Die Vertreter des Straßenverkehrs gerieren sich immer wieder als Opfer einer Umverteilung, die Autofahrer schröpft und dadurch andere Verkehrsträger quersubventioniert. Eine vom NEE beauftragte explorative Studie widerlegt diese Behauptung. Tatsächlich deckt der Straßenverkehr seine unmittelbaren Kosten nicht, er wird mit zweistelligen Milliardenbeträgen aus Steuermitteln unterstützt.
(Berlin) Die Güterbahnen fordern, dass die Regierung nach Jahren endlich auf ihre eigene Monopolkommission hört und der Intransparenz ein Ende bereitet. Deutschland sollte dem Beispiel der Schweiz folgen und eine Analyse der Kosten und Finanzierung des Verkehrs vornehmen.
Dass Autofahrer und Straßenspeditionen hohe Abgaben zahlen und diese nicht in gleichem Maße an sie zurückgegeben werden, ist falsch, wie in einer explorativen Studie nachgewiesen werden konnte. Die Untersuchung „Abschätzung der Kosten der Verkehrsträger im Vergleich“ von Prof. Dr. Christian Böttger von der HTW Berlin, die das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) nach 2017 zum zweiten Mal in Auftrag gegeben hat, stellt außerdem fest, dass die tatsächlichen Kosten des Straßenverkehrs intransparent sind und teilweise erst gar nicht erhoben werden. „Bereits vor vier Jahren haben die Güterbahnen von der künftigen Regierung gefordert, dem Ruf der Monopolkommission nach mehr Transparenz über die Erhebung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben zu folgen.
Dieser Aufforderung ist die Politik auch nach vier Jahren nicht nachgekommen, daher fordern wir von der kommenden Regierung erneut: Es darf nicht sein, dass die Finanzierung unseres Verkehrs ein intransparenter Flickenteppich aus zahlreichen klimaschädlichen und wettbewerbsverzerrenden Subventionen ist. Das macht eine durchdachte und zukunftsweisende Finanzierung nach Klimagesichtspunkten unmöglich. Und natürlich kann so auch niemand exakt nachrechnen, wie sehr die Straße von diesem Flickenteppich profitiert“, erklärt NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling.
Steigerung von 10 Milliarden
Die öffentliche Hand gibt im Vergleich zur Erhebung von 2017 statt 60 Mrd. nun sogar 70 Mrd. Euro für den Straßenverkehr aus. Das bedeutet eine Steigerung von 10 Mrd. Euro, bei der der Straßenverkehr selbst unter Annahme einer Zweckbindung der Hälfte des im Verkehr erlösten Mineralölsteueraufkommens seine zahlungswirksamen Kosten bei weitem nicht mit seinen Erlösen abdeckt. Dass einige Verkehrsarten intransparentere Einnahmen und Ausgaben haben als andere, liegt vor allem an den vielen verschiedenen Finanzierungstöpfen. Im Vergleich zur Straße wird die Schiene zum allergrößten Teil vom Bund finanziert und diese Ausgaben sind im Bundeshaushalt nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu wird die Straße zwar ebenfalls stark vom Bund, aber zusätzlich in viel größerem Maße als die Schiene durch Kommunen und Länder gefördert, worüber es keinen systematischen Überblick gibt. Jenseits des Autobahnnetzes gibt es nur wenige Informationen zum Straßennetz. Nicht einmal die Länge des Netzes ist statistisch vollständig erfasst. Seit 2012 gibt es keine offiziellen Angaben mehr, welche Kosten für Bau, Unterhalt und Betrieb von Kreis- und Kommunalstraßen anfallen.
Ergebnisse widersprechen allen Zusagen
„Die Ergebnisse widersprechen allen Zusagen der Regierungsparteien, die Schiene zukünftig aufwerten zu wollen, denn das Geld fehlt dringend beim umweltfreundlichen Verkehrsträger Eisenbahn“, kritisiert Kerkeling. Seit Jahren fordern die Güterbahnen ausreichende Investitionsmittel für den Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur, eine geringere Abgabenlast für den Eisenbahnverkehr und die Anlastung externer Kosten bei allen Verkehrsträgern, damit der Klimavorteil der Schiene sich endlich im Preis widerspiegelt und eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene erwirkt werden kann. Kerkeling: „Verkehrsminister Scheuer verkündet, dass im Jahr 2022 erstmals mehr Geld für die Schieneninfrastruktur als für die der Straße ausgegeben würde. Dabei lässt er jedoch die Kosten, die Länder und Kommunen für die Straßen ausgeben, sowie externe Kosten für Klima, Unfälle und Verkehrspolizei unter den Tisch fallen. Auch eine Umstellung auf E-Autos und die Pläne der Regierung für Lkw mit alternativen Antrieben werden Unsummen kosten. Die Schiene hingegen fährt schon seit Jahrzehnten elektrisch.“
Unterschiedliche Abgabenlast im intermodalen Wettberwerb
Die Studie bestätigt ebenfalls Bewertungen des NEE bezüglich der unterschiedlichen Abgabenlast im intermodalen Wettbewerb mit der Straße: Diese genieße weitreichende Privilegien, die nicht an Klimafreundlichkeit gekoppelt sind, wie die reduzierte Dieselsteuer und die weiterhin zu geringe CO2-Bepreisung sowie Subventionen für die Erneuerung der Lkw-Flotten, während die elektrisch betriebene Eisenbahn viele Abgaben gleichzeitig verrichten muss (u. a. Stromsteuer, EEG-Umlage, Emissionszertifikate, Energiesteuer).
Die Untersuchung ist explorativ und weist darauf hin, dass sie eine tiefgreifende Untersuchung, wie sie auch seitens der Monopolkommission seit Jahren gefordert wird, nicht ersetzen kann. Gerade im Sinne der Verkehrswende sind transparente Zahlen dringend geboten, um eine systematische Ausgestaltung der Finanzierung von Verkehrsmitteln zu erreichen, die bisher eher politischen Kalkülen gefolgt ist. So ließe sich die Forderung nach einer begründeten Finanzierung des Verkehrs, welche Klimafreundlichkeit fördert, in die Tat umsetzen.
Die vollständige Studie von Prof. Dr. Böttger und die Grafik zum Download: hier
Foto: © NEE