Die Bundesnetzagentur hat eine Erhöhung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr um 16,2 Prozent für das nächste Jahr genehmigt. Beantragt hatte die Erhöhung die seit 01. Januar 2024 formell gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturtochter DB InfraGO der Deutschen Bahn AG. Die deutsche Bundesregierung hat trotz aller Proteste nichts dagegen unternommen.
(Berlin) „Um es einmal mit der üblichen PR-Formel der DB zu sagen: Statt sich am Gemeinwohl zu orientieren, startet die DB das größte Trassenpreiserhöhungsprogramm in der Geschichte des Konzerns“, kommentiert GÜTERBAHNEN-Geschäftsführerin Neele Wesseln.
Wesentlicher Treiber ist der maximal ausgenutzte, vom Gesetz zugelassene Gewinnanspruch, den die staatliche Gesellschaft in ihren Preisen realisieren kann. Wesseln weiter: „Ehrlich gesagt: Wir sind nicht überrascht. Der Genehmigungsantrag der DB stammt aus dem Spätsommer und die Bundesregierung hat trotz aller Proteste nichts dagegen getan. Im Gegenteil: Sie hat, weil es der einfachste Weg zur Haushaltskonsolidierung war, im Dezember noch zusätzlich eine Kürzung der Bundesmittel zur Förderung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr um fast die Hälfte, nämlich 171 Millionen Euro beschlossen, die vom Bundestag im Umfang von 50 Millionen Euro zurückgenommen wurde. Unter dem Strich will die DB InfraGO für sinkende Qualität und zusätzliche Kostenbelastungen durch die wachsende Anzahl von Baustellen immer mehr Geld.“
Der Kilometerpreis für einen Standard-Güterzug soll ab Dezember 2024 mit 3,73 Euro um 52 Cent höher liegen als in diesem Jahr. Alle bisherigen (fünf) Erhöhungen seit dem Inkrafttreten des Eisenbahnregulierungsgesetzes 2016 – die Grundlage der Bildung und Genehmigung von Trassenpreisen – liegen weit darunter: Zusammen ergeben sie weniger als die Hälfte, nämlich 23 Cent.
Wesseln: „Der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt attestierte dem neuen Gesetz, dass es zu sinkenden Trassenpreisen führen solle. Charakteristisch für das Trassenpreissystem ist aber nur die Hilflosigkeit von Kunden und Genehmigungsbehörde. Ein einziges Mal wurde ein Erhöhungsantrag von der Bundesnetzagentur abgelehnt. Die höheren Einnahmewünsche der DB Netz musste der Personenfernverkehr tragen. Von Beginn an haben wir kritisiert, dass die DB und der Bund aus dem Monopol der Schieneninfrastruktur Gewinne ziehen wollten.“
Gewinnanspruch könnte explodieren
Das Eisenbahnregulierungsgesetz wurde mehrfach geändert, ohne das verkorkste Trassenpreissystem zu korrigieren. Anfangs ermöglichte es eine gesetzlich zulässige Traumrendite von 5,8 Prozent, mittlerweile immer noch von 4,3 Prozent auf den gesamten Kapitalstock des Schienennetzes. Infolge der 2019 gestarteten jährlichen Eigenkapitalzuführungen des Bundes erhöht sich automatisch auch der mögliche Gewinnanspruch weiter, den die DB InfraGO AG bei den ihr ausgelieferten Kunden realisieren kann. Sollte der Bund seine Absicht wahrmachen, die aktuell vorgesehenen Zusatzmittel im Umfang von 20 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur ebenfalls als Eigenkapital und nicht als Zuschuss zu gewähren, explodiert der Gewinnanspruch in den Folgejahren regelrecht.
Wesseln: „Die Ampel-Koalition hatte gut zwei Jahre Zeit, einzugreifen und das System zu korrigieren. Sie hat sie nicht genutzt und steht nun vor den Trümmern. Der allergrößte Treppenwitz ist dabei die kürzlich mit Pomp zur gemeinwohlorientierten DB InfraGO AG umfirmierte DB Netz AG. Aus deren Satzung ist die Gewinnerzielung als Unternehmensziel nie gestrichen worden und sie macht nun ausgiebig Gebrauch davon. Statt Kosten zu senken, legt sie bei rückläufiger Nachfrage ungerührt steigende Kosten plus Gewinn auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen um und wird – das ist unsere Prognose – damit den Anteil des klimafreundlichen Güterverkehrs auf der Schiene sinken lassen. Nach den aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2023 hat die DB InfraGO mit weniger verkauften Trassen (minus 1,4 Prozent) mithilfe ihrer auch 2023 erhöhten Preise ein Umsatzplus (plus 74 Millionen Euro) eingefahren. Traumhaft – jedenfalls für die DB und den Eigentümer Bund.“
Preissprung um 121 Prozent!
Zusammen mit der Kürzung der Trassenpreisförderung durch den Bund machen die Trassenpreise für alle Güterbahnen, auch die konzerneigene DB Cargo AG und ihre Töchter, von Anfang Dezember 2023 zu Mitte Dezember 2024 einen Preissprung um 121 Prozent. Das sind 31 Prozentpunkte mehr als die – einmalige – Erhöhung der Lkw-Maut im vergangenen Dezember (um circa 90 Prozent). Wesseln abschließend: „Ich habe zwei Fragen an den Verkehrsminister. Wohin geht diese Reise, wenn angeblich bei der DB InfraGO „extrem viel“ gesteuert wird? Und wie will der Bund diese Schwächung der Schiene im Wettbewerb mit dem Lkw kompensieren, um sein Wachstumsziel auf 25 Prozent Marktanteil und seine Klimaziele zu erreichen? Ich erinnere daran, dass die ungeschmälerte Fortführung der Trassenpreisförderung Bestandteil des Klimaschutz-Sofortprogramms der Regierung für den Verkehr war.“
Foto: © DIE GÜTERBAHNEN