von DB Schenker keine Option. Dies ist aber die Sicht des Magazins. Von der DB heisst es, wird dies auch geprüft. Die DB könne mit einem Verkauf auf einen Schlag seine Schulden von rund 32 Mia. EURO halbieren. Schenker erwartet für 2021 einen Gewinn von 1 Mia. EURO und trotzdem wird die Bahn einen Verlust von 1,9 Mia. EURO einfahren. Allerdings zu Corona-Zeiten. Das dürfte sich schon 2022 erheblich verbessern. Gleichzeitig kommen vielleicht viele Berufspendler aufgrund von Corona und Homeoffice nur teilweise oder gar nicht mehr zurück. Das wird sich noch weisen.

Auch ist nicht evaluiert, was ein Börsengang bringen würde. Der ähnlich gelagerte Konkurrent Kühne+Nagel erreicht an der Börse zurzeit eine Marktkapitalisierung von 30.83 Mia. Schweizer Franken (ca. 29 Mia. EURO), bei einem Aktienkurs von aktuell um die 250 CHF (ca. 208 EURO). Hätte DB Schenker in etwas das gleiche Potential? Es ist Aufgabe der Experten das zu analysieren. Aber das Umfeld für einen weltweit breitaufgestellten Logistikdienstleister ist momentan sicher optimal und die mittelfristigen Aussichten stehen ebenfalls gut. Also wenn nicht jetzt ein „Going public“, wann dann?

DB Schenker so lassen, wie es ist?

Die Deutsche Bahn könnte natürlich auch alles beim Alten belassen. Es herrscht ja in dem Sinn keine Not. Fest steht, momentan ist eine sehr gute Zeit für einen Verkauf oder für einen Börsengang. Generell herrscht eine gute Zeit für breit aufgestellte Logistikdienstleister und die fetten Gewinnmitnahmen aus den Erträgen sind ja auch nicht zu verachten. 1 Mia. EURO Gewinn für das Jahr 2021 ist doch eine hübsche Summe mit der sich etwas anfangen lässt.

Fazit

Irgendeine Massnahme in Bezug auf DB Schenker gibt allerdings nur dann einen Sinn, wenn die Deutsche Bahn seine Gütersparte generell einmal hinterfragt. Da ist aber auch der Eigner gefordert, nämlich der Deutsche Staat, sprich die neue Deutsche Bundesregierung. Ist es wirklich die einzige Strategie, in dem man ausruft „Güter gehören auf die Schiene“? Versucht man mit regulatorischen Massnahmen, die Strasse „künstlich“ zu verteuern, um mehr Güter auf die Schiene zu locken oder geht man, trotz der eigenen Marktmacht, endlich den Weg, sich dem Wettbewerb zu stellen? Dazu passt auch eine Meldung des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen (NEE), welches eine Untersuchung der EU-Kommission gegen Deutschland wegen „Beihilfe zu Gunsten der DB Cargo“ begrüsst:  https://bit.ly/3ruSAJ6 und www.netzwerk-bahnen.de

Transportlogistik wird ohne Strasse nie funktionieren. Sicher; es braucht auch die Bahn. Aber Kunden und Logistikdienstleister haben gelernt, auch ohne Bahn zu funktionieren, zu oft gibt es Unwegsamkeiten beim Transport auf der Schiene, so dass die Beteiligten gezwungen sind, andere Lösungen zu suchen. Sei es in Bezug auf Laufzeiten, sei es in Bezug auf die Kosten. Auch der Kombinierte Verkehr (Intermodal) allein löst nicht alle Probleme. Auch muss man akzeptieren, dass die Infrastruktur begrenzt ist. Ein Ausbau der Schiene wurde versäumt und das nachzuholen ist in dem Bereich nicht eine Frage von Jahren, sondern von Jahrzehnten. Selbst der Ruf nach Nachhaltigkeit und ein zügiger Ausbau der restlichen Elektrifizierung bringen nur kurzfristig Vorteile. Denn auch die Beteiligten am Strassentransport, die Hersteller von Nutzfahrzeugen und die Transporteure und deren Verbände, rüsten in diesem Bereich gewaltig auf (E-Mobilität, Wasserstoff, CNG, etc.). Und auf eines konnte man sich immer verlassen: Die Logistikdienstleister nutzen, da wo es möglich ist und Sinn ergibt, schon immer die Bahn. Am deutlichsten wird dies bei den Verkehren von und nach den Seehäfen. Will heissen: „Wo die Schiene funktioniert, wird sie auch genutzt!“

Der Güterbereich der Deutschen Bahn muss effizienter werden und sich nach den Bedürfnissen des Marktes ausrichten und sich nicht mehr länger auf die „schützende Hand“ des Staates verlassen. Dazu gehört auch, dass man endlich mal hinterfragt, ob es richtig ist, dass das Netz ebenfalls zur Deutschen Bahn gehört, auch wenn das mit der DB Netz AG eine eigene Aktiengesellschaft ist.

Erst, wenn alle diese Fragen gestellt und vor allem auch schlüssig beantwortet sind, dann sollte man über eine Lösung bei DB Schenker nachdenken. 15-20 Mia. EURO sind zwar ein verlockender Betrag und würde kurzfristig helfen. Aber angesichts aller finanziellen Baustellen im gesamten Konzern wird auch diese Summe schnell „verpuffen“ und was weg ist, das ist weg!

* Artikel über DB Schenker in „Finance“: https://bit.ly/3ovwfsS

Titelbild: © DB Schenker / Bildlegende: 2022 feiert DB Schenker sein 150jähriges Bestehen. Ist es das letzte Jubiläum der Traditionsfirma?

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