Startseite LänderDeutschland Ein logistisches Jahr voller Unwegsamkeiten geht glimpflich zu Ende
Nach zwei Jahren Corona-Massnahmen war zu Beginn dieses Jahres die Hoffnung gross auf ein 2022, welches durch die Rückkehr in die Normalität geprägt sein wird. Aber es kam alles anders. Während in Europa sich bei Corona eine Entspannung abzeichnete, zog China die Massnahmen eisern durch. Die Lieferketten blieben somit angespannt. Und dann im Februar der Paukenschlag: Krieg in der Ukraine mit den Auswirkungen Energieknappheit und somit Verteuerung der Energie und der Beginn einer Inflation. Zum Jahresende tönt es aber insgesamt trotz aller Widerwärtigkeiten versöhnlich und verhalten optimistisch.

(Basel) Wie viele „Blaue Augen“ kann eine Wirtschaft aushalten? Wird das gerade überstrapaziert und kommt dann irgendwann als Bumerang zurück, z.B. schon 2023?

Gerade hatte man zu Beginn dieses Jahres die Auswirkungen der Corona-Massnahmen einigermassen überstanden, begann der Krieg von Russland gegen die Ukraine. Die Folge davon war, dass die Energie knapp und vor allem teuer wurde. Aber das war nicht alles; während in Europa Corona plötzlich zur Nebensächlichkeit wurde, hielt China eisern daran fest. Die Null-COVID-Strategie wurde durchgezogen und die Folge davon war, dass weiterhin die Lieferketten unter Druck standen.

Erst jetzt gegen Ende des Jahres, nachdem sich sogar im strengen China Widerstand gegen die überrissenen Massnahmen geregt hat, war die dortige Regierung endlich zu Lockerungen bereit. Das wirkt sich auch bald auf die Lieferketten aus. Die Schreckensmeldungen über einen massiven Anstieg der Fälle seit Lockerung der Massnahmen wird darauf kaum einen Einfluss haben, denn die Einheimischen wissen langsam, wie man die Meldungen einordnen muss.

Grosse Angst im Frühling

Angesichts der hohen Preise für Energie ging bei den Logistikdienstleistern und grossen Teilen der energieintensiven Industrie die Angst um. Existenzbedrohung wurde überall skizziert und kaum ein Branchenverband, der nicht Staatshilfe forderte.

Die Preise sind nach wie vor hoch für alle Energien, wie Gas, Öl, Strom und Wasser. Doch die Rufe nach Rettung sind jedoch weitgehend verstummt. Grosse Teile der Wirtschaft haben eingesehen, dass Preiserhöhungen nicht auf dem Rücken der Logistikdienstleister und Transportfirmen ausgetragen werden können.

Deshalb ist das grosse Sterben unter den Transportfirmen auch ausgeblieben, auch wenn die Lage nach wie vor sehr angespannt ist.

Entspannung in See- und Luftfracht

In der Seefracht, die während den Corona-Massnahmen am meisten unter die Räder kam, zeichnet sich schon jetzt eine Entspannung ab. Schon wird befürchtet, dass die Preise wieder in die Zeiten vor 2019 fallen und sich die Überkapazitäten wieder anhäufen. Sehr zum Leidwesen der Reedereien.

Diese haben massiv von den Corona-Massnahmen in China profitieret und werden wieder ums Überleben kämpfen. Natürlich können sie noch eine Zeitlang von den Überschüssen aus den beiden „goldenen“ Jahren leben, aber langfristig besteht sicher die Gefahr, dass wieder Aufkäufe oder Fusionen oder gar Konkurse den Markt bestimmen. Das liegt aber auch ein wenig an den Kunden. Wobei, wer zahlt schon freiwillig mehr als der Markt ihm anbietet? Es könnte aber auch die Gefahr bestehen, dass nur noch wenige verbliebene Reedereien ein Monopol bilden.

Zuerst können allerdings Kapazitäten in Form von nicht mehr umwelttauglichen Schiffen abgebaut werden. Diese wurden länger eingesetzt als vorgesehen, um die Kunden einigermassen bedienen zu können. Hierin besteht auch die grosse Chance für eine Klimawende in der Schifffahrt. Wenn weniger los, kann man auch eher umweltschonende Treibstoffe verwenden.

In der Luftfracht hat sich der Boom schon lange wieder abgekühlt. Längst vorbei die Zeiten, wo Personenflieger kurzfristig zu Frachtfliegern umgebaut wurden. Die Mengen gehen von Monat zu Monat zurück.

Allerdings ist es ein Klagen auf hohem Niveau, denn abnormal waren die Mengen von 2020 und 2021 und nicht die jetzigen Rückgänge, die nur auf das normale Niveau vor der Pandemie zurückführen. Eine Prognose für die kommenden Jahre ist schwierig. Wenn die Mengen in der Seefracht zurückgehen und somit auch die Preise, so hat das auch Auswirkungen auf die Luftfracht. Sollte die Wirtschaft tatsächlich versuchen ihre Abhängigkeit von China (und anderen entfernten Destinationen) zu reduzieren so wird das auch die Luftfracht treffen.

Stabile Transportlage in Europa

Trotz dem sehr nahen Kriegsgeschehen in der Ukraine, ist kein Zusammenbruch der Strassentransporte erfolgt. Die Zeiten sind härter geworden, aber das Transportgewerbe hat sich als stabil erwiesen. Zwar sind die fetten Corona-Zeiten vorbei, aber die Wirtschaft konnte das Auftragsvolumen überraschend hochhalten.

Dennoch stehen auch die Strassentransporteure weiterhin vor grossen Herausforderungen. Die Umstellung auf nachhaltige Fahrzeuge stellt vor allem kleine Unternehmen vor enorme Anstrengungen, vor allem in finanzieller Art. Auch der Mangel beim Fahrpersonal hat sich eher verschärft als entspannt. Viele Fahrer aus der Ukraine wurden eingezogen.

Zudem ist immer noch nicht klar, wohin die Reise geht. Soll man auf batterieelektrisch oder auf CNG/LNG oder gar auf Wasserstoff setzen? Ist der gute alte Diesel wirklich schon am Ende? Oder stellt sich am Ende gar heraus, dass elektrisch aus Sicht der Umwelt doch nicht der letzte Schluss ist? Kann überhaupt genügend (sauberer) Strom produziert werden, wenn der ganze Verkehr (Personen- und Güterverkehr) umgerüstet wird. Das sind enorme Mengen, die da erforderlich werden. Möglich scheint es, aber es scheint auch gefährlich so vehement auf nur einen Weg zu setzen.

Chance für den Kombinierten Verkehr

Auf den langen Distanzen wird vermehrt gefordert auf den Kombinierten Verkehr zu setzen. Diese Option besteht schon seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Und dort, wo es funktioniert, wird sie seither auch genützt. Das Angebot hat sich seither den verfügbaren Trassen entsprechend auch ausgeweitet, aber längst nicht so, wie es erforderlich wäre, um Güter im grossen Stil auf die Bahn zu bringen. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern, auch wenn die Eröffnung des neuen Gotthard-Tunnels zumindest im Transit durch die Alpen von und in Richtung Mailand Verbesserungen gebracht hat. Auch die durchgehende Eckhöhe durch die Schweizer Tunnels hat vieles vereinfacht. Aber in der Fläche gibt es noch grossen Nachholbedarf.

Mit einer Digitalisierung der Buchungsvorgänge will man aber die Vorgänge optimieren und zumindest die bestehenden Angebote besser nützen. Alle Beteiligten von Spediteuren, über Operateure, Bahnen, Terminals, Häfen, etc. sollen über Plattformen besser verknüpft werden, um so transparenter und effizienter zu werden, um so unnötige Leerräume auf den angebotenen Zügen zu vermeiden.

Nachfrage nach Logistikimmobilien und Intralogistik bleibt hoch

Die Nachfrage nach Logistikimmobilien und nach Intralogistik ist auf einem konstanten Niveau geblieben. In vielen Fällen handelt es sich um den Vollzug von langfristig geplanten Anlagen. Aber auch neue Projekte bleiben konstant.

Eine grosse Chance bieten Logistikimmobilien für die Nachhaltigkeit, eignen sie sich doch mit ihren grossen Dachflächen optimal für die Anbringung von Solarzellen, ohne dass dabei ein Stadt- oder Ortsbild beeinträchtigt wird. Viele Logistikanlagen erzeugen mittlerweile den kompletten Strombedarf für die Anlagen in eigener Regie und hie und da fällt sogar überschüssiger Strom ab.

Nur die Kommunen haben vielerorts nicht begriffen, was die Logistik bedeutet. So sind laut einer Studie von Garbe und JLL allein in Nordrhein-Westfalen seit 2012 Gesuche mit einer Fläche von 9,3 Millionen Quadratmetern Logistikfläche von den entsprechenden Städten oder Gemeinden negativ beschieden worden. Ob Corona hier ein Umdenken eingeleitet hat, bleibt abzuwarten.

Der KEP-Bereich muss sich wieder mit Business as usual abfinden

Die Goldgräberstimmung im KEP-Bereich ist vorbei. Die Corona-Massnahmen haben die die Menschen zum Online-Shopping getrieben. Nun gehen sie wieder raus und kaufen wieder vermehrt vor Ort ein. Es ist aber ein Klagen auf hohem Niveau.

Auf der sogenannten „Letzen Meile“ tummeln sich immer noch eine grosse Anzahl von Start-ups, die mit immer neuen Ideen den Transport von Paketen und Stückgutsendungen in der City optimieren wollen. Bündeln heisst das Stichwort, unter dem Motto: „Lieber 10 Lastenräder als ein Lieferwagen“. Millionen an Investitionskapital werden in diese Sparte gesteckt und vor allem in die dazugehörenden digitalen Plattformen. Aber nach wie vor bleibt die Frage offen, wie man an einem Paket, das von A nach B im Durchschnitt 5 EURO kostet, auf der letzten Meile noch ein zusätzliches Geschäft machen will. Software hin oder her, der Kunde will das Paket vor der Tür haben oder an einer Packstation abholen wollen.

Solche Packstationen entstehen zurzeit überall. Die DB und die Deutsche Post DHL haben erst kürzlich ihre Packstationen an Bahnhöfen freigegeben für Konkurrenten. Auch Click & Collect hat noch Luft nach oben. Am Ende wird es wohl eine Mischung.

Fragwürdig sind auch Modelle mit Essenslieferungen, wie z. B. Uber Eat oder Eat.de (Eat.ch), etc. Im Moment „frisst“ Gorillas einen Konkurrenten nach dem andern auf. Aber kann es auf die Länge Erfolg versprechend sein, sich einen lauwarmen Burger mit latschigen Pommes Frites im Wert von ca. 12 EURO nach Hause liefern lassen?

Anders sieht es aus bei Lieferanten, wie Picnic, die z. B. Wocheneinkäufe nach Hause liefern und die Routen auch kostengünstig optimieren. Der Konkurrent Flaschenpost geht jetzt auch in diese Richtung. Hier kann die Hauslieferung Sinn machen und das Angebot zum bestehenden Einzelhandel ergänzen.

Schlüsselmarkt China

Nach wie vor ist China der grösste Liefermarkt. Aber auch der grösste Wachstums- und Abnehmermarkt für Produktionen aus Europa oder USA. Das wird viel zu wenig berücksichtigt.

Zwar kann man, wie jetzt teilweise lauthals gefordert wird, sich bei der Beschaffung von China unabhängig machen. Das sollte man, wenn möglich auch tun. Aber sich vom Absatzmarkt China unabhängig machen, das wird eine Illusion bleiben. Denn wer soll sonst für grosse Wachstumsraten sorgen, wenn nicht doch China? Demnach wird es auch keinen Sinn ergeben, die Beschaffung komplett nach Europa zurückzuholen, um dann China und Fernost von hier aus zu beliefern.

Container-Terminal in Shanghai

China hat umgekehrt die Fühler längst nach USA und Europa ausgestreckt. Gerade jüngst wurde das wieder deutlich bei der Übernahme durch die chinesischen (Staats)Reederei COSCO am Container Terminal Toller Ort in Hamburg. Im letzten Moment konnte eine Beteiligung von 35 % abgemildert werden in eine solche von 24,9 %. Immerhin wurde somit die Sperrminorität ausgehebelt. Aber China hat schon Anteile in verschiedenen Grössenordnungen in einigen anderen europäischen Häfen.

Der Umgang mit China wird also eine Herausforderung bleiben. Die Anbiederung ist aber genauso falsch, wie dauernde Belehrungen. Mit China muss ein wirtschaftlicher Dialog auf Augenhöhe stattfinden. Bisher hat man sich China, ob der hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten, beinahe vor die Füsse geworfen, inkl. der blinden Übernahme der Corona-Massnahmen. Plötzlich herrschen aber belehrende Töne und man will China erziehen. Beides ist falsch. Dafür ist dieses Land einfach zu gross. Ausser man verzichtet ganz auf Beziehungen mit China, das wäre aber auch der falsche Weg.

Ausblick auf 2023

Was kann man aus logistischer Sicht vom neuen Jahr erwarten? Ganz ehrlich, ein Jahr ohne nichts wäre doch schon mal ein lohnendes Ziel. Einfach Tagesgeschäft abwickeln, sich um digitale Trends kümmern oder weitere Schritte in Richtung Nachhaltigkeit tun. Das würde eigentlich schon genügen, nach diesen drei hektischen Jahren.

Aber der Krieg in der Ukraine dauert weiter an. Der Ausgang ist offen und es kann noch in alle Richtungen drehen. Gas und Öl werden kritische Güter bleiben. Strom, insbesondere Ökostrom wird ebenfalls nicht im Überfluss vorhanden sein. Die Abstellung der Atomkraftwerke könnte insbesondere in Deutschland eine grosse Herausforderung werden. Aber man kann zur Not Atomstrom importieren aus dem Ausland und die gute alte Kohle feiert gerade ihr Comeback, stärker denn je!

Und trotz allem sieht es für 2023 so aus, als könnte sich hierzulande, auch für die Logistik, vieles beruhigen. Im Mai steht die Leitmesse der Branche, die „transport logistic“ an, nachdem sie 2021 den Corona-Massnahmen zum Opfer fiel. Das grosse Wiedersehen wird der Branche bestimmt neue Impulse geben.

Fotos: © Loginfo24 (Titelbild © Pixabay)

Ähnliche Artikel

Kommentar hinterlassen