Mehr als vier Jahre nach Klageeinreichung im Dezember 2017 hat die 30. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Stuttgart in der vergangenen Woche die Klage der Themis Schaden GmbH gegen die Mercedes-Benz Group AG (vormals: Daimler AG) auf Zahlung von Kartellschadenersatz in Höhe von rund 96 Millionen Euro abgewiesen (Az. 30 O 17/18).
(Alzenau) Diese Entscheidung zeichnete sich bereits in der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2022 ab“, kommentiert Prof. Dr. Moritz Lorenz von der Berliner Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein und gerichtlicher Vertreter der Themis Schaden GmbH das Urteil. „Wir werden nun die schriftliche Urteilsbegründung analysieren und dann entscheiden, ob wir Berufung beim Oberlandesgericht einlegen.“
Als wesentlichen Grund für die Klageabweisung nennt die LG-Kammer die fehlende Klagebefugnis der als Inkassounternehmen eingetragenen Themis Schaden GmbH. Diese hatte der Spediteursverbund ELVIS AG gegründet, um in ihr die Ansprüche von 350 kleinen und mittelständischen Frachtführerbetrieben zu bündeln. Nach Ansicht des Gerichts habe die Themis aber keine ihr erlaubte Inkassotätigkeit erbracht, sondern eine Rechtsberatung. Die Abtretungen etwaiger Kartellschadenersatzansprüche an sie seien daher wegen Verstoßes gegen §§ 3 und 4 Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig, weshalb die Themis nicht Inhaberin etwaiger kartellrechtlicher Schadenersatzansprüche geworden sei, schreibt das Gericht in seiner Pressemitteilung.
Letzte Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes unberücksichtigt
Lorenz: „Diese Auffassung teilen wir nach wie vor nicht, denn sie berücksichtigt nicht die letzte Änderung des Rechtsdienstleistungsgesetzes und auch nicht die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der mit Urteil vom 13. Juli 2021 (Az. II ZR 84/20) den Spielraum für Inkasso-Sammelklagen in Deutschland erheblich vergrößert hat. Wir hätten es begrüßt, wenn das Landgericht Stuttgart der gebündelten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen offener gegenübergestanden hätte.“
Zur Sache:
Die Europäische Kommission hat mit Bescheid vom 19. Juli 2016 (AT.39824 – Trucks) verschiedene Hersteller von Nutzfahrzeugen, u.a. die Daimler AG, wegen kartellrechtswidrigen Handelns zu einem Bußgeld in Milliardenhöhe verurteilt.
Die Themis Schaden GmbH verlangt auf dieser Basis und aus abgetretenem Recht von rund 350 Unternehmen die Zahlung von Kartellschadenersatz in Höhe von rund 96 Millionen Euro zzgl. Zinsen und die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für weitergehende Kartellschäden.
Gründung für den Bereich Inkassodienstleistungen
Die Themis Schaden GmbH wurde im Oktober 2016 von der Europäischer Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure Aktiengesellschaft (ELVIS) als 100-prozentige Tochter gegründet und im Februar 2017 nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG bei der zuständigen Behörde für den Bereich Inkassodienstleistungen registriert. Die Unternehmen sind größtenteils ELVIS-Mitglieder und im Transportdienstleistungsbereich tätig. Die in Frage stehenden Fahrzeuge der Marken Daimler, DAF, Fiat/Iveco, MAN, Scania und Volvo/Renault wurden von den Unternehmen in unterschiedlicher Weise (Kauf, Mietkauf, Service-Leasing, Finanzierungs-Leasing u.a.) sowie in unterschiedlichem Umfang (von einem bis zu rund 1.600 Fahrzeugen je Unternehmen) angeschafft.
Signet: © Themis Schaden AG