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Was bedeutet die Suez-Blockade für die Schweizer Wirtschaft

von Redaktion Loginfo24

Welche Bedeutung hat der Suezkanal für den Welthandel und im Detail für die Schweizer Wirtschaft? Was kommt via Suez-Kanal in die Schweiz? Was wird aus der Schweiz heraus geliefert? Wie sieht die Entwicklung aus? Eine Zusammenfassung von Leon Zacharias, als Projektmitarbeiter arbeitet er am Institut für Supply Chain Management (ISCM-HSG).

(Suez/Ägypten; St. Gallen/Schweiz) Der Suez-Kanal ist eine der wichtigsten Wasserstrassen im maritimen Handel. Der künstlich angelegte und in erst vor wenigen Jahren erweiterte Verbindung zwischen der Hafenstadt Suez im roten Meer und Port Said im Mittelmeer verkürzt die Distanz auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa um ca. 7000km und um etliche Tage Reisezeit, je nach Fahrtgeschwindigkeit. Aus diesem Grund ist der Kanal auch so wichtig für die Weltwirtschaft und besonders für die Wirtschaft auf dem europäischen Kontinent. Ca. 10-15% des Welthandelsvolumen „fährt“ durch den Suez-Kanal, aber nahezu 100% des seegebundenen Volumens im Handel zwischen europäischen- und asiatischen Staaten. Die Alternative auf dem Seeweg, d.h. die südliche Umfahrung Afrikas, war bisher aufgrund der Bunkerpreise und der Fahrtzeitverlängerung keine Option. Auch Transporte über die schienengebundene Seidenstrasse ist und bleibt mit seiner geringen Kapazität ein Nischenprodukt.

Abhängigkeit der Lieferketten von der Seeschifffahrt

Im internationalen, außereuropäischen Handel, werden ca. 94% der importierten und 92% der exportierten Güter per Seeschiff transportiert. Erweitert man den Blick auf die gesamten Lieferketten und nimmt den Import deutscher Autos in die Schweiz als Beispiel, kann die Wichtigkeit der Seeschifffahrt noch weiter steigen. Denn die in Deutschland bei BMW, Daimler und Co zusammengesetzten Fahrzeugkomponenten kommen aus allen Herren Ländern. Kurz gesagt: Die Schweiz ist trotz der fehlenden Seehafenanbindung exorbitant abhängig von der Seeschifffahrt und dem Suezkanal. Prinzipiell müssen alle Schweizer Unternehmer, die Waren aus Mittel- und Fernost erwarten, mit Verspätungen rechnen.

Dies gilt natürlich nur für Ladungen auf den Seeschiffen, die sich südlich des Suez-Kanals befinden. Bereits jetzt stauen sich die Schiffe hinter der Blockade, d.h. bereits zum jetzigen Zeitpunkt hat man knapp 5 Tage lang keine Schiffsankünfte an den europäischen Häfen. Schlimmstenfalls bleibt der Kanal länger gesperrt und die Schiffe müssten bis zu 20 Tage zusätzliche Reisezeit kalkulieren.

Es muss abgewartet werden, ob reine Zugkraft durch die zusammengerufenen Schlepper und das „Ausbaggern“ des Schiffes erfolgt hat. Auch das Ablassen von Ballastwasser oder ist zur Leichterung möglich. Das Leichtern durch Um-/Abladen von Containern ist wohl der letzte, vielleicht aber nötige Ausweg.

Wann kommt die Blockade des Suez in der Schweiz an?

Die mittlerweile fast zweitägige Blockade wird sich bereits zeitnah auf die Importe auswirken. Bei einer Reisezeit von ca. drei Tagen zwischen dem Suezkanal und Genua und ca. acht Tagen zwischen dem Suezkanal und Rotterdam, werden in Genua bereits jetzt Ankünfte aus Nah- und Fernost ausbleiben, in Rotterdam „erst“ in ca. zwei bis drei Tagen. Die Dauer der Blockade ist maßgeblich für den wirtschaftlichen Schaden in der Schweiz und Europa. Die Reedereien sind bereits jetzt dabei, verschiedene Szenarien durchspielen und den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung evaluieren. Für Schiffe, die sich jetzt im indischen Ozean oder sogar noch in der Straße von Malaka befinden, werden eventuell proaktiv die Routen verändert und eine Umfahrung des Kaps der guten Hoffnung geplant. Auch bei einer kurzfristigen Aufhebung in den nächsten Stunden oder Tagen können für den Transport nach Europa also wertvolle Tage, schlimmstenfalls sogar Wochen verloren werden.

Dies kommt dann dem partiellen Abriss der Lieferketten zu Beginn des Jahres 2020 nach Ausbruch der Corona Pandemie in China gleich. Für Empfänger individueller Warenlieferungen lohnt sich die Information beim zuständigen Logistikdienstleister beziehungsweise bei der Reederei. Kühne + Nagel informiert seine Kunden beispielsweise sehr proaktiv über die Verzögerungen und mögliche Veränderungen bei den Ankünften respektive Abfahrten.

Bei der Versorgung von Roh- und Produktölen wie Benzin, Diesel oder Heizöl wird es vor erst keine Einschränkungen geben, da der Bedarf durch umdisponierte Lieferungen aus Russland, Nordamerika oder Nordafrika substituiert werden kann. Ein Anstieg der Preise an den Tankstellen lässt sich aber erwarten, die Höhe des Preisanstiegs ist aber abhängig von der Dauer der Sperrung des Suezkanals. Einschränkungen bei der Lieferung von Lebensmitteln sind nicht zu erwarten.

Verschärft die Blockade den Preisanstieg für gewisse Güter?

Besonders die Unternehmen in Europa, auch in der Schweiz, füllen seit Herbst die  krisenbedingt leeren Lager stärker auf als je zuvor und wollen damit Sicherheit für mögliche weitere, coronabedingte Ausfälle der Lieferkette schaffen (Erhöhung des Sicherheitsbestandes). Dieser Nachfrage Anstieg, gepaart mit einer weitreichenden Erholung der asiatischen Wirtschaft haben bei verschiedenen Gütern zu einem immensen Anstieg der Kosten geführt. Besonders Baustoffe aber auch Konsumgüter werden derzeit mit einem Teuerungsaufschlag gehandelt, teilweise haben sich die Kosten binnen eines Jahres verdoppelt. Auch führte dieser immense Nachfrageanstieg zu stark erhöhten Frachtraten für Container, besonders im Europa-Asien-Verkehr. Die Frachtraten haben sich teilweise vervierfacht, die „Blockade“ des Suezkanals wird die Knappheit an Laderaum noch verstärken. Schlichtweg steht (nach weitgehender Überkapazität auf dem Schifffahrtsmarkt seit der Finanzkrise 2008/2009) schlichtweg nicht genug Laderaum für den Transport der Güter zu Verfügung. Mittelfristig werden sich Angebot- und Nachfrage wieder ausgleichen, kurzfristig kann jedoch keine neue Tonnage in den Markt gebracht werden.

Wasserstrassen bleiben Nadelöhre

Nadelöhre bleiben auch in Zukunft die Wasserstrassen wie der Suezkanal oder auch der Panamakanal – sind diese blockiert, ist der Welthandel unmittelbar betroffen. Die Seidenstrasse wäre eine potenzielle Möglichkeit, Ladungen auf den Landweg zu verladen. Aber auch hier hat unsere Studie gezeigt, dass die Verlagerung des Volumens schlichtweg unmöglich ist. Würde man alle Container des feststeckenden Schiffes auf den Zug verlagern, ergäbe sich eine Länge von ca. 300 – 340 km (gerundet), also einer Ausdehnung wie der Schweiz in West-Ost-Richtung. Auf den Transport mit Seeschiffen wird nicht verzichtet werden können – vor dem Kanal warten bereits Dutzende Mega-Schiffe.

Die Schweiz scheint als Binnenstaat erstmal fernab der maritimen Welt zu sein – eine Studie der Logistics Advisory Experts GmbH hat jedoch etwas anderes gezeigt.

Foto: © Suez Port Authority

https://files.basekit.com/90/06/90064158-bb0b-432e-a994-1f3caf66c45c.pdf

Leon Zacharias ist gelernter Schifffahrtskaufmann und Masterand an der Universität St. Gallen. Als Projektmitarbeiter arbeitet er am Institut für Supply Chain Management (ISCM-HSG) und bei Logistics Advisory Experts GmbH.

www.logistics-advisory-experts.ch

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