Das erste halbe Jahr eines harmonisierten Ausbildungs- und Prüfungsverfahrens im Güter- und auch Personenverkehr auf der Schiene nähert sich seinem Ende. Mitgliedsunternehmen des Güterbahnen-Verbandes NEE haben den Standard aus ihrer Mitte heraus entwickelt und sind Erstanwender. Er soll zu einer Branchenlösung werden und mehr Einsatzmöglichkeiten für das so ausgebildete Personal schaffen.
(Berlin) Mehr Zuspruch bei Berufssuchenden sowie mehr Sicherheit, Qualität und Effizienz versprechen sich die Initiatoren des einheitlichen Ausbildungs- und Prüfverfahrens der Güterbahnen, das durch Bündelung und Aktualisierung von Ausbildungsinhalten entstanden ist.
Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V., sieht das Eigenengagement der Güterbahnen als einen praktischen Beitrag zum „Jahr der Ausbildung“ an, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagen hat: „Die Güterbahnen bieten systemrelevante, damit sichere sowie gut bezahlte und abwechslungsreiche Jobs. Es ist kein Geheimnis, dass viele Eisenbahnverkehrsunternehmen trotzdem unter Fachkräftemangel leiden. Um weiter wachsen zu können, bilden die meisten Bahnen mittlerweile selbst aus. In dieser Situation die Ausbildung zu vereinheitlichen, ist eine win-win-win-Situation.“ Das hohe Sicherheitsniveau wird nach seinen Worten weiter gestärkt, die Ausgebildeten sind mobiler innerhalb der Branche und die Ausbildung wird effizienter für alle Beteiligten.
Lokpersonal wird gefragt bleiben
Zwar verändern sich die Berufsbilder, weil die Verkehre auf der Schiene zunehmend digitaler werden, doch insbesondere Lokführer und Lokführerinnen werden auch in den kommenden Jahrzehnten dringend gebraucht. Praktisch flächendeckende Tarifverträge sind Standard und das Gehaltsniveau liegt deutlich höher als im Straßengüterverkehr. Auch während der Krise bilden die Unternehmen im Schienengüterverkehr aus, die Zahl der Auszubildenden wächst kontinuierlich.
Das harmonisierte Ausbildungs- und Prüfungsverfahren, das sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr anwendbar ist, wurde 2019 und 2020 von einer Arbeitsgruppe von Unternehmen aus dem Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. (NEE) entwickelt und im Dialog mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) so finalisiert, dass der NEE-Vorstand seinen Mitgliedern die Anwendung bereits im Oktober 2020 empfohlen hat.
Hohes Sicherheitsniveau im Schienenverkehr
Im Gegensatz zum Straßengüterverkehr benötigen Triebfahrzeugführer:innen nicht nur einen Führerschein, sondern verschiedene Zusatzausbildungen, die durch die sogenannte Funktionsausbildung erworben werden. Das hohe Sicherheitsniveau im Schienenverkehr erfordert eine umfangreiche Ausbildung. In der Vergangenheit litten jedoch sowohl die Auszubildenden als auch die Unternehmen an veralteten bürokratischen Hemmnissen – begonnen bei den Berufsbezeichnungen, die je nach Unternehmen oder Bildungseinrichtung unterschiedlich sein können. Durch die gemeinsame Entwicklung und Einführung einer einheitlichen Lösung beweist die Branche ihre Stärke, die Eisenbahn leistungsfähiger machen zu können. Das einfachere Nachvollziehen von Lerninhalten und Qualifizierungen verbessert das ohnehin schon sehr hohe Sicherheitsniveau der Schiene. Die Verlagerung auf die Schiene und die angestrebte Steigerung der Verkehrsleistung kann nicht allein durch Investitionen in die Schieneninfrastruktur und in Innovationen gelingen, sondern benötigt qualifiziertes Fachpersonal, vor allem Triebfahrzeugführer:innen.
Einheitliche Lerninhalte
Das entwickelte Verfahren legt einen standardisierten Ausbildungsplan in einer vierstufigen Systematik fest und empfiehlt einheitliche Rahmenbedingungen und Bescheinigungen. Für die Auszubildenden bedeutet dies in der Praxis auch eine Verringerung der Prüfungslast, einheitliche und unternehmensübergreifend aufbereitete Lerninhalte und die einfache Anerkennung von Abschlüssen und Zertifikaten. Im Ergebnis profitieren die ausgebildeten Fachkräfte, die einfacher das Unternehmen wechseln können wie auch die Unternehmen, die leichter miteinander kooperieren können. Kerkeling abschließend: „Einer Weiterentwicklung seitens der Kontrollbehörden durch ein zentrales Triebfahrzeugführerscheinregister ähnlich der Schweiz stehen wir positiv gegenüber. Das wäre eine konsequente Weiterentwicklung, die Verstöße erschweren und den Verwaltungsaufwand bei den Unternehmen wie auch bei der Kontrollbehörde deutlich vermindern könnte.“
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